Montag, 10. Dezember 2012

Hände



Lesen und weil es nicht so wichtig ist, mache ich mir nebenbei Gedanken über die Zukunft der Zeitungen. Das, was jeder denkt, nur nicht die Betroffenen: Sie müssen eben neue verführerische Angebote schaffen, nachdem ihr Hauptanreiz, die Aktualität, verloren gegangen ist. Jeder muss sich anstrengen, jetzt auch die Zeitungsleute. Es ist so klar und das Gerangele mit Google als Ablenkung von der eigenen Krise so durchschaubar. Warum wird in der Öffentlichkeit immer mit verstellter Stimme und weit unter Intelligenzniveau gesprochen? Und steht da wirklich: faltet seine Fäuste? - Steinbrück faltet nun die Hände zu Fäusten und deutet einen Schlag an. Ist mir da ein Sprachwandel entgangen, weil ich inzwischen so selten in die FAZ reinschaue? - Wird ballen als zu metaphorisch empfunden, falten hingegen als der konkrete, deskriptive Ausdruck. Kann doch nicht sein, dass die so einen Hammer durchgehen lassen bei der FAZ - wenn es ein Hammer ist und nicht eine Subtilität des Autors, wie mir eine Stunde später einfällt: dass der Autor des Artikels hiermit die Anpassung des Herrn Steinbrück an die Bedürfnisse des Saalpublikums ironisiert haben könnte. Die Fäuste sind da, aber der feine Herr Steinbrück ballt sie nicht wie ein Gewerkschaftsführer, dem auf jedem Finger ein Büschel Haare wächst, sondern Herr Steinbrück faltet seine Hände, manikürt und enthaart, ist anzunehmen, und der Rest der Geschichte ist bekannt: Peer Steinbrück deutet einen Schlag an und wird von über 93 Prozent der Parteitagsdelegierten zum Kanzlerkandidaten der SPD gewählt. Worauf der Autor sicher auch noch gekommen ist in seinem Seite-Drei-Artikel. Aber ob ihm dabei noch so eine feinsinnige Beobachtung gelungen ist wie die mit den gefalteten Fäusten, ich will es nicht wissen. Ich blättere ans Ende der  Zeitung, und als ich merke, dass der Artikel über das Spiel des FC Bayern in Augsburg reines Feuilleton ist, lese ich den auch nicht zu Ende.


Der Mann neben mir hatte sich zwei Zeitungen vom Ständer an seinen Platz mitgenommen. Keine der beiden Zeitungen hat er aufgeschlagen. Er ist nicht dazu gekommen. Erst mal musste er jemanden anrufen, kurz und auf Spanisch. Da er sein Smartphone schon mal in der Hand hatte, musste er auch dran rummachen. Bis sein Essen kam. Während er aß, hat er mal auf die Titelseite der Financial Times (dem Original) geguckt. Aber nichts dort war so, dass er es weiterverfolgen wollte. Jedenfalls hat er, nachdem er eine Quiche Lorraine und einen kleinen Salat verzehrt hatte, statt die Zeitung aufzuschlagen, sofort wieder sein Smartphone in die Hand genommen und daran rumgemacht, bis er bezahlt hat und gegangen ist.