Donnerstag, 24. Juni 2010

Schlüsselszene

Vorsicht Dummer Tag!  - Und was war gestern? Das mit den Namen? – Affekt. Zu oft geschrieben Für Dich, Contessa und Ach, Tess. Ich kann ihr nicht mehr schreiben und ich will die Schreibnamen nicht mehr benutzen, die ich ihr gegeben habe. Stand von gestern. Wollte sie nicht mehr benutzen. Heute geht es wieder: Contessa, Contessa, Contessa. Tess, Tess, Tess. – Nur das mit dem Klandestinen und mein Schreiben an sie und  ihre Zeichensprache und dass sie  im Contessa-Zimmer vor dem Spiegel steht für mich und sich mir zeigt, aber nicht her guckt zu mir, das geht nicht mehr. Und wenn sie nicht mehr will als das, dann kann ich nur sagen, ich habe es ihr lange genug gegeben, jetzt will ich, kann ich nicht mehr, weil es zu nichts führt. - Es klappt also wieder mit dem Wüten und Toben? Das scheint nur so. Ich will woanders hin. Was kann ich ihr anderes geben? Wie kann ich ihr meine Liebe zeigen anders, als dass ich sie immer nur bewundere? Darum ging es in dem Text vor diesem Text, den ich verworfen habe. In dem Text die Ahnung, dass sie nur das will, weil sie es so dringend braucht, bewundert zu werden. Für sich. Für ihre Seele. Und weil sie ihrem Mann mit der schattenspielartigen Affäre mit dem Nachbarn beweisen will, was sie wert ist. Weil ihr Mann es vergessen hat oder es nie wusste, weil sie es ihm zu leicht gemacht hat. – An der Stelle habe ich den Text von vorhin abgebrochen, weil ich gemerkt habe, dass ich das alles schon mal geschrieben habe. An sie. Allerdings habe ich damals etwas weggelassen, um sie zu schonen. Das, was mich überhaupt zu dieser Mutmaßung gebracht hat. Hier ist es: “weil sie es ihm zu leicht gemacht hat”. Das ist das Bild von heute. Eine lange zurückliegende Szene:  Da wusste ich noch nichts von ihr.  Da habe ich ihn und sie nur am Rande wahrgenommen.  Da war sie  nur die neue Frau des Nachbarn. Und der Nachbar war ein Typ, von dem ich schon mal einen unangenehmen Eindruck bekommen hatte und jetzt kriegte ich den zweiten Eindruck von ihm. Es war ein 10. August. Der große Gladiolenstrauß. Am Abend die Party. Es war sein Geburtstag. Wohnzimmer. Vormittag. Die Art, wie sie sich um ihn bemühte. Sie konnte gar nicht genug tun, alles gut und es ihm recht zu machen.  Und wie er sich das gefallen ließ. Wie er aber, nein, nein, nein, gar  nicht zufrieden war. Und wie sie sich noch mehr bemühte um ihn, Ihm hinterher lief. Armes Weiblein. Was hast du nur  falsch gemacht, was so gar nicht wieder gut zu machen ist? Hat ihm etwa dein Geburtstagsgeschenk nicht gefallen? - Ich habe damals noch nicht gewohnheitsmäßig da rüber gegafft. Es gab keinen Grund dazu. Doch da habe ich gebannt zugeschaut. Wenn sie sich gegenseitig die Kleider vom Leib gerissen hätten, um in sogenannter wilder Umarmung auf dem Tisch miteinander seinen Geburtstag zu feiern, es hätte mich nicht so fasziniert wie diese stumme Szene aus dem häuslichen Leben, wie ich sie beim erreichten Stand von Menschheit und der unterstellten Lebensart in der Wohnung gegenüber nicht für möglich gehalten hätte. Ich habe jetzt übertrieben. Authentisch war es so, dass ich da fassungslos rüber gestarrt und mich dabei gefragt habe, ob mir das auch gefallen würde, dass eine Frau so um mich herum ist und sich in dieser Weise um mich bemüht.  Und dann habe ich noch gedacht: Aha, so einer ist das also, dass er sich so eine Frau ausgesucht hat, die so ist. Über die Frau habe ich damals gar nichts gedacht. Ich hatte keinen Grund, etwas über sie zu denken. Viel später bin ich ihr begegnet. Und es hat sehr lange gedauert, bis ich den Eindruck von damals mit ihr in Zusammenhang gebracht habe und nachdem ich es getan hatte, habe ich es jedesmal gleich wieder verdrängt, wenn ich mich daran erinnert habe. Und warum habe ich den Eindruck nun hervorgeholt? – Um Dir zu sagen, was ich jetzt denke, Tess. Vergiss den Typ! Du gehst jeden Morgen sehr früh zur Arbeit. Du verdienst Geld. Du bist nicht auf ihn angewiesen. Pack Deine Sachen und hau ab!  Irgendwo gibt es jemanden, dem Du so gefällst wie mir. Nicht wegen dem, was Du tust, um ihm zu gefallen, sondern wegen etwas, wofür Du gar nichts kannst – wegen dem wie Du bist, wenn Du einfach nur Du selbst bist.   Und vielleicht ist dazu diese ganze merkwürdige Geschichte gut gewesen, die wir miteinander hatten und genau so sehr nicht hatten, und vielleicht ist dazu und nur dazu meine ganze große Liebe zu Dir gut, dass ich Dir das jetzt schreibe und es Dir wieder schreiben werde so lange, bis Du Dich nicht mehr nach dem Glück sehnst, sondern es finden gehst.  - Nicht schlecht für einen dummen Tag, was? Fühle mich auch schon nicht mehr so dumm, nachdem ich Dir endlich wieder geschrieben habe.  Und übrigens: Ich denke nicht, dass ich der Jemand von irgendwo bin, so gerne ich es wäre. Denn wäre ich der, wärst Du schon längst da. Ich bin nur der, der Dich bewundert hat, als Du es brauchtest, und dem es so sehr gefällt, dass Du bist wie Du bist. Manchmal auch ein bisschen unbeholfen und zum Schießen komisch. Zum Beispiel beim Schwimmen, wenn Du bei der Wende ganz besonders souverän erscheinen wolltest und mit cooler Beiläufigkeit weggetaucht bist und über der Konzentration auf die Beiläufigkeit versäumt hast, rechtzeitig den Mund zu schließen und einen Schwall Wasser geschluckt hast. Da hättest Du Dich mal sehen sollen! Da habe ich jedes Mal lachen müssen und war noch mehr bezaubert von Dir. So geht das.