Sonntag, 21. November 2010

Ententeich

Luft vorwinterlich. Kein Reiher da zur Beobachtung. Graureiher. – Wie? – G r a u reiher, sagt der eine zu den zwei anderen. – Dann kommst du eben vorher zu mir, sagt der Mann mit dem Telefon am Ohr. Ist der Person am anderen Telefon aber auch nicht recht. Vielleicht, weil es geklungen hat wie: ist doch mir egal. – Die Enten im Wasser geben kleine Laute von sich. Leise sind sie außerdem noch. Kleine, leise Laute geben sie von sich. Die mit dem schönen bunten Gefieder, das sind die Männchen, die mit der Tarnfarbenmusterung, das sind die Weibchen. Müssen wir uns immer erst wieder klar machen, denn das ist bei uns anders. Unter anderem deshalb, weil wir keine natürlichen Feinde am Himmel oder im Schilf haben, die abgelenkt werden müssen von den Weibchen und ihrer Brut (nehme ich an). Niemand bleibt so unbehelligt wie ein Menschen-Weibchen, das mit seinen zwei süßen kleinen Fratzen vor einem Coffee Shop sitzt. Da kann das Weibchen noch so einladend lächeln. Dann bleibt sie erst recht unbehelligt und guckt deshalb auch schon so alleinerziehend, dass ich ihr zurufen möchte: Überlege es dir gut! Am Ende ist ein Mann, der sich von dir permanent überfordert fühlt, immer noch besser als nicht mehr klagen können über einen Mann, schon aus Stolz nicht, weil du hast es ja so gewollt. – Das war gestern. Danach, zu Hause, ich fange gerade an mit dem Entwurf des komplizierten Traumtextes, Anruf: Elend Teil 2 und Überleitung zu meinem Elend. Peter tut der Fuß so weh, dass er nicht zum Bankautomaten gehen kann. Er braucht 20 Euro. Für eine Dose Suppe mit Würstchen drin und für Zigaretten. Der Sohn ist konsequent auf Distanz. Die Freundin kann ihm das Geld auch nicht vorbeibringen, weil er mit ihr gebrochen hat am Vortag. Er erträgt es nicht mehr, wie sie ihn schlecht macht. Du bist nicht repräsentativ, hat sie zu ihm gesagt und wahrscheinlich gemeint: nicht vorzeigbar und eine Frau will schließlich auch mal was fürs Auge und nicht immer nur Souveränitätsgerede sich mit anhören müssen. Hinzu kommt, dass sie undankbar ist: 2600 Euro, damit sie ihren Ex-Mann auszahlen konnte für das ehemals gemeinsame Auto; 300 Euro für einen Mantel, damit sie nicht friert auf dem Flohmarkt am Mauerpark; dazu das Abo für den Fitnessclub, das er ihr geschenkt hat, um ihr eine Freude zu machen. Aber keine Dankbarkeit. Exkurs über Dankbarkeit, die es gibt, die man aber nicht erwarten darf und schon gar nicht spekulieren darauf, und: wie das ist mit dem Kaufen von Frauen. Ich würde es nicht machen, und wenn ich noch so viel Geld hätte, würde ich mir keine Frau kaufen. – Er: Ich kaufe sie nicht damit. Ich tue das gerne, was ich für sie tue. – Aber dafür haben willst du schon etwas. Schön verpackt mit Schleifchen und auf dem Schleifchen soll stehen: In Dankbarkeit und Liebe. Das sage ich nicht zu ihm. Ich sage: Ich kann bei dir vorbeikommen und für dich einkaufen oder dich einfach nur besuchen, wenn du einen Menschen sehen willst, aber mit den 20 Euro ist es schwierig, ich habe aktuell gerade mal 30 Euro in der Tasche. – Er: Montag kriegst du es wieder. – Also gut, wenn es nicht anders geht, bringe ich dir das Geld morgen vorbei, sage ich und bin erleichtert, als er heute anruft und sich in aller Form bedankt für die zugesagte Hilfe, aber die Freundin bringt ihm nachher das Geld vorbei. – Dann ist alles wieder gut? – Na klar. Sie hat gesagt, du kannst mich doch nicht einfach so wegschmeißen. Und diese Worte haben ihn glücklich gemacht. Ende Elend. Traumtext. Weshalb war der so kompliziert? Weil ich verheimlicht habe das freudige Ereignis vom Freitag, das der Tagesrest war in dem Traum (der Auslöser sozusagen), und den Traum selbst verheimlichen musste wegen des sexuell expliziten Inhalts. - Den hätte ich doch auch umschreiben können? – Aber genau das habe ich getan. - Zu verstehen war es trotzdem nicht. – Ich weiß. Und deshalb soll das jetzt auch wieder aufhören mit der Geheimnistuerei. Ich werde so leben, dass alles, was ich tue, klar und anschaulich bloggbar ist. Es wird mir auch nichts anderes übrig bleiben, denn so freudig war das Ereignis auch wieder nicht. – Das ist nicht wahr. Das Ereignis war freudig und es gibt vage Pläne für neue Heimlichkeiten. Kontrollierter Rückfall in alte Gewohnheiten. Vielleicht. Experiment. Ich kann mein Leben nicht völlig dem Blog unterordnen, ich muss auch mal was nur für mich tun, habe ich heute Früh mal gedacht. – Ich schreibe also wieder an die Tess? – Nein, auf keinen Fall. Das Experiment ist kein Schreib-Experiment. Wenn ich ihr schreibe, dann hier. Wie gerade eben wieder.
Unbedingt lesen und angucken: Nan Goldin-Interview auf SPON und Ausstellung Nan Goldin - Berlin Work . - Mit Dank an Taewoo für den Hinweis.