Donnerstag, 24. November 2011

Kuschelkätzchen

Während ich an der Apostel-Paulus-Kirche vorbeigehe und überlege, ob das denn stimmt, dass die Enge noch schlimmer ist als die Not, kommt mir Katharina Hacker entgegen, an jeder Hand ein Kind und meinen Blick vermeidend oder auch nur ihm nicht begegnend singt sie Lalalalalalalalala, während wir an einander vorbei gehen. Gleich darauf finde ich das Kuscheltier. In meiner einfachen Art denke ich, dass eine der beiden Töchter von Frau Hacker das Kätzchen verloren haben könnte. Doch das ist nicht der Grund, weshalb ich es aufhebe. Später denke ich noch, dass so die LeserInnen von Frau Hackers Literatur aussehen dürften wie die große Frau mit dem kleinen Jungen, die allerdings nicht ganz so groß war wie Frau Hacker, die so groß ist, dass es gerechtfertigt wäre, von lang zu sprechen. 


Ich: Das lag da vorne neben dem Papierkorb. Ich habe es auf den Poller gelegt, damit das Kind, das es verloren hat, es gleich sieht, wenn es zurückkommt. Und jetzt will ich meine gute Tat fotografieren. 
Kleiner Junge mit Wollmütze gibt Laute des Entzückens von sich.
Frau Zeitgeist: Warte noch, der Mann will fotografieren. 
Ich: Es könnte natürlich auch ein anderes Kind das Kätzchen entdecken und es mitnehmen. 
Frau Zeitgeist: Ich muss dann mal an mein Auto. 
Ich: Bin gleich so weit. 
Kleiner Junge will jetzt endlich das Kuschelkätzchen anfassen und drängt zum Poller.
Frau Zeitgeist gebieterisch: Aber Sie werden nicht das Kind fotografieren! 
Ich: Hören Sie, ich habe diese ganze Aktion nur gemacht, um ihr Kind fotografieren zu können.
Frau zieht das Kind von dem Poller mit dem Kätzchen weg: Ich habe nur gesagt, dass ich nicht will, dass sie das Kind fotografieren.
Ich: Es ist nicht zu glauben, mit was für einer Scheiße ich hier konfrontiert werde.
Frau Zeitgeist ringt empört nach Worten. Die Worte sind: Na. So. Was.
Ich: Ich bin ausfallend und bösartig.
Frau Zeitgeist: Und das vor dem Kind!
Das Kind weint. Aber nicht, weil ich keine treffendere Formulierung als Scheiße gefunden habe und seine Mutter verachte. Das Kind weint, weil es nicht an das Kätzchen rankommt, da seine Mutter es am Arm festhält, während sie mit ihrer anderen Hand die Heckklappe ihres PKW öffnet. Die Szene verliert sich in aggressivem Schweigen. Ich schalte die Kamera ab und gehe weg.  


Katharina Hacker hat zuletzt die Erzählung Eine Dorfgeschichte veröffentlicht.