Zwei Männer, beide untersetzt, Anfang, Mitte 40, schon etwas füllig, beide tragen dunkelblaue T-Shirts und dunkelblaue Hosen, haben adrette Kurzhaarschnitte wie Versicherungsvertreter oder Anlageberater, der eine schon am grau werden; der legt zärtlich den Arm um die Schultern des anderen und sie sind nicht beim Karneval der Kulturen in Kreuzberg und trotzdem nicht allein. Sie gehen die Beltzigerstraße lang Richtung Eisenacher. Ich überhole sie mit dem Fahrrad und bin auf dem Weg zur Back-Factory und zum Kaiser-Kiosk. Gülcan wird gerade von Serhat abgelöst. Er meint, ich soll den Tag genießen. – Kann ich nicht, antworte ich. Nicht mal das kann ich. Mit mir ist heute nichts los. – Dann genieße es doch einfach mal, nichts zu machen. – Kann ich nicht. Dann werde ich unglücklich. – Was mache ich jetzt? Was über die Google-Werbung? Oder rufe ich beim Nachbarn an in der Hoffnung, dass nicht der Nachbar drangeht, sondern das Gespenst? Denn das Fenster des Gespensterzimmers (aka Contessa-Zimmer) steht offen; da tut sich schon seit Tagen was, das etwas zu bedeuten haben könnte. Doch so wie es jetzt um 16. 10 Uhr aussieht, bedeutet es nichts, auf jeden Fall nicht, dass das Gespenst auf meinen Anruf gewartet hat und schon beim zweiten Läuten drangeht. Nach dem fünften Läuten springt der Anrufbeantworter an. Die schon vertraute Stimme des Nachbarn. Er meldet sich mit seinem Namen und dem Namen der Frau, die er als meine Frau bezeichnet, die in London lebt und arbeitet, die, wie es scheint, über das lange Wochenende nach Berlin gekommen ist und mit der ich ihn gestern Vormittag auf dem Dach sitzen sah. Wenn es nicht eine andere Frau war; das Gespenst war es jedenfalls nicht.
Heute macht mich die Gespensterjagd ganz kribbelig, aber nicht vor freudiger Erwartung, ich habe nichts zu erwarten. Ich will nur, dass es endlich mal weiter geht oder vorbei ist. Keine guten Aussichten dafür, wenn das Gespenst nicht ans Telefon geht und auch sonst nicht erscheint. Dann bleibt mir nur der Nachbar mit seiner Unnachgiebigkeit und seinem Auftritt, der sicher angenehmer war bei meinem Besuch als ich erwartet habe, aber so richtig angenehm ist er mir nicht. Mich heute Früh mal gefragt, ob ich auch so auf Leute wirke wie der. Wie? Einnehmendes Wesen, aber so dass man es lieber nicht wissen will, hinter dem Entgegenkommen abweisend und hochmütig, hochmütig, hochmütig. Ich weiß es. Weiß er es auch? Hilft alles nicht. So lange das Gespenst nicht erscheint, ist der Nachbar mein Gesprächspartner.
Den schönen Mann auf der Carl-Zuckmayer-Brücke wieder nicht angesprochen, weil er sich unterhalten hat mit einem anderen Mann. Ausrede. Ich hatte keine Lust, wie ich letztes Wochenende schon keine Lust dazu hatte. Verspreche mir nichts davon, mit ihm zu reden, will nur wissen, wer er ist und warum er da steht jeden Sonntag bei schönem Wetter. Das reicht. Und dazu ein Foto von ihm, angelehnt an das Brückengeländer, im Hintergrund der Goldene Hirsch. Müsste jemand anders fotografieren. Ich fotografiere nicht. Fange ich erst gar nicht an. Aber Fotos soll es ab jetzt häufiger geben hier im Blog. Und die Google-Werbung schalte ich wahrscheinlich ab. Noch keinen Cent habe ich damit verdient. Dazu reicht es nämlich nicht, dass die Leser die Anzeigen sehen, dazu müssen sie die Anzeigen anklicken, damit sich auf meinem AdSense-Konto was tut. Aber wer klickt solche Anzeigen an: Singles in Berlin, Hebräisch lernen online, Kostengünstige Zahnimplantate? Da müsste ich schon eineinhalb Millionen Leser haben, damit sich darunter welche finden, denen es gerade so langweilig ist, dass sie nach dem Lesen meines Blogs noch auf diesen Anzeigen rumklicken. Verstehe auch nicht ganz das Prinzip: warum es nicht genügen soll, dass die Leser die Anzeigen sehen. Erklärbar nur so: ich (Google) platziere meine Anzeigen in deinem Blog für lau und dafür bekommst du von mir die Illusion, dass du damit Geld verdienen kannst – könntest, wenn deine Leser die Anzeigen anklicken würden. Machen sie es nicht, ist das deine Sache. Such dir andere Leser. Oder mach dich frei von der Illusion und kümmere dich selbst um das Anzeigengeschäft. Mach dich am besten frei von allen Illusionen, die du noch hast. So viele sind es doch gar nicht mehr. Google-Anzeigen abschalten und die Gespensterjagd beenden. Ganz einfach.