Nach dem Termin in der Invalidenstraße, bei dem mir nichts
geschenkt wird, will ich mir was Gutes tun. 12.15 Uhr, als ich den
Hauptbahnhof betrete. Was essen gehen nachher. Im Café
Berio ein Stück Apfelkuchen mit Sahne? Seit Tagen geht das schon so: Sahne, Sahne,
Sahne. Doch nirgendwo gibt es welche. Im Berio bestimmt und teuer.
Lieber was Richtiges essen. Bahnhof Zoo. Appetit auf Wiener Wurst mit viel Senf. Die kann ich mir auch gleich bei Edeka kaufen und zu
Hause heiß machen, Dijon Senf ist da, oder soll ich doch irgendwo im
Bahnhof, sofort? Nein, das werde ich bereuen, wenn nach dem dritten
Biss die Gier weg ist. Am besten keine
Wurst. Und ein Hamburger? Der Hamburger im Café Lenzig. Mit allem
Möglichen und Pommes. Ich muss mich mästen (Sie sind schmal
geworden). Wirklich ins Lenzig? Da war ich seit zehn Jahren nicht
mehr. Außerdem ist der Hamburger (im Lenzig heißt er Schöneburger)
mit Eisbergsalat und mit Cheddar-Käse, was im Fall des Salats blöd und im Fall des Käses vielleicht zu viel Mast ist. Unentschlossen. Blick auf
die Tageskarte draußen: Berliner Bulette mit Kartoffelpüree und
Rosenkohl in irgendwas mit Butter zum Preis von 7 Euro 90. Das ist
es an diesem kalten Tag. Die Vorfreude ist groß, vor allem auf den Rosenkohl. Die Erinnerung an ein zu Hause, wo richtig gekocht wird. Jetzt erst mal der Service des Café Lenzig. Nach knapp einer halben Stunde steht das Essen vor mir. Der Rosenkohl ist die erste Enttäuschung. Nicht
bissfest, hart. Ungewürzt, das Buttergeschwenkte müsste doch den
Geschmack verstärken, aber da ist keiner, vom ersten bis zum letzten
Röschen kein Geschmack. Kann das Püree alles wieder gutmachen? Es
schmeckt nach Kartoffeln, es ist trocken und auch hier fehlen die
Gewürze. An Nachwürzen glaube ich nicht und mit Pfeffer und Salz
alleine wäre es sowieso nicht getan. Die Berliner Buletten, es sind
zwei und sie sind sehr heiß - heiß, nicht nur aufgewärmt wie die
Beilagen. Die erste Bulette stopfe ich so heiß sie ist
in mich hinein. Hunger! Bei der zweiten erst erlebe ich dann die
komplette Enttäuschung, die diese Mahlzeit ist: auch die Buletten sind ohne Geschmack und sie fallen auseinander beim Zerteilen mit der Gabel, bröckelig, trocken. Schlechter geht es nicht. Ich lege einen Zehneuroschein mit einem
Fünfzigcentstück für die Bedienung bereit. Sie hat schon in den
90er Jahren hier gearbeitet. Ich habe sie immer die Frau mit dem
Gesicht genannt, weil sie so ein ausgeprägtes Gesicht hat. Sie war damals nicht aufmerksam und sie ist es immer
noch nicht. Erst als ich mit dem Geld winke, kriegt sie mit, dass ich
fertig bin mit Essen und zahlen will. Am Tisch gegenüber sitzt eine
junge Frau, die nach mir gekommen ist und auch Berliner Bulette
bestellt hat. Ich weiß genau, was sie sich dabei vorgestellt hat. Sie blättert in einer Illustrierten. Sie hat sich auch nichts zu trinken bestellt. Nur das Essen, das sie enttäuschen wird. Sie tut mir leid. Auf die Frage der
Bedienung, ob mir das Essen geschmeckt hat, habe ich die Antwort
vorbereitet: Nicht so richtig. Aber sie fragt gar nicht und das ist mir lieber so. Nicht so richtig wäre verlogen
gewesen. Es war eines der schlechtesten Essen, das ich je in
einem Restaurant gegessen habe, und ich fasse es immer noch nicht, wie
schlecht es war und dass mir das alles passiert.