Dienstag, 27. Dezember 2011

Stadtbad 1



Warum wurde das Stadtbad Schöneberg nicht wie angekündigt am 19. Dezember und damit rechtzeitig zu den Feiertagen eröffnet? – Weil bei den Vorbereitungen zur Inbetriebnahme ein Schaden an der Bodenplatte des Schwimmbeckens aufgetreten ist.  – Heißt? – 14 Tage nachdem das Becken befüllt worden war, die Umwälzung in Betrieb genommen, Wasserproben entnommen, auf Keimbelastung untersucht, und wie nicht anders zu erwarten vom Labor die Wasserqualität für einwandfrei erklärt worden war, da fing es plötzlich an zu tropfen. In dem Keller, der sich unter dem Schwimmbecken befindet. Nicht stark, aber unübersehbar und so beständig, dass wir gesagt haben: Wir machen nicht den gleichen Fehler wie er 1999 bei der Abnahme gemacht worden ist, wir verlangen vom beauftragten Unternehmen im Rahmen der Gewährleistung, dass die Ursache des Tropfens aufgeklärt wird und dass das Tropfen aufhört. Deshalb Verschiebung der feierlichen Wiedereröffnung auf den 20. Januar 2012.

Wir? – Die Berliner Bäder-Betriebe, größter Betreiber von Hallen-, Frei- und Sommerbädern in Europa, und ich spreche mit Matthias Oloew, dem Pressesprecher der Berliner Bäder-Betriebe. Gegründet 1996, als durch Senatsbeschluss die bisherigen Betreiber der Berliner Bäder, die Bezirke, gezwungen worden waren, ihre Bäder freizugeben zur unternehmerischen Konzentration der über 60 Badeanstalten in den Berliner Bäder-Betrieben. Gezwungen heißt, die Bezirke hätten die Bäder lieber weitergeführt auf eigene Kappe. Und jetzt müssen wir uns einmal vorstellen: Da wird das denkmalgeschützte Hallenbad in der Hauptstraße für 50 Millionen Mark restauriert und modernisiert, ein Riesenprojekt, vom Bezirk Schöneberg in Auftrag gegeben. Leute sind zuständig, die den Bau engagiert begleiten. Engagiert für Schöneberg und seine Bezirksverwaltung, damals noch ohne den Tempelhof-Anhang. Und dann heißt es mitten in den Bauarbeiten, das Bad gehört euch ab jetzt nicht mehr. Aber der Bau bleibt eure Sache. Den habt ihr in Auftrag gegeben, den habt ihr weiter auszuführen und das Gebäude den Bäder-Betrieben schlüsselfertig zu übergeben. Das ist 1999 geschehen und das können wir uns doch denken, dass die Zuständigen vom Bezirksamt vor allem daran interessiert waren, das Projekt schnell loszuwerden und - vielleicht - bei der Abnahme nicht so pingelig waren, wie sie es gewesen wären, wenn das Bad weiter dem Bezirk gehört hätte. Schwimmbäder tropfen nun einmal, werden sie sich gedacht haben. Und im modernisierten Stadtbad Schöneberg hat es von Anfang getropft von der Decke und an den Wänden ist das Wasser heruntergeflossen. Von der Abnahme durch den Bezirk an. Von der Übergabe an die Berliner Bäder-Betriebe an. Zehn Jahre lang hat es getropft. Unter dem Becken, unter der Sauna, von der Decke unter der Galerie vor der Schwimmhalle. Wenn sie oben den Boden feucht aufgewischt haben, ist aus einer Deckenlampe eine Etage tiefer das Wischwasser getropft. Und zehn Jahre später war der gesamte Bau so durchfeuchtet, dass nicht mehr viel fehlte und die Stahlkonstruktion des Gebäudes wäre durchgerostet, und das hätte Abbruch bedeutet.


Man darf aber auch nicht vergessen, dass das Bad zehn Jahre lang mit Höchstlast gefahren wurde, sagt der Pressesprecher. Und es ist eigentlich nicht zu verstehen, warum er das sagt. Denn die hohe Beanspruchung durch die große Zahl der Badegäste ist eine Beanspruchung der Umwälzanlage, aber doch keine Beanspruchung des Gebäudes und seines Zustandes, von dem wir reden, wenn wir vom Tropfen reden. Außerdem hat er es doch gar nicht nötig, irgendetwas zu beschönigen, was vor 1999, also vor der Übergabe des Gebäudes an die Berliner Bäderbetriebe geschehen ist. Das betont Herr Oloew auch immer wieder. Der ganze Pfusch beim Umbau und der Erweiterung des Stadtbad Schöneberg in den 90er Jahren geht ihn und die Berliner Bäderbetriebe nur insofern an, als sie sich mit den Folgen herumzuschlagen haben, für die Ursachen sind sie nicht verantwortlich. Und so scheint es sich auch beim aktuellen Schaden, der tropfenden Bodenplatte zu verhalten. Scheint.

Scheint deshalb, weil es noch nicht erwiesen ist, dass die angenommene und inzwischen – vielleicht – behobene Schadensursache auch tatsächlich die Ursache des Tropfens ist. Das wird sich erst zeigen, wenn das Becken demnächst wieder befüllt wird und wieder 14 Tage vergangen sein werden. Erst, wenn es dann nicht mehr tropft, wird das die Annahme bestätigen, dass die in die Bodenplatte einbetonierten Kunststoff(PE)-Rohre undicht waren. Was für eine Funktion diese Rohre haben – Zulauf? Ablauf? – konnte mir der Pressesprecher nicht sagen, nur soviel: diese Rohre sind unkaputtbar, erstens wegen der Robustheit des Materials, zweitens, weil nichts so materialschonend ist wie Einbetoniertsein. Deshalb kam  bei der Sanierung des Bades seit 2009 auch nie jemand auf die Idee, den Zustand dieser Rohre zu prüfen. Erst vor kurzem, als nach 14 Tagen Beckenbetrieb die  Bodenplatte so durchfeuchtet war, dass es tropfte, kam man darauf, dass das nur an den einbetonierten PE-Rohren liegen kann: dass sie vermutlich Haarrisse aufweisen, durch die Wasser austritt, das sich in der 30 cm dicken Betonschicht ausbreitet.  – Aber wenn die Rohre unkaputtbar sind, woher kommen dann die Haarrisse? – Das ist nur so zu erklären, dass die Rohre schon vor dem Einbetonieren schadhaft waren. Und das ist damals unbemerkt geblieben oder jemand hat es bemerkt und gesagt: Scheiß drauf! – Dazu will sich der Pressesprecher nicht äußern. Denn was vor 1999 war, das geht ihn und die Bäder-Betriebe nichts an und es bringt auch nichts, die Ursachenforschung weiter zu treiben, als es nötig ist, um den Schaden zu beheben. –  Und wie soll das gehen? Die Rohre rausreißen aus der Bodenplatte und erneuern? – Nein, das wäre zu aufwendig, die Mittel dafür würden wir nicht bewilligt kriegen, sagt Herr Oloew. – Also was tun? – Minimal-invasives Vorgehen, wie es in der Humanmedizin heißt. Mit Sonden in die Rohre eindringen, um sie mit einem Inlay auszukleiden und so von innen abzudichten. Das ist bereits geschehen. Zur Zeit trocknen die Inlays und dann wird es spannend. Denn erst, wenn es 14 Tage nach der erneuten Befüllung des Beckens nicht tropfen wird, erst dann ist erwiesen, dass Haarrisse in den einbetonierten Rohren die Ursache waren, und nur dann kann am 20. Januar 2012 feierlich eröffnet werden. 




Fotos: © w.g.