Was liest´n da, Oguzhan? - Er hebt das Heft hoch: die neue Ausgabe des Playboy. Den hat er sich nicht gekauft, den haben sie im Zeitschriftensortiment im Laden in der Akazienstraße 2. Und den hat er sich nicht zur Hand genommen wegen der nackten jungen Frauen - die gibt es anderswo nackter -, er liest das Interview mit Philipp Lahm, sagt er und grinst schief. Warum er schief grinst, braucht er mir nicht zu erklären. Das hat er mir vor ein paar Wochen schon erzählt. Er hat mal Fußball gespielt auf hohem Niveau, kennt aus der Zeit einen Journalisten, der hat einmal ein Interview gemacht mit Philipp Lahm. Als es vorbei war, hat der Lahm den Journalisten gefragt, ob er seinen Recorder ausgeschaltet hat, ja, und darauf hat er noch mal ganz anders geredet, so abgewichst, wie er ist, und nicht wie das harmlose feine Kerlchen, das er der Öffentlichkeit vorspielt, also auch in dem Playboy-Interview. Das liest Oguzhan nun auf zwei Ebenen: die eine, was der Lahm dem Playboy sagt, die andere, was der Oguzhan sich denkt, wie es sich tatsächlich verhält, wenn der Lahm in seiner Verstellung sagt, was er sagt. Das ist witzig, das ist spannend und deshalb wäre es am besten, ich würde nun sagen: Dann will ich dich nicht länger stören. Ich wollte ohnehin nur mal Hallo sagen. Denn Zigaretten brauche ich nicht mehr, da ich seit über vier Wochen E-Zigarette rauche und das Liquid, was ich mir dafür einmal die Woche kaufe, das gibt es nicht im Tabakwaren-Imperium des Kaiser Kiosk. Unverständlich. Aber dafür ist nicht Oguzhan verantwortlich. Ich will über etwas anderes mit ihm reden: das Geschenk, was ich ihm zu seinem Geburtstag am Samstag gemacht habe. 22 ist er geworden und von mir hat er bekommen, da ich mir was anderes nicht leisten konnte, etwas Gebasteltes: Einen Auftritt in meinem Blog, den er nach seinen Vorstellungen gestalten kann. Und wenn ihm dazu nichts einfällt, dann helfe ich ihm dabei. – Ist dir inzwischen was eingefallen, frage ich nun, obwohl ich weiß, dass er das Interview mit Philipp Lahm weiterlesen will. – Er schüttelt den Kopf. - Mir ist auch nichts eingefallen. Mittlerweile habe ich sogar das Gefühl, dass dieses Geschenk, von dem ich erst so überzeugt war, nutzlos ist und nervig. Nicht überhaupt nutzlos, aber für Oguzhan: Denn über dich schreibe ich doch sowieso schon. Und bessere Auftritte als die, die du schon hast im Blog, gibt es nicht, da ich immer mit großer Sympathie über dich schreibe. Deshalb habe ich mir überlegt, dass du das Geschenk weiter verschenken könntest an jemanden, über den ich sonst nicht schreiben würde. – Obwohl er gleich versteht, was ich meine und nun endlich das Interview weiterlesen will, erläutere ich es ihm, denn ich möchte die Gelegenheit nutzen, um ihm zu sagen, warum ich über ihn schreibe: Weil du jemand Besonderes bist. Und weil ich will, dass das auch andere erfahren. Ich will dich berühmt machen, könnte man sagen. – Ein Mann kommt rein im blauen Overall, von oben bis unten voller weißer Farbflecken, kauft Zigaretten der Mann, geht wieder und ich muss jetzt mal zum Punkt kommen: Berühmt. – Oguzhan guckt mich an und ich könnte nicht sagen, wie. Möglich, dass er denkt, ich hab sie nicht mehr alle. Egal. – Berühmt. Wenn du dir überlegst, wem du den Blogauftritt weiterschenken könntest, dann überlege dir einfach, wen du gerne berühmt machen würdest – indem du die Person bekannt machst mit mir und ich schreibe dann über sie. Was ich sonst nicht täte, weil ich die Person sonst nicht treffen würde oder – das sage ich nicht – weil sie niemand Besonderes ist. – Das sage ich nicht, weil ich Oguzhan keine Sekunde länger von dem Philipp-Lahm-Interview abhalten will und weil es nicht menschenfreundlich ist. Außerdem: wäre es nicht auch falsch, das zu sagen? Sind nicht alle Menschen etwas Besonderes, wenn man sich auf sie einlässt, ich meine: nahe genug ran geht – und wenn sie den Mut haben, sich so zu zeigen, wie sie sind?