Dienstag, 21. Juni 2011

Gefällig

Kurz bei Gülcan im Tabakwarenladen reingeschaut. Wie es mir geht? – Keine guten Tage. - Warum denn nicht? – Weiß noch nicht. Was macht der Lotto-Lehrgang? –  Ist vorbei. – Prüfung bestanden? – Mit null Fehlern. – Glückwunsch, sage ich nicht. Wäre übertrieben. Jetzt bist du Lotto-Fachfrau, sage ich stattdessen anerkennend. Was auch blöd ist.

Monika kommt bei Südwind raus und fragt mich nicht, wie es mir geht. Dafür kriegt sie es voll ab.
Na? sage ich.
Na? sagt sie. Lebste noch?
Was ist´n das für´ne Frage? entgegne ich.
Ich geh da lang, sagt sie und deutet nach geradeaus.
Ich da, sage ich und wende mich ab. 

Nach links in die Belziger, Nummer 25, in die Galerie subjectobject. Um die Suche nach dem Künstler mit dem Künstlernamen fortzusetzen, der irgendwo im Hinterhaus seine Wohnung hat und sein Atelier. Die Galeristin weiß sofort, wen ich meine. Er hat bei ihr ausgestellt vor zwei Jahren. Sie fragt, was ich von ihm will. – Seine Arbeit anschauen, um eventuell über ihn zu schreiben. – Kennen Sie ihn? – Einmal mit ihm gesprochen vor längerem. Wir sehen uns ab und zu auf der Straße, grüßen uns aber nicht. Eine gemeinsame Bekannte war sehr beeindruckt von seinen Bildern. Was ich nicht erzähle: dass mir ein Malerkollege abgeraten hat, mit ihm Kontakt aufzunehmen, und seine Arbeit nicht so beeindruckend findet. Er sei schwierig, ein Außenseiter, sagte der Kollege und meinte das nachteilig. Dann möchte ich mir seine Arbeit erst recht anschauen und ihn näher kennenlernen, habe ich mir darauf gedacht. Die Galeristin deutet auf das Hinterhaus, da in der zweiten Etage, da hat er sein Atelier. Morgen gehe ich hin. Und jetzt schaue ich mir die Ausstellung in der Galerie an: Sabine Kasan. Alltagsruhm. 


Die Galeristin erzählt, es sei – wegen der großen Nachfrage – bereits die zweite Ausstellung der Künstlerin innerhalb von eineinhalb Jahren. – Sehr gefällig, sage ich mich umblickend. Variation des Themas Essen und Trinken. Gläser, Teller, Besteck auf weißem Tischtuch. Spargel, Zitronen, Löwenzahn. Ein rosa Schweinchen. Auf einem Teller eine Bratwurst, daneben ein Senfklecks. Stillleben. Nicht blöd. Aber: Ist es nicht erstaunlich, wie konventionell viele gegenwärtige Künstler malen, sage ich zur Galeristin. – Eine Ausstellungsbesucherin in meinem Alter hat zugehört und kann mir da nur zustimmen. Versteht das nun aber völlig anders als ich. Sie erzählt von einem Bild, das sie neulich gesehen hat, das sei gewesen, als habe der Künstler sein Zahnputzglas auf der Leinwand ausgekippt, und da sei sie sich als Betrachterin verarscht vorgekommen, sagt sie sinngemäß mit der Wortwahl einer Frau, die ein Zahnputzglas benutzt. Ich benutze keines. Ich ziehe mich zurück und schaue in den Nebenraum, wo eine frühere Phase der Malerei Sabine Kasans zu sehen ist: Frauenkleidung. Plisseerock. Rote Pumps. Dessous. Gröber, härter diese Bilder. Gefällig sicher nicht. Ausstellung noch geöffnet bis Donnerstag, und weil danach die Sommerpause beginnt, hängen die Bilder bestimmt noch ein paar Tage länger, sagte die Galeristin: Liljana Vulin-Hinrichs. 
Kommunikation Gestaltung Ausstellung
Belziger Straße 25
10823 Berlin
Telefon 78 00 60 01

                           
Bilder: © Sabine Kasan