Freitag, 18. November 2011

Kreutzberger



Das Ich ist vor allem ein körperliches, es ist nicht nur ein Oberflächen­wesen, sondern selbst die Projektion einer Oberfläche. – Satz aus Das Ich und das Es von Sigmund Freud. Aus dem wird bei Eva: Das Ich ist beileibe ein körperliches. Und das ist ein wichtiger Satz aus dem Überbau ihrer Kunst. Kunst hat nämlich auch einen Überbau, hat sie gestern zu mir gesagt: Das ist schon ein bisschen mehr als nur Nerz und so. Womit sie anspielte auf die Nerz-der-Großmutter-Anekdote, die ich in meinem ersten Text über sie  vielleicht etwas zu breit angelegt habe.



Eva wollte ihrer heute eröffnenden Ausstellung bei subjectobject den Titel leiblich geben. Doch schließlich hat sich die Galeristin mit ihrem Vorschlag durchgesetzt. Mit dem umfassenderen Titel, weil er Evas Arbeiten nicht nur thematisch, sondern auch künstlerisch beschreibt mit dem Plural: Identitäten. Verwandlung und Verfremdung, Maskierung, Verkleidung, Übermalung sind die Haupthandlungen in Evas Kunst. Inszenierung von Weiblichkeit. Rollenspiel mit dem Frausein. Und die Frau, die verwandelt wird, maskiert mit dicker Schminke, verkleidet mit einem grotesken Hut, fotografiert und dann werden die Fotos verfremdet durch Serialisierung, Collage und Übermalung – die Frau ist fast immer sie selbst: Eva-Marie Kreutzberger. Weil sie so selbstverliebt ist? Nicht auszuschließen. Aber das geht dann niemand etwas an. Das werte Publikum möge sich zur Erklärung halten an einen ganz einfachen, praktischen Grund, den sie selbst nennt: schließlich kann man sich ein Modell nicht jeden Tag leisten.



Eva hat viel Ausbildung gemacht. Nachzulesen auf ihrer Website. Von all den Einflüssen, die sie dabei auf- und mitgenommen hat, der künstlerisch entscheidende: das Studium der Malerei an der HDK bei Fred Thieler, einem Protagonisten der Informellen Kunst, der europäischen Parallelbewegung zum Abstrakten Expressionismus in den USA. Aktionistisches Gestalten = der Weg ist das Werk; das Bild, der Siebdruck, die Collage ein Dokument der schöpferischen Aktion, auf die alles ankommt. Was dabei entsteht, muss zugelassen, angenommen werden. Was da nicht gelingt, ist nur zu ändern durch einen neuen Versuch. Kein Hinbiegen, kein Beschönigen, keine Tricks.  Denn das ist Kitsch und (Selbst)Betrug. – Das die reine Lehre. Bei Eva findet sich einiges davon. Am besten zu sehen in einer Arbeit, die ich hier nicht dokumentieren kann, weil ich kein jpg des Bildes habe: Eine gestische Übermalung einer Fotomontage, die vom Bild eines Frauenkopfes (wie immer der Evas) nur die Augenpartie, den Blick durch die Übermalung frei lässt. Auch nicht dokumentieren kann ich eine Collage mit der Gestalt der Kolumbine aus der Commedia dell´arte, eingehüllt in durchsichtiges Papier, umgeben von Nerzbesatz und bestrumpft wie eine Edelkurtisane. In der Abteilung von Evas gefälligen Arbeiten für mich die schönste. Das als Kaufempfehlung an die Sammler: der Blick und die Kolumbine. Und fürs werte Publikum schon mal zwei gute Gründe in den nächsten beiden Wochen mal bei subjectobject reinzuschauen.



Eva-Marie Kreutzberger
Identitäten
Malerei, Collage, Grafik 
18. November - 3. Dezember 2011
Belziger Str. 25
10823 Berlin
030 78 00 60 01
Di-Fr: 11-14 Uhr und 16-19 Uhr, Sa: 11-16 Uhr


Abbildungen: © Eva-Marie Kreutzberger