Sonntag, 4. Dezember 2011

Penelope



Kubackis Wohnzimmergalerie. 3. Wintersalon: Künstler der Galerie "Verdacht". Wir sehen Arbeiten von Walter Heinrich. Ulrike Doßmann, Gabriele Olesch, Peer Kriesel, Peter Lindenberg, Henriette Simon und Silke Andersen.

Wir sehen hier keine Arbeit von Peter Lindenberg. Wollte eine von ihm zeigen, doch entweder er ist verschollen oder es erschien ihm nicht opportun, sich hier zu zeigen. Jedenfalls hat er nicht wie abgemacht jpgs (Dateien) seiner ausgestellten Bilder geschickt. So bleibt von ihm nur der Eindruck von seiner Website und eines Künstlers, der gut zurecht zu kommen scheint. Ja, er verkauft. Er verkauft selbst und neuerdings mit Hilfe einer Galeristin. Dass aus 50 % der Kaufabsichten nichts wird, kennt er auch. Dann hakt er nach, ein Mal, und manchmal wird es doch noch was. Außerdem vermietet er Bilder. An Praxen, Kanzleien, Büros. Bis zu 500 Euro im Monat für bis zu 10 Bilder verlangt und bekommt er. Das Bildervermieten ist keine Erfindung von ihm, sagt er. Das machen Galerien schon lange.


Wie jemanden anreden in einer Mail, wenn man ihn gerade erst kennengelernt hat? Lieber Wolfgang, - dazu kennt Henriette mich noch nicht gut genug und Hallo als Anrede in Mails oder Briefen ist bescheuert, also schreibt sie einfach:
Hey Wolfgang,
im Anhang das jpg für "Nightlife". Das Bild ist 70x100 cm, Gouache auf Leinwand und 1989 fertig gestellt. Die Szenerie habe ich 1987 auf einer Party bei meinen Freunden, mittig im Bild, skizziert. Im gleichen Jahr wurde es das erste Mal auf der Freien Berliner Kunstausstellung in den Messehallen präsentiert.
Einen schönen Tag noch
Gruß Henriette
Henriette Simon. Sie hat in den USA studiert, dort gelebt, letztes Jahr im Sommer in New York ausgestellt. Heute malt sie ganz andere Bilder (hier). Das 80er Jahre-Bild wollte Birgit Kubacki von ihr in der Ausstellung haben. Die Frau in der Bildmitte ist übrigens ein Mann, sagt Henriette auf das Bild deutend. Da wäre ich nicht drauf gekommen. Die kriegt der Mann gut hin, die Frau. – In drei Jahren will Birgit Kubacki eine Ausstellung mit aktuellen Arbeiten von Henriette machen. – Was? Du weißt jetzt schon, was du in drei Jahren ausstellst! – Ich weiß sogar schon, was ich in vier Jahren ausstelle.

Bereits im nächsten Jahr wird Birgit Kubacki die Bilder des Antikenprojekts von Silke Andersen zeigen. So nenne ich mal die Serie von Arbeiten, in denen Silke griechische Mythologie umdeutet und sich dabei nur für eines interessiert: für die Körper schöner Männer. 


PenelopeFrau von Odysseus. Niemand glaubt mehr an seine Rückkehr. Aber Penelope hält die um sie buhlenden Freier hin mit dem Totentuch, das sie weben muss für ihren Vater und es wird und wird nicht fertig, weil sie in der Nacht auftrennt, was sie am Tag gewebt hat. Doch Silke geht es in ihrem Bild nicht um die eheliche Treue Penelopes, ihr geht es um den nacktem Mann neben ihr, um die Verführung, der Penelope zu widerstehen hat. In der Antike wurde die Schönheit des Männerkörpers dargestellt, später nicht mehr, sagt Silke. Später stellen Männergestalten Stärke, Macht, Würde usw. dar, aber nicht mehr erotischen Reiz. Der Mann als Sexsymbol. In einem anderen Bild ihres Antikenprojekts wird aus dem Urteil des Paris das Urteil über Paris, der vor den drei Göttinnen posiert.



Während wir vor ihrem Penelope-Bild stehen und dann noch lange über Scham reden, die Frauen haben und Männer nicht, wie Silke meint, schaue ich immer wieder auf die Wölbung ihres Bauches unter ihrem engen schwarzen Strickkleid. Ist sie schwanger? Wenn ja, steht ihr das sehr gut. Aber da wir uns gerade erst seit 15 Minuten kennen, traue ich mich weder sie zu fragen, ob sie schwanger ist, noch ihr das Kompliment zu machen. Nachdem wir uns etwa 25 Minuten kennen, habe ich ihren Bauch so oft mit meinen Blicken gestreift, dass ich sie nun auch fragen kann, im wievielten Monat sie schwanger ist. – Im sechsten, antwortet sie und sagt, dass sie sich wundert, dass ihr Bauch noch nicht dicker ist. – Junge oder Mädchen? - Ich verstehe, dass sie Mädchen antwortet. Dann korrigiert sie sich und sagt, Junge. - Wieso hast du erst Mädchen gesagt? frage ich. - Ich habe nicht Mädchen, ich habe Männchen gesagt, antwortet sie und lacht. - Darf ich deine Handtasche fotografieren? - Ja. 



Nun brauche ich noch eine Totale des Raumes und ausgerechnet jetzt haben sich all die Leute, die sich vor wenigen Minuten noch hier gedrängt haben, ins andere Zimmer zu den Getränken begeben. Nur eine Gruppe ist zurück geblieben, die steht da, seit ich vor eineinhalb Stunden gekommen bin. Und zum Glück macht die Frau, die mir sowieso schon die ganze Zeit gefällt, nun etwas, das aus einem langweiligen Bild ein besseres Bild macht.



Ich bedanke mich bei der Gastgeberin für den Abend und danach verabschiede ich mich von Henriette und Silke. Sie stehen im Wohnzimmer vor dem Bücherregal der Gastgeberin, vor einer Ausgabe von Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, an der ich erkenne, dass die Gastgeberin in etwa in meinem Alter ist. Silke ist bis zu Band 6 gekommen, dann wollte sie eine Pause machen und beendet jetzt gerade Thomas Mann, Joseph und seine Brüder. Henriette und ich sind beeindruckt. Achselzucken Silkes; sie liest jeden Tag eine halbe Stunde vor dem Einschlafen. Und ich kann jetzt noch mehr solche Einzelheiten ausbreiten und komme trotzdem nicht darauf, an welcher Stelle genau es war, als ich zu Silke sagte: Hättest du dich von mir fotografieren lassen, wenn ich dich gefragt hätte? – Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, was sie darauf geantwortet hat. Zustimmung war es nicht. Aber da hat Henriette gesagt, mach doch, und da wollte Silke sich nicht zieren. Wir sind in das andere Zimmer gegangen, um die Fotos vor Silkes Penelope-Bild zu machen. Auf dem Weg dorthin ist etwas passiert, das hatte nur mit mir zu tun und hat mich so überrascht, wie schon lange nichts mehr. Davon bald mehr. Jetzt die zwei Fotos von Silke. Um ihren schönen Bauch deutlich erkennbar aufs Bild zu kriegen, hätte ich sie vor der Kamera hin- und herdirigieren müssen. Das wollte ich ihr nicht zumuten.  




Kubackis Wohnzimmergalerie
Wartburgstraße 2
10823 Berlin - Schöneberg
Tel: 030 - 789 53 999
E-Mail: b.kubacki@web.de
Geöffnet nach Vereinbarung.