Montag, 29. November 2010
Linkisch
So viel zum Thema Internetverweigerer: Über Facebook nimmt Alex Rühle Kontakt mit mir auf. - Johannes Thumfart ist übrigens auch auf Facebook; da hätte er Alex Rühle also leicht finden können, checken sozusagen. Wie man das so macht, um starke Aussagen wie zum Beispiel Internetverweigerer auf ihren Tatsachengehalt zu prüfen. Alex Rühle schreibt mir: lieber herr gensheimer, sind sie der herr gensheimer, der gestern über die aufstand-"debatte" gebloggt hat? dann wollte ich nur sagen: danke. vielen dank, das hat gut getan ... . - Eine Viertelstunde lang bin ich völlig aus dem Häuschen, weil ich gleich am Morgen eine Reaktion bekomme auf den Text, an dem ich gestern Abend gesessen habe. Und weil ich jemandem was Gutes getan habe damit und er sich auch noch dafür bedankt. – Was soll ich ihm jetzt zurückschreiben? – Ja, ich bin der. Gerade habe ich den Text korrigiert. Ich freue mich über Ihre Reaktion. Herzlichen Gruß. – Das ist spröde, das ist ungelenk. Und das ist so, weil in der Zurückgezogenheit meiner Dachwohnung, in der ich hocke wie in einem Hochbunker (ich denke mal Metapher mit Bunker ist trotz Führerbunker okay), bin ich nicht eingestellt auf einen Kontakt wie jetzt gerade; da bräuchte ich einen Anlauf von zwei oder drei Mails oder fünf Minuten Telefonieren ins Unreine, dann würde es gehen, weil eigentlich bin ich sehr kommunikativ. Nun aber gerade linkisch und ungewandt und außerdem: Was soll ich mehr dazu sagen? – Ich habe den Text nicht geschrieben, um Alex Rühle zu helfen, obwohl es schon so war, dass mir sein Artikel zum Aufstand-Thema trotz der starken Konkurrenz des Minkmar-Textes am besten gefallen hat. Ich habe den Post geschrieben, um das Thema aus dem Kopf zu kriegen, mit dem ich mich seit Tagen beschäftigt hatte, und je länger ich über diese Gasmetapher-Polemik nachdachte, desto mehr hat mich ihre Tücke gewurmt. Und da hatte ich die betreffende Passage des Thumfart-Textes noch gar nicht so genau gelesen wie später fürs Schreiben, als ich feststellte, dass alles in der Passage - angefangen vom Internetverweigerer bis zum Argument der Modernitäts- und Demokratiefeindlichkeit schlicht ausgedacht war, um es zurückhaltend zu formulieren. Allerdings war mir schon aufgefallen, dass niemand dem Axel Rühle beigesprungen ist. Sowohl die FAZ als auch die Süddeutsche hatten geantwortet auf die Thumfart-These, das Manifest von Unsichtbares Komitee sei ein rechter Text. Jürgen Kaube in der FAZ ganz entspannt und zurückgelehnt mit der Meinung: Der kommende Aufstand, das sei doch eigentlich Jugendliteratur und bitte mal die Kirche im Dorf lassen. Marc Felix Serrao in der Süddeutschen, indem er Thumfarts Rumgefuchtele mit Heidegger und Carl Schmitt überboten hat mit dem gelehrten Hinweis: Der Waldgang, Ernst Jünger; also wenn schon rechts, dann kultiviert, konservativ-anarchistisch. Doch keiner der beiden, nicht Kaube, nicht Serrao, ist eingegangen auf die Gas-Polemik. Weil sie es selbst anstößig finden als deutscher Journalist eine Metapher mit Gas zu bilden? Oder weil sie von der Thumfart-Polemik eingeschüchtert waren, zumindest insofern, als sie darauf bedacht waren, sich in dem Punkt keine Blöße zu geben? Oder weil sie sich zu fein dafür waren, sich mit so einem Blödsinn abzugeben? So oder so, sie haben ihren Kollegen Rühle in der Ecke stehen lassen, in die Thumfart ihn gehetzt hatte. Mit dem Ergebnis, dass in der taz am Samstag eine Replik auf Kaube und Serrao erschien, die die Gasmetapher-Polemik im Modus des Nachtretens wiederholte. - Auf meine spröde Mail mit dem treuherzigen Satz, dass mich seine Reaktion gefreut hat, schrieb Axel Rühle zurück: Na, ich freu mich erst, vor allem, nachdem die taz nochmal nachgelegt hat ... . - Da bin ich mir hinterher eine Viertelstunde lang noch linkischer vorgekommen, als ich es sowieso schon bin in meinem Hochbunker. Aber das macht nichts. Er hat sich gefreut. Ich habe mich gefreut. Und jetzt würde mich mal interessieren, was Johannes Thumfart denkt.