Montag, 26. Dezember 2011

Verpasst

Das Beste verpasst heute, weil nicht dran geblieben. Die Mutter des Jungen bei Videoworld erzählt ihm von einem Film, den hat sie gesehen in den 70er Jahren und sie redet dabei wie auf einer Party mit einem Weinglas in der einen und einer Kippe in der anderen Hand. Als ich an den beiden vorbei gehe, könnte es auch sein, dass sie die Großmutter des Jungen ist. 

Die andere Mutter eines Jungen joggt von der Belziger um die Ecke in die Akazienstraße, der Junge fährt auf einem Roller neben ihr her und kriegt von seiner Mutter erklärt, wie die Katholiken das machen mit den Sünden (Reue, Buße, Vergebung), und dabei redet sie abfällig und wie ein Kerl. 

Der Kerl sitzt beim Inder und hat gerade gezahlt. Lange nicht gesehen, ich weiß gar nicht mehr, wie er heißt. Grau war er damals schon. Dick ist er immer noch. Seit fünf Jahren in Holland. Leicht verdientes Geld dort, sagt er. Und dass die Leute vom Kindergarten an lernen, anders umzugehen miteinander als die Leute hier. Ziel ist es, dass man lachend auseinander geht nach einem Streit. Das kriegen sie auch meistens hin. Während hier, vergiss es, sagt er.   

Fortsetzung von gestern: 


Hediye heißt Geschenk. Und hediyesi? Geschenke? – Umweg machen, im Kaiser Kiosk vorbeigehen, einen der Jungs dort fragen. Nicht nötig. Ein Fahrradfahrer kommt mir entgegen, den ich nicht kenne, aber dann guckt er her, und als ich zweimal zurück geguckt habe, sehe ich, das ist Özgür. Auf dem Weg zu seinen Eltern. Feiert ihr Weihnachten? – Nein. – Und deine Tochter? – Ist bei ihrer Mutter und die feiert auch nicht. – Komm doch mal wieder in die Rote Beete, sagt er unvermittelt an der Stelle, an der ich ihn hätte fragen können: Özgür, was heißt eigentlich hediyesi? In der Kneipe Rote Beete haben wir uns zum letzten Mal gesehen. Ende Juli war das, als ich über ihn und seine Bildhauerei geschrieben habe. Wir haben zusammen Fotos von seinen Arbeiten ausgewählt und ich habe ihm Fragen dazu gestellt. Er hat Bier getrunken, ich habe mich an zwei Mineralwasser festgehalten den ganzen Abend. Beim Abschied habe ich gesagt, das nächste Mal, wenn wir uns hier treffen, trinke ich auch Bier. Obwohl ich da schon gesehen hatte, wie viel das Bier dort kostet, und mir klar war, dass ich mir das gar nicht leisten kann bei meinem Budget. Jetzt sage ich zu Özgür, was eben auch noch ist: Das Trinken in Gesellschaft ist nicht mehr mein Ding. Ich erzähle ihm, dass ich am Vortag eingeladen war von einer mir sehr lieben Person zu einem Treffen mit sehr angenehmen Leuten. Und einer der Gründe, weswegen ich nicht hingegangen bin, war, dass es geheißen hatte: Und dann trinken wir Prosecco. – Natürlich trinke ich noch Alkohol, versichere ich, um nicht dazustehen wie ein trockener Alkoholiker. Nur das Trinken in Gesellschaft, das will ich mir nicht mehr mit ansehen, sage ich und wechsle dann das Thema. Er hat sich nicht mehr gemeldet, nachdem ich ihm die Links zu meinen Texten über ihn geschickt hatte (hier und hier). Haben sie ihm nicht gefallen? Oder hat er sie sich gar nicht angesehen? frage ich ihn. – Doch, aber nur kurz, antwortet er und murmelt dann etwas über das Internet, in dem er nicht mehr ist. Wenn sie sagen, sie hätten sich einen Text nur kurz angeguckt, dann hat ihnen der Text nicht zugesagt; sie wollen keine Zustimmung heucheln, aber auch nicht rausrücken damit, was ihnen nicht gepasst hat. Das macht den Umgang mit ihnen so uninteressant und leer. Aber Özgür ist ein Freund. Deshalb schenke ich ihm das nicht und sage, dass ich über ihn geschrieben habe, weil ich ihn mit seinen Arbeiten in meinem Blog haben wollte. Nachdem ich mich erst mal darauf eingelassen hatte, habe ich es aber auch für ihn gemacht und mir Mühe gegeben, ihn gut aussehen zu lassen. Deshalb ist es respektlos, wenn du jetzt sagst, dass du dir das nur flüchtig angeschaut hast. Das gibt er zu und ich lenke ein, indem ich ihm vorschlage: Er schaut sich meine Texte über ihn mal richtig an. Und ich werde mich dafür mit ihm in der Roten Beete treffen, um mit ihm Bier zu trinken. Und dann können wir ja über die Text reden, habe ich gesagt, um etwas Freundliches zu sagen zum Abschied. Obwohl ich weiß, dass er sich die Texte nicht noch einmal anschauen muss, weil er bestimmt auch beim zweiten Mal nichts mit ihnen anfangen kann. Aber das macht nichts, denn ich werde mit Sicherheit auch nicht in die Rote Beete kommen und Bier trinken. Obwohl ich das gerade mit ihm immer sehr gerne getan habe und die Rote Beete dafür ein sehr gut geeigneter Ort ist.   

Hediyesi heißt Patengeschenk. Das habe ich im Online-Wörterbuch Türkisch-Deutsch nachgeschaut. Jetzt müsste ich noch wissen, was genau ein Patengeschenk ist und warum auf dem Schild neben dem Schneemann und dem Mädchen steht: Patengeschenk 2012.