Sonntag, 14. November 2010

Gerede

Gestern im Gespräch mit Guido auch meine Finanzlage erwähnt. – Er: Dann musst du eben verkaufen. – Ich: Was verkaufen? – Er: Na, deine Wohnung. – Ich: Hä?! – Er: Du hast doch eine Eigentumswohnung. – Ich: Wie kommst du darauf? – Er: Hast du doch mal erzählt. – Ich: NEIN! Habe ich nicht erzählt. Kann ich nicht erzählt haben. Die Geschichte meiner Wohnung geht so, dass sie zu teuer für mich ist. Und zwar die Miete. Nicht die Zinszahlungen an die Bank für die Hypothek. – Nachdem das geklärt ist, bleibt die Frage: Wie kommt Guido darauf? Bestimmt nicht von sich aus. Das hat er mal gehört, das hat ihm mal jemand gesagt. Gerede über mich. Vorstellungen, die über mich im Umlauf sind. Kann allerdings Schlimmeres geben, als dass sie einen für begütert halten. Gab schon anderes, was über mich geredet wurde. Obwohl auch dieses Gerede nichts richtig Schlimmes war. Sie fanden es vielleicht ehrenrührig und hui und pfui, und stell dir vor! Ich fand es keineswegs ehrenrührig, und das hätte ich ihnen auch gerne gesagt, dass ich es völlig in Ordnung fand, was sie so pfui fanden. Denn wäre es für mich nicht in Ordnung gewesen, hätte ich es nicht gemacht. Aber dazu geben sie einem nicht die Gelegenheit, zu ihrem Gerede Stellung zu nehmen. Das ist das Gespenstische an dem Gerede. Es muss hintenherum sein. Sonst verfehlt es seinen Sinn, sonst macht es keinen Spaß. Sonst könnte am Ende noch herauskommen, dass in Wahrheit alles ganz anders und ganz uninteressant ist. Deshalb stellen sie einem keine Fragen und sprechen es nicht an, was sie über einen gehört haben. Sie machen allenfalls spitze Andeutungen. Und wenn man sie darauf anspricht, dann gehen sie gleich wieder in Deckung. Dann sagen sie: Aha. Aber wie kommst du jetzt darauf, das anzusprechen? – Weil ihr doch darüber redet. – Wir? Wir reden über dich? Meinst du nicht, dass du dich da zu wichtig nimmst? – So geht das dann aus. Was habe ich es gehasst, das Gerede über mich. So gehasst, dass ich mich in schwachen Momenten schon verfolgt gefühlt habe davon. Einer der Gründe für meinen Rückzug aus der Kiez-Öffentlichkeit - so weit wie möglich - ist das gewesen. Und es ist einer der Gründe dafür, dass ich das Bloggen so genieße. Weil ich damit jedes Gerede über mich überbieten und damit zwar immer noch nicht zum Verstummen bringen kann, aber ich habe wenigstens alles getan, um dagegen zu halten. Und ich kann jederzeit dementieren. Wenn nur drei Leute das lesen, dann geht das schon seinen Weg über die Stille Post: MEINE WOHNUNG IST KEINE EIGENTUMSWOHNUNG! Es ist auch nicht so, wie eine mir später nahestehende Person mal allen Ernstes geglaubt hat, dass mir das ganze Haus gehört. Ich sehe vielmehr mit schreckgeweiteten Augen dem Dezember entgegen, wenn ich eines Vormittags den Briefkasten öffnen werde und darin einen Brief der neuen Hauseigentümer finde mit der Mitteilung der kräftigen Mieterhöhung, mit der wir hier rechnen, seit wir vom Verkauf des Hauses und den neuen Eigentümern gehört haben. So sieht das aus. - Um nicht damit zu enden: Bin immer noch phlegmatisch und habe heute einen Text geschrieben über mehrere leise Fürze und einen knatternden Furz in einem taz-Artikel über Arno Schmidt. Weniger reißerisch formuliert: Es geht um den Wortgebrauch Unterbewusstsein und um den Unsinn dieses Wortgebrauchs. Der Text ist nicht fertig geworden und ich weiß noch nicht, ob ich ihn überhaupt zum Funktionieren bringen kann. Deshalb habe ich diesen zweiten Text  geschrieben, obwohl ich gar nicht so grimmig drauf bin, wie der Text vielleicht vermuten lässt. Und jetzt versuche ich mal meinen Psychoanalytiker zu erreichen, um mich zu versichern, dass das nicht auch ein Unsinn ist, was ich in dem Text mit den Fürzen und dem Unterbewusstsein geschrieben habe. Um eventuellem Gerede gleich vorzubeugen: der Psychoanalytiker ist ein Freund. Eine Analyse kann ich mir wegen der Höhe meiner Miete nicht leisten.