Mittwoch, 17. November 2010

Wirtschaftsleben

Weiter mit Bloggen am Telefon. Weiter mit einer Geldsache. Anruf bei der Firma N., Installationsbetrieb. Seit ich hier wohne im Haus tätig, inzwischen raus aus dem Geschäft, weil es einen neuen Hauseigentümer gibt. Es meldet sich wie gewohnt Frau N., die Frau des Installationsmeisters. Sie spricht wie jemand, der mit weinerlicher Stimme spricht – singend,  die Vokale dehnend, die Worte aneinander bindend; nur dass sie das nicht weinerlich tut, sondern energisch. Daran kann man sich gewöhnen. Ich spreche sehr gerne mit Frau N.. Sie erinnert sich nicht gleich an mich. Erst, als ich ihr die Adresse nenne, erkennt sie mich: Sie sind doch der Herr Gensheimer, der freitagmorgens immer erst ab 9 Uhr kann, weil sie vorher schwimmen gehen. – Nicht nur freitags, sondern an allen Werktagen, korrigiere ich sie und könnte hinzufügen: Nur im Moment nicht, weil ich meinen Arsch derzeit nicht vor 7 aus dem Bett kriege, heute wieder nicht; mal sehen, ob ich es morgen schaffe. – Ich unterdrücke diese Bemerkung. – Mein Nachbar hat mich gestern darauf hingewiesen, dass wir als Mieter verpflichtet sind, unsere Gastherme warten zu lassen; haben wir das nachweislich nicht getan, kann es im Reparaturfall passieren, dass uns der Vermieter die Kosten anlastet. Da wir es mit einem neuen Eigentümer zu tun haben, bei dem wir noch nicht so recht wissen, folge ich dem Hinweis sofort und rufe die Firma an, von der der Nachbar seine Therme gerade hat warten lassen. Für 65 Euro. Günstig, weil keine Anfahrtkosten, weil Geschäft in der Dominicustraße, ganz in der Nähe. Termin am Dienstag um 9 Uhr. Und nur, um noch mal sicher zu gehen, frage ich: 65 Euro? – 65 Euro, bestätigt die freundliche Männerstimme vom Installationsbetrieb am Ende des Telefongesprächs gestern. – Heute nun Frau N., die mir, nachdem ich Wartung und Gastherme gesagt habe, erklären will die Verpflichtung des Mieters zur jährlichen Wartung ... - ... Frau N. , wenn ich das nicht wüsste, hätte ich Sie nicht angerufen wegen der Wartung. Ich will nur wissen, was Sie für die Wartung verlangen. Preisvergleich. Wie man das so macht. - Frau N. holt aus: 35 Euro kostet die Arbeitsstunde. Netto. Wie lange der Mitarbeiter braucht, kann sie nicht sagen. – Berechnen Sie die Anfahrt? – Nein, das nicht, antwortet sie erst, wie sich kurz darauf zeigt, berechnen sie die Anfahrt aber doch. - Das akzeptiere ich nicht. Denn was habe ich mit der Anfahrt zu tun? Die Fahrtkosten sind eine Investition der Firma in ihr Geschäft. Sie erwarten ja auch nicht von mir, dass ich Ihren Leuten das Essen bezahle, damit sie nicht vor Schwäche umfallen, wenn sie die steilen Treppen zu mir in den 5. Stock hochsteigen, sage ich zu Frau N.. – Ja, ich bin ein harter Verhandler und ich habe Erfolg. Nach gar nicht so langem Hin- und Her fragt mich Frau N., ob die 65 Euro, die die andere Firma will, mit oder ohne Mehrwertsteuer sind? – Das ist ein Endpreis, wie ich es verstanden habe, antworte ich, bin mir aber nach ihrer Frage nicht mehr so sicher. – Gut, dann machen wir das auch für 65 Euro inklusive. – Wenn sie jetzt 55 Euro gesagt hätten, dann wären wir im Geschäft, sage ich, aber so … - Frau N.: ... könnten Sie trotzdem uns beauftragen, weil Sie kennen unsere Leute und unsere Leute kennen sich bei Ihnen aus. – Da sehe ich keinen Vorteil drin. Vielleicht sind die anderen auch nett und mit denen habe ich schon einen Termin. Ich verbleibe mit Frau N. so, dass ich die andere Firma anrufe, um mich zu vergewissern wegen Mehrwertsteuer wirklich inklusive oder nicht. - Anruf in der Dominicusstraße. 65 Euro. Endpreis? – Nein, dazu kommt noch die Mehrwertsteuer. Macht 77 Euro 35. – Ich sage, dass ich jemand habe, der mir die Wartung für 65 Euro inklusive Mehrwertsteuer macht. Doch statt jetzt um mich als Kunden zu kämpfen und ein verbessertes Angebot zu machen, ist die Männerstimme aus der Dominicusstraße nun hörbar enttäuscht, von mir enttäuscht, und ich weiß gar nicht mehr, ob ich dann noch erklärt habe, dass ich mich für die andere Firma entscheide oder es unausgesprochen gelassen habe, um nicht alles noch schlimmer zu machen. – Frau N., als ich wieder anrufe, nun so wie ich sie kenne und schätze: Sehn Se, sagt sie. Sehn Se. Sehn Se. – Ich: Sagen Sie doch noch mal Sehn Se. – Sie: Sehn Se. - Aber dann ist es auch gleich vorbei mit ihrer guten Laune. Oder erscheint es mir nur so, dass sie nur noch widerwillig zu dem Angebot steht, das sie mir gemacht hat? Als ich sie nach der Terminabsprache (Montag 14 Uhr) aufzumuntern versuche mit der Bemerkung, dass es immer ein Vergnügen ist, mit ihr zu reden, antwortet sie nur mürrisch: Ja, ja. – Und ich bin danach auch nicht mehr gut gelaunt. Denn was habe ich nun erreicht? – Ich habe 12 Euro 35 gespart bei einer Ausgabe, von der ich bei dem zu erwartenden Budgetdefizit im Dezember noch nicht weiß, wie ich sie finanzieren soll. Dass ich mal wieder erlebt habe, was für ein harter Verhandler ich bin, das deprimiert mich jetzt nur noch. Und dass solche Verhandlungen von deutschen Handwerksbetrieben als Zumutung empfunden werden, das habe ich vorher schon gewusst. - Spätere Analyse: Könnte ich die 65 Euro locker bezahlen, hätte ich mich ungetrübt freuen können, die 12 Euro 35 eingespart zu haben. Dann wäre es mir auf die 12 Euro 35 aber auch nicht angekommen. Dann hätte ich wahrscheinlich gar keinen Preisvergleich gemacht, dann hätte ich es bei der Absprache mit der freundlichen Männerstimme aus der Dominicusstraße belassen und nicht mit Frau N. telefoniert. Dann hätte die Firma N. aber auch den Auftrag nicht bekommen. So gesehen war es also doch nicht so schlecht.  Nur, wo ich die 65 Euro hernehmen soll, hat die Analyse nicht ergeben.