Um einmal eine Vorstellung zu geben, was ich an einem Tag wie heute mache: Ich bin gestern Abend nicht zur Vernissage der Atelierausstellung von Peter Lindenberg gegangen, die zugleich seine Geburtstagsfeier war, weil mir das zu intim war und ich heute früher als sonst mit dem Vormittagsschreiben anfangen wollte, um endlich mal nicht nur rein zu kommen in den Text über die Begegnung mit Silke in der Vorbergstaße, sondern dann auch drin zu bleiben. Vor einer Woche war das, als ich Silke zufällig getroffen habe auf der Straße. Und so lange schreibe ich nun schon herum auf diesem Erlebnis, das ich beim Abschied von Silke als die beklemmendste Erfahrung seit langem bezeichnet habe, aber ich musste das jetzt einfach haben, fügte ich dann hinzu, um zu rechtfertigen, warum ich nicht einfach weggegangen bin, wenn es so beklemmend war. Am Anfang habe ich über das Erlebnis geschrieben, um mir das Beklemmende zu erklären; ich habe es mir schließlich damit erklärt, dass ich nicht so bösartig, gemein und verächtlich gegenüber Silke sein konnte, wie ich wollte, weil sie schwanger ist. Danach ging es darum, mich der Geringschätzung zu stellen, mit der sie sich über diesen Blog äußerte, und mir einzugestehen, wie sehr ich mich davon getroffen fühlte. Wenn jemand getroffen reagiert, dann hat das, was ihn getroffen hat, auch zugetroffen, hat Karl Kraus einmal bemerkt und daran denke ich jedes Mal, wenn ich jemanden gekränkt habe und verwundert darüber bin, wie getroffen der andere ist. Der nächste Schritt beim Schreiben über die Begegnung mit Silke hätte nun sein können, dass ich die Karl-Kraus-Weisheit auf mich anwende und lieber mir einmal überlege, warum ich so empfindlich reagiert habe und was ich besser machen kann im Blog, statt nur auf Silke zu schauen in der Szene in der Vorbergstraße. Das wäre nicht nur das moralisch gefälligere Verhalten, es wäre auch bequemer gewesen. Dann hätte ich nämlich über das beklemmende Erlebnis mit Silke Stillschweigen bewahren und in mich gehen und mich nach einem weniger komplizierten Sujet für das Vormittagsschreiben umsehen können. Das ist aber nicht möglich, weil es in der Geschichte (der Begegnung in der Vorbergstraße) eine zweite Geschichte gibt, passiert bei unserer ersten Begegnung beim Wintersalon der Kubacki, als ich Silke fotografiert habe. Davor und danach ist etwas passiert, davor bei mir, danach auf den Fotos, das beides so überraschend und ungewöhnlich war, dass ich es unbedingt festhalten will in einer Geschichte. Auslöser ist die Kränkung und neben den beiden Überraschungen geht es um Scham und Schamlosigkeit, Selbstentblößung und Bloßstellung, um Persönliches in diesem Blog, im Leben der Anderen, in ihrer Kunst. Und das alles ohne auch nur eine Andeutung von Humor. Am besten wäre, ich würde warten mit dem Aufschreiben der Geschichte, bis das bisschen Humor, das ich sonst habe, zu mir zurückgekehrt ist. Aber Humor doesn´t come by waiting, it comes by working. Das war jetzt ein Witz. An dem kann man sehen, wie weit weg mein Humor zur Zeit ist. A Tribute to Jackson Pollock eröffnet am Samstag in der Fasanenstraße. Titel der Ausstellung: There is no end.
Gegen 15 Uhr bin ich dann raus und habe die Baustelle in der Vorbergstraße fotografiert, weil sie vorkommt in der Geschichte über die Begegnung mit Silke. Die fand nämlich auf dem Bürgersteig gegenüber der Baustelle statt. Als ich da nun stehe und fotografiere, kommt ein junger Mann von der Baustelle zu mir herüber; schwarz angezogen, Kapuze auf, Bauarbeiterhelm auf der Kapuze, und der Mann sagt: Wenn Sie bessere Fotos machen wollen, dann gehen Sie dort durch den Hauseingang in den Hof. Von dort aus können Sie in die Baugrube schauen. – Ach so. Ich bedanke mich für den Tipp und muss ihm nun natürlich folgen, obwohl ich schon genug Fotos gemacht habe.