Freitag, 16. Dezember 2011

Vier

Der Torso ist von Rena Lux und sieht von vorne so aus:

Rena Lux  Fragment  Ton/Eisen  Höhe 38 cm  2011

Wie kam sie dazu, die Skulptur als Bruchstück zu gestalten? Bekenntnis zum Fragmentarischen? Sind wir nicht alle nur Fragmente?  – Der Torso war einmal eine Tonfigur mit allem Drum und Dran. Nachdem Rena sie abgeformt hatte - war es mit Silikon oder mit Gips? - hat sie die Figur in die Tonne geworfen, in den Tonabfall. Dort lag sie mehr als vier Jahre lang, ging irgendwann zu Bruch, lag schließlich ganz zuunterst, bis Rena vor kurzem ihre Tontonne geleert hat und die Figur fand in einem Zustand der Zerstörung, wie sie ihn selbst besser nicht hätte hinkriegen können.   Ich muss einfach darauf hinweisen: Von hinten sieht die Figur sehr sexy aus.    Rena: Ach ja? –  Fragment war ein besseres Stichwort. Zu Sexiness fällt der Künstlerin nichts ein. Damit hat sie nichts zu tun. Und was ist das?

Rena Lux    O.T.    Holz/Eisen/Pigment    Höhe 35 cm    2011

Das Baumstück hat Judith ihr geschenkt. Was Rena daraus gemacht hat mit leichter Geste ist so, dass ich das Objekt unbedingt berühren muss: erst sanft mit der flachen Hand über die Grünfläche streichen und dann mit den Fingerspitzen an seiner Seite herunter fahren. Als ich mich verstohlen umschaue, bemerke ich das ernste Gesicht einer älteren Dame, die einmal eine sehr schöne junge Frau gewesen sein muss. Ich weiß, dass das verboten ist, sage ich. Ich konnte nicht anders. Sie lacht. Ich habe es auch angefasst, sagt sie. Ich konnte auch nicht anders. 


Eine Bildhauerin und drei MalerInnen haben sich in der Produzentengalerie KunstRaum Ko zusammengetan. Von links nach rechts: Rena Lux, Rolf Sellmann, Sabine Baer, Shaktil. Titel der Ausstellung: 4 vor 12. Die Vier, die zum ersten Mal seit langem wieder gemeinsam ausstellen, und vielleicht sind deshalb so viele Besucher gekommen. 4 vor 2012. Der Jahreswechsel. Die Hauptanspielung ist jedoch, dass der Hauseigentümer den Vieren  die Räume nur so lange zu günstigen Bedingungen überlässt, bis er einen neuen, zahlungskräftigen Mieter gefunden hat, und deshalb wird der Mietvertrag immer nur um vier Wochen verlängert. Im Moment sei es eher 6 vor 12, sagt Rolf Sellmann in seiner Rede und kann damit nur meinen: Es sieht ganz gut aus, weil kein zahlungskräftiger Mieter in Sicht ist. Dann erzählt er von einem Musiker, den er kennengelernt hat neulich und ich denke sofort, oh Scheiße, Musikeinlage! Nein, das ist kein banausisches Vorurteil. Musik auf Vernissagen ist einfach keine gute Idee, weil sie einen daran hindert zu tun, was man auf Vernissagen tun will: Kunst angucken, quasseln, lachen, herumgehen, schöne Frauen / Männer ansprechen.  15 Minuten dauerte es, bis die Musik vorbei war (drei freie Improvisationen des Wednesday Night Ensemble). Die Vernissage-Besucher waren alle sehr diszipliniert und mucksmäuschenstill. Sie hätten sich auch über die Zumutung hinwegsetzen und sich weiter amüsieren können wie bisher. Doch das wäre nicht fair gewesen gegenüber den Musikern. So ist ein Publikum, das sich alles gefallen lässt, immer auch ein sensibles Publikum. Das ist nicht mein Ernst.


Ich habe mir die Zeit vertrieben, indem ich die Stiefel von Brigitte Stamm fotografiert und mit Judith Brunner  geflüstert habe. Sie hat mir von Rena Lux erzählt und meinte, dass ich über sie unbedingt einmal schreiben sollte. Das hatte ich ohnehin vor. Aber danke, Judith, jetzt weiß ich, dass ich mit Rena nicht nur über ihre Skulpturen sprechen sollte. Sabine Baer habe ich schon porträtiert (hier und hier). In 4 vor 12 ist sie unter anderem mit diesem Bild vertreten. 

Sabine Baer    Jelly Baby   Acryl/Lwd.   120 x 150 cm   2011

Eine Arbeit von Rolf Sellmann sieht so aus. 

Rolf Sellmann   Light Experience    Öl/Lwd.  150 x 300 cm    2011

Und von Shaktil habe ich nur einen Satz. Judith sagt mir, Shaktil sei ein Künstlername und sie sei Therapeutin gewesen. Rolf Sellmann höre ich sagen: Shaktil malt diese Farbexplosionen. Daraus mache ich den Satz: Sie war mal Therapeutin und jetzt malt sie Farbexplosionen. Porträts malt sie auch noch. Wie hier zu sehen im Hintergrund.



4 vor 12 Malerei von Sabine Baer, Shaktil und Rolf Sellmann sowie Skulpturen von Rena Lux
bis Sonntag, 22.01.2012
Meraner Str. 10
10825 Berlin
Kunst: © Baer, Lux, Shaktil, Sellmann
Fotos: © w.g.