Gestern noch Stephan angerufen. Weil es hier weiter gehen soll. Jetzt ohne Contessa. Ich kann es nicht ändern. Oder doch? - Stephan kenne ich von Sat 1. Jetzt ist er „geschäftsführender Produzent“ einer Firma mit nobler Kurfürstendamm-Adresse. Dort habe ich im April letzen Jahres mit ihm zusammen gesessen und über sein Projekt geredet. Titel: Die Inder kommen. Idee: Angela Merkel ist die Reinkarnation von irgendwem Indischen und dann kommen die Inder und es wird turbulent und komisch. Diese Blödel-Humor-Vorstellung von Komödie. – Und was soll ich dabei? - Die Frauencharaktere schreiben, die lebendigen, die ich kann. Ach, und das ist besonders witzig, es soll eine Task Force geben, eine Reinkarnations-Polizei oder so; die ist wie die Außerirdischen-Task-Force in Men in Black. Ob ich MIB kenne? - Ja. Aber so mache ich das nicht. Wenn ich das schreibe, dann ist das ohne Merkel und ohne MIB, weil es MIB schon gibt und Merkel ein Kalauer ist. Und: Ich bin so gut wie mittellos, ich arbeite nur für Geld. - Sicher. Nur, wenn ich mal zwei, drei Seiten schreiben könnte. - Ohne Geld? - Er muss was zu lesen habe, damit er beurteilen kann, was ich mir vorstelle. - Da ich gerne schreibe, schreibe ich ihm vier Seiten Ideenskizze für lau. - Jetzt kann er das allerdings nicht alleine entscheiden. - Er muss sich mit seinem Partner in der Geschäftsführung abstimmen? - Nein. Wir treffen uns in Dahlem da und da, Nähe U-Bahnhof Onkel Toms Hütte, in der Praxis von Astrid. - Praxis? Astrid? - Mit der zusammen hat er die Idee entwickelt, die hat ihn schon bei anderen Projekten beraten. Die ist gut. - Und sie ist ...? - Homöopathin.
Die Wohnblocks bei der Argentinischen Allee. Praxis im Erdgeschoss. Winzige Zimmer. Astrid. Reinkarnation. Karma. Ich habe mich eingelesen. Hätte ich lassen können. Es ist sowieso ganz anders und keine Zeit für ein Gespräch. Astrids Redebeiträge im Durchschnitt 30 Minuten lang. Ich denke über mein Karma nach. Was ist schief gelaufen, dass ich hier sitze? Ich muss mir schöpferisch und finanziell was Neues überlegen. Was soll ich machen? Wenn ich jetzt aussteige, bin ich gescheitert. Halte ich durch, schreibe ich eines Tages vielleicht doch noch den Film, den ich immer schon sehen wollte. Aber nicht mit Astrid als Dramaturgin und Stephan als "geschäftsführendem Produzenten". Ich muss hier raus! - Astrid ist gerade bei den 7 adoptierten Kindern, die sie großgezogen hat. Oder waren es 17? Auf jeden Fall ist aus allen was geworden, außer einem. Nichts zu machen. Und warum? – Warum? - Karma. – Ach so.
Dann die Überraschung. Astrid gefällt meine Plotskizze. Stephan schluckt. Ihm hat sie anscheinend nicht gefallen. Aber da Astrid das Sagen hat, machen wir einen Exposé-Vertrag. 1500 vorneweg, 1500 bei Abnahme. Das ist Miete und Krankenversicherung für zwei Monate. Ich hänge mich rein. Ich halte den Termin ein. Und wo ist das Geld? - Erstes Telefonat: Da muss Stephan mal mit der Buchhaltung reden. – Zweites Telefonat: Da muss er mir sagen, dass er kein Geld hat im Moment, weil erwartete Zahlungen nicht eintreffen. – Ich: Ohne Geld kein Exposé. – Das versteht er. Respekt vor meiner "Konsequenz". Er meldet sich wieder, wenn Geld bei ihm geflossen ist.
Mein Anruf gestern ist unser erster Kontakt seit einem Jahr. - Warum rufe ich Dich an, Stephan? – Jetzt müsste ich sagen: Weil ich diesen Blog schreibe und mir wegen unglücklicher Umstände, sehr unglücklicher Umstände, meine Protagonistin verloren gegangen ist. Deshalb habe ich mir überlegt, dass ich jetzt alle möglichen Leute, die ich so kenne, reinholen will in den Blog, zum Beispiel auch Leute, mit denen ich geschäftlich zu tun hatte. Was eigentlich eine gute Idee ist, Interviews mit Leuten zu machen, über die ich immer schon mal mehr wissen wollte oder mit denen ich noch was zu klären habe. Doch das will ich Stephan so nicht sagen, weil es mir zu kompliziert erscheint und er vielleicht auch nicht will, dass ich über ihn schreibe. Also murmele ich was von bizarren Erfahrungen, die ich zuletzt gemacht habe als Autor in der Branche und dass ich denen mal auf den Grund gehen will. - Stephan versteht und kann mir da nur eins empfehlen: mal zu Astrid zu gehen, die ich ja kennen gelernt habe. Die macht nämlich auch Lebensberatung. 25 Euro kostet ein Gespräch mit ihr. Ihm hat sie sehr geholfen damit. - Beschäftigt er sie denn immer noch als Dramaturgin? - Ja, bei zwei Projekten. Später stellt sich heraus, er hat nur die zwei. Das eine ist eine Medizin-Serie, das andere das mir bekannte Inder-Projekt. Jetzt ist es übrigens wieder mit Merkel. Er findet den Pitch so gut (Pitch = Wurf = Plot in max. drei Sätzen erzählt). Er arbeitet daran jetzt mit einem schreibenden Regisseur zusammen. Der macht das für lau. - Mein Verhalten damals, wie fand er das? - Sowas ist ihm noch nicht passiert. - Dann lassen sich die Autoren sonst also bereitwillig von Dir ablinken? müsste ich fragen und tue es nicht. Denn es ist nicht er. Es ist die Position eines Autors (kleinen Autors) in der Branche. Es ist die Branche. Und der geht es nicht gut. Stephan lebt von seinen Reserven, sagt er. Vielen Produzenten geht es im Moment so, fügt er hinzu. Ich denke an meine Reserven. Ich werde melancholisch. Ich will das Gespräch beenden. Er redet immer weiter. Wie Stephan so redet, immer auf einem Ton und - tut mir leid, Stephan - mit der Wortwahl eines Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes. Ich kann jetzt nicht mehr. Ich wünsche ihm zweimal Alles Gute. Ich muß jetzt auch diesen Text beenden. Der ist schon viel zu lang. Und ich habe sowieso schon nichts zu lachen.
Wäre ich heute Morgen nur der anderen Idee gefolgt. Dem Satz, dass ich in Affären nicht so gut bin. Vielleicht mache ich das morgen. Und vielleicht geht ja doch noch was mit der Contessa. Es muss ja nicht die vorgesehene Rolle sein. Ich kann Dir auch eine andere Rolle schreiben, Tess. Das habe ich Dir damals schon in meinem kleinen parfümierten Brief angeboten. Alles ist möglich. Wir müssen nur darüber reden.