Samstag, 7. Januar 2012

Henny

Bei der Sammlerin in Charlottenburg. Sie sagt, dass sie sich ebenso sehr für Architektur interessiert wie für Bildende Kunst. Ich sage: Das Gute an Architektur ist, dass man zu ihr nicht tanzen kann und sammeln kann man sie auch nicht. Nach zweieinhalb Stunden weiß ich immer noch nicht, ob sie keinen Humor hat oder nur über meine Witze nicht lachen kann.

Je mehr sie von ihrem Leben erzählt, desto weniger interessiert mich ihre Kunstsammlung. Ihr Vater war Kunstmaler und als Kind hat sie eine Aversion gegen Kunst entwickelt. Die hat sich später verloren. Sie ist in Museen gegangen und in Galerien, hat Künstler besucht in ihren Ateliers und hat angefangen Kunst zu kaufen. Ihre ganze Wohnung hängt voll mit Bildern, darunter auch von dem Laienpublikum bekannten Künstlern wie Penck und Vostell. Das große Bild von Vostell, das sie besaß, das hat sie verkauft und gerade einmal so viel dafür bekommen, wie es sie einst gekostet hat. Sie ist froh, dass das Bild weg ist, es hat ihr nie gefallen, sie hatte eben gemeint es in ihrer Sammlung haben zu müssen. An der Stelle, wo der Vostell hing, da hängt jetzt ihr derzeitiges Lieblingsbild: Beata Harazin, Schildkröte (1988). Eine sehr expressive, tolle Arbeit, sagt sie.



Das teuerste Bild, was sie erworben hat. 9000 DM hat das Aquarell (auf Bütten) gekostet. Es ist von Rainer Fetting, aus der Serie Puerto Rico (1984): 



Sie weiß eine Geschichte zu den Fröschen. Eine Lach- und Saufgeschichte, die der Künstler ihr erzählt hat. Künstler Klaus Zylla. Öl auf Leinwand, 2002:



Vielleicht übertreibe ich es mit der Lustlosigkeit. Aber es ist nun einmal so: Wir hätten ein viel interessanteres Gespräch haben können, hätten wir nicht über ihre Kunstsammlung reden müssen, weil ich sie wegen der besucht habe.

Mit 19 hat sie ein Jahr lang in einem Kibbuz gelebt und wäre beinahe jüdisch geworden, um einen Franzosen zu heiraten, der ein sehr schöner Mann war, aber auch so eifersüchtig, dass sie vor ihm geflohen ist.  -  Nach der Geburt ihrer zwei Kinder hat sie als Platzanweiserin im Schlossparktheater gearbeitet. Zur Aufführung von Der Ignorant und der Wahnsinnige ist Thomas Bernhard angereist. Er hat ihr eine Widmung in das Bibliothek Suhrkamp-Bändchen mit dem Text seines Stücks geschrieben und ihr erzählt, dass er auch in Holland geboren ist, als uneheliches Kind einer österreichischen Mutter. – In New York hat sie eine Freundin, die ist ein ehemaliger Musical-Star. Die Freundin hat ihren Mann kennengelernt, als sie in der West Side Story die Maria spielte und er den Tony. Der Haken bei dem Glücksfall war, dass sie sich als 18jährige ausgegeben hatte, um die Rolle zu bekommen, in Wirklichkeit aber schon 28 war, während er tatsächlich 18 war. Jetzt ist er 60, sie 70 und die beiden sind immer noch zusammen. Ihre Feste feiern sie gerne in europäischen Städten, wohin sie dann ihre Freunde aus aller Welt einladen. Das letzte Fest war in Parma, das nächste wird in Salzburg sein. 

Ich sage: Thomas Bernhard hat außer Österreich als Ganzes nichts so sehr gehasst wie Salzburg. Aber das wusste sie schon.