Mittwoch, 30. Juni 2010

Interviews

6 Uhr 45. Hallenbad am Heidelberger Platz. Ich sitze am Beckenrand und entwirre die Gummibänder meiner Schwimmbrille. Kühler Lufthauch in meinem Rücken. Es zieht. So sehr, dass ich Mühe habe, den Spruch mit der Hechtsuppe wegzulassen, als ich zur Schwimmmeisterin sage, dass irgendwo etwas Größeres offen zu stehen scheint, was besser geschlossen werden sollte. Ich drücke mich nicht so geschwollen aus. Doch da es früher Morgen ist und ich morgens immer ganz besonders redselig bin, füge ich in meiner munteren Art hinzu: dass es ja reicht, dass die Wassertemperatur gesenkt wurde, da muss es nicht auch noch ziehen. – Die Schwimmmeisterin antwortet, dass die Wassertemperatur keineswegs gesenkt wurde; dass sie so ist wie sie immer war: 27 Grad. – Die Wassertemperatur ist vor 14 Tagen um ein Grad gesenkt worden, um Energie zu sparen. entgegne ich und mein Ton wird dabei schärfer, als ich es will. Die Schwimmmeisterin schüttelt den Kopf und setzt eben zu ihrer Gegenrede an, als passiert, was in solchen Momenten nur sehr selten passiert: Eine dritte Person interveniert und klärt auf. Es ist der sehr entspannte Kollege der Schwimmmeisterin. Er sagt, dass die Wassertemperatur über Sommer um ein Grad von 28 auf 27 Grad gesenkt wurde und in den Wintermonaten wieder "hochgefahren" wird.  - Die Schwimmmeisterin steht dumm da und tut mir kein bisschen leid deswegen. Ich sage zum entspannten Kollegen, dass ich überhaupt kein Problem habe mit den 27 Grad, und dass ich zwei Hallenbäder kenne, in denen die Temperatur niedriger, im einen sogar deutlich niedriger ist. Womit ich allerdings Probleme hätte, was mich sozusagen auf die Palme bringt, füge ich hinzu, das sind Leute, die allgemein bekannte Tatsachen bestreiten. Und das bringe mich u.a. deshalb auf die Palme, weil ich einfach nicht verstehe, warum sie das tun.   – War ich schlecht gelaunt heute morgen? – Überhaupt nicht. Es war nur mal wieder - wenn auch in einer harmlosen Variante - die Situation, mit der  ich in den letzten Jahren immer wieder konfrontiert bin: dass Leute gesicherte oder evidente Sachverhalte vehement bestreiten und dabei  ihr Gegenüber (mich) zum Idioten erklären, der aus der Luft gegriffene Behauptungen aufstellt. – Grassiert da ein neuer Verhaltenstypus? Ist das gesamtgesellschaftlich? Oder erlebe nur  ich das? Ziehe ich das an mit meiner vielleicht als hochmütig oder als unterschwellig aggressiv empfundenen Art des Auftretens? Strahle ich etwas aus, was eine Person wie die Schwimmmeisterin in den Widerstand gegen mich treibt  - treiben muss?  Oder hat sie es einfach nicht gewusst, dass die Temperatur gesenkt wurde, weil sie die letzten vier Wochen in einem Strandkorb auf Norderney gesessen hat?  Aber wie kann sie dann behaupten, dass es immer schon 27 Grad waren, da es doch vorher jahrzehntelang 28 Grad waren? – Etwa nach der 25. geschwommenen Bahn habe ich eine Idee: Ganz freundlich - deutlich erkennbar aus menschlichem Interesse, nicht um weiterzustreiten - werde ich sie fragen, warum sie sich so darauf versteift hat, dass es schon immer 27 Grad waren. Während ich weiter schwimme, beobachte ich sie und sehe sie dabei immer mit dem entspannten Kollegen oder einer mittlerweile dazu gekommenen Kollegin. Ich überlege, wie ich sie am geschicktesten ansprechen und zur Seite nehmen kann. Doch als ich später aus dem Becken klettere, hat sie die Halle verlassen. – Das ist eine richtig langweilige Geschichte und wie alle meine Geschichten auch noch ohne Pointe. Aber allen Lesern, die bis hierher durchgehalten haben, verspreche ich, Ihr habt Euch nicht umsonst gelangweilt. Denn während ich auf dem Nachhauseweg durch den Volkspark radle, habe ich eine Eingebung (Mittwoch: Buddha-Tag): Ich muss mich mehr um die anderen Menschen kümmern.  Ich muss raus aus dem Selbstgespräch. Auf die Leute zugehen. Mit den Leuten reden, Alles, was ist, muss angesprochen und ausgesprochen werden. Meine Fragen müssen gestellt und von den Betroffenen beantwortet werden. Nicht von mir. Interviews, sowieso das Zweitschönste, was ich kenne - wo ich gehe und stehe, werde ich ab jetzt Interviews machen.

Dienstag, 29. Juni 2010

Los

Baue am Dreipersonenstück rum. Wenn es klappt, ist mein Erlebnishintergrund nur eine Art Sprungbrett in einen für sich stehenden Komödienplot, der sich reale Personen zum Vorbild nimmt, doch keine realen Ereignisse nacherzählt, sondern selbst ein Ereignis ist. Heute klappt es nicht so gut. Um viertel nach 12 läutet das Telefon. So was ist immer ein Großereignis, wenn bei mir das Telefon läutet, obwohl es dann meist so ausgeht: Ein Mann meldet sich mit irgendeiner Firmierung und da ich mich nur mit “Ja?” gemeldet habe, fragt er in bestimmtem Ton nach meinem Namen.  Es zeigt, wie umgänglich ich heute bin, dass ich ihm darauf  meinen Namen nenne, statt hier schon damit anzufangen, Schwierigkeiten zu machen. Nun er: Sitzen Sie gut? – Ich denke, ach ja, er will mir was verkaufen. Sitzmöbel wahrscheinlich. – Ich frage, warum er das wissen will. – Er: Weil Sie in die Endrunde gekommen sind. – Oh je.  - Wie in dem Brief stand ... . – Ich habe keinen Brief bekommen.  - Ihr Los wurde gezogen … . – Ich habe kein Los gekauft.  - Wenn Sie in der Endrunde sind, werden sie auf jeden Fall gewinnen. – Da ich an keiner Vorrunde teilgenommen habe, kann ich auch nicht in einer Endrunde sein. – Er rede hier nicht von Kugelschreibern oder anderen Kleingewinnen, sagt er wie vom Blatt abgelesen, er rede von Autos, Häusern, Sofortrente. – Hören Sie, sage ich,  das ist ein wirklich toller Auftritt von Ihnen. Aber Sie vertun ihre Zeit mit mir. – Er legt nach: Zusätzlich kann ich mit meinem Los täglich eine Million Euro gewinnen. – Ich wiederhole, dass er mit mir seine Zeit vertut  - Ob ich nicht gewinnen will, fragt er. – Ich antworte: Verstehen Sie doch bitte, ich habe kein Los. Ich habe an keiner Vorrunde teilgenommen. Sie verwechseln mich. Aber ihr Auftritt ist wirklich gut. – Er sagt den Satz, den ich mir merken werde: Dann muss ich mich wohl in der Nummer verwählt haben. – Er ist nicht unangenehm geworden. Ich musste keine hässliche Figur abgeben, um ihn loszuwerden.  Trotzdem bin ich nach diesem Telefongespräch so deprimiert, dass ich mich mehr als eine Stunde lang nicht mehr davon erhole. Ich kann es mir nicht erklären, was es ist.  Und was mir in der einen Stunde durch den Kopf geht, gibt keinen Hinweis darauf.  Irgendwas mit Verkäufer-Welt, in der wir leben., und dass ich auch ein Verkäufer bin: Nachdem ich die Liebesgeschichte mit der Contessa nicht hinkriege, will ich jetzt mit ihr als Komödienfgur reüssieren. Aber das ist es nicht. Das sind bekannte Einwände, Die können mich nicht so runterziehen, wie es mich runterzieht nach diesem Anruf. – Jetzt denke ich: Wenn dieser Blog ein Plot wäre und die ersten 40 Posts ein Setup, wie tief will ich den “Helden” (mich) denn noch sinken lassen? Und wäre es dann nicht langsam mal an der Zeit, den 2. Akt anzusteuern, in dem wir den Helden (mich) sehen, wie er sein Leben in die Hand nimmt und gegen alle inneren und äußeren Widerstände den Tiefpunkt überwindet? Oder muss es zuvor noch viel weiter mit ihm runtergehen?  Und was ist das überraschende Ereignis, das für die Wende vom 1. in den 2. Akt sorgt?  Ich habe keine Idee, was das sein könnte. Also noch tiefer? Fortsetzung folgt.

Montag, 28. Juni 2010

Stau

Manchmal ein Kribbeln in den Händen. Blutandrang. Dunkelrote Färbung der Handrücken und Finger; manchmal sind sie auch bläulich angelaufen wie bei Kälte. Aber jetzt ist doch endlich Sommer. Temperatur in der Dachwohnung kurz vor afrikanisch, äquatorialafrikanisch. Erinnerung an einen Kunstlehrer. Der hatte solche Hände. Erinnerung, wie er mit meinem Kohlestift in seiner angeschwollenen blauen Hand auf meinem Zeichenblock herumkorrigiert. Rotweinfahne. Er ging mehrfach während der Stunde raus, um einen Schluck zu nehmen. Saufen kann es bei mir nicht sein. Google: “Blutstau in den Händen”. Forum zum Thema. Da sind sie erst mal alle erleichtert, dass andere  auch solche Symptome haben, Leute mit gerade mal 35 und sogar Nicole Kidman hat es. Habt ihr auch alle niederen Blutdruck? – Nein, daran kann es nicht liegen.  - Sklerodermie könnte es sein. Erythomelalgie (“auch zu viel Durchblutung kann weh tun”). Raynaud-Syndrom. Das ist doch das Gegenteil, lese ich auf Wikipedia: Weißfingerkrankheit. Leichenfinger.  Wie kommen die jetzt da drauf? – Zurück zu Google, Trefferliste.  Drei Positionen weiter unten, "Die Seite von Lichtwind": Nebenchakren. Über so was  lächele ich und in Wahrheit gebe ich doch was drauf, weil es mir meist was sagt, wie jetzt wieder: Chakren sind Energiezentren im Körper. Weiß ich, kenne ich. Nebenchakren befinden sich in der Mitte der Fußsohlen und in den Handflächen. Wusste ich nicht. “Hände regeln den Energieaustausch mit der Außenwelt.” Bei Störungen u.a. Blutstau in den Händen. Aha! Wegen mangelnder Energie. Hab ich zu wenig Energie? Heute mit Sicherheit, sonst eigentlich genug. Aber dann der Fingerzeig für die Selbstdiagnose.  Zur Aktivierung werden empfohlen “Tätigkeiten, bei denen die Hände im Mittelpunkt stehen, Modellieren, Musizieren”. - Oder einen anderen Menschen anfassen?  Umarmen?  Streicheln?  Liebkosen?  - Das fehlt. So sehr, dass ich schon einen Blutstau in den Händen habe.  Wann war das, als ich der fremden Frau die Hand gehalten habe (“Roman”, 26.06.10)? Vor vier, vor fünf Jahren?  Da hat es angefangen. - Ich bin erleichtert und erschüttert. Es ist nur psychosomatisch. Nur? - "Er ist so allein, dass sich das Blut in seinen Händen staut." - Und ich werde nicht modellieren!

Sonntag, 27. Juni 2010

Dankbar

Alle, die hier leben, seid dankbar!  - Gewaltige Zeiten. Gewaltiger queerer Widerstand! Transgenialer CSD 2010.  18.00 h Abschlusskundgebung Heinrichplatz. - Immer, wenn es mir gerade gut geht, ist da jemand, der macht, dass es mir gleich wieder schlecht geht. Richtig schlecht.  Deshalb ist das nicht der Text, den ich schreiben wollte, sondern eine Zusammenfassung des Textes, den ich geschrieben hätte, wenn es mir noch so gut gehen würde wie heute Früh und wie gestern, als ich an mein Fahrrad gelehnt am Eingang der Oranienstraße nahe der Bühne stand, die mit blau-weiß-roter Folie geschmückt war und auf der keine einzige Rede gehalten wurde, während ich da stand, etwa eine Stunde lang, während ich Musik hörte, Techno,  und den Leuten zusah, den jungen schwul-lesbischen, und hätte ich nicht zu Hause etwas zu tun gehabt, wäre ich wahrscheinlich als einer der Letzten gegangen.  Ich, der ich Straßenfeste für ein Elend halte, und Geld müsste man mir zahlen für einen Besuch des Bergmannstraßenfestes, das ich “weiträumig umfahren” habe auf dem Weg zum Heinrichplatz und zurück. Hier beste Party seit langem. Viel zu gucken und trotzdem niemand, den man angaffen musste, weil man es sollte, und es gab niemanden, um den ich mir Sorgen machen musste, nicht mal um mich. Eine leere Flasche Freixenet Sekt habe ich gesehen, an einen Bordstein gelehnt. Sonst Biertrinken aus Flaschen. Wasser, Wein (und Sekt?) aus Pappbechern. Viel Essen auf der Hand; die Leute hatten den langen Weg vom Rathaus Neukölln hierher hinter sich (Demo). Soziologisch: Bürgerkinder in Kreuzberg.  Die Leute, die sich schräg gemacht hatten, dezent  schräg, “stylish” schräg. Das besonders auffällig bei den jungen Männern in Frauenkleidern und mit Perücken. Selbst das Make up so unschrill, dass man zweimal hingucken musste, um zu kapieren, wie es gemeint ist.  Vorstellung, dass dieses Kleid vor fünf Jahren in einer Boutique in Wuppertal hing und diese Pumps letztes Jahr noch von der Mama beim Sommerfest des Golfclubs getragen wurden. Vorstellung, wie der junge Mann  mit der Wuppertaler Mama vor ihrem Kleiderschrank stand und sie zusammen die CSD-Garderobe für ihn ausgesucht haben. Vorstellung der Anprobe unter den Augen der Wuppertaler Mama. Wollte ich vorhin noch ausmalen. Fehlt mir jetzt die gute Laune dazu. Die war gestern. Gute Leute. Gute Musik. Gute Party. – Alles, was man wissen muss über die Abgrenzung des  alternativen vom offiziellen CSD  im Artikel aus der taz vom Freitag: Als Frau Butler ablehnte. Merkwürdig in dem Artikel allerdings, vielleicht sogar finster, die Formulierung “Kreuzberger Retrogrille aus den Achtzigern ... Kommerzialismus, Rassismus, ja. ´Das Fernsehen ist schlecht`, ja.” – Was heißt das? – Weiß er schon? Weiß jeder? – Oder - “Retrogrille” – kann man nicht mehr hören? Ist sowieso nicht zu ändern: Macht es so wie ich, ich habe mich aufgegeben und hänge bei der taz ab, wo wir die Leute, die es noch nicht gehört haben, sowieso nicht erreichen?  - Wir bleiben Alle – überall! - Alle, die hier leben, seid dankbar! 

England

Popbitch, 24.06.10 ISSUE 503Oh no, the "remember the war" jokes have started: "The French give up, the Americans decide to turn up at the last minute and England are left to face the Germans...hmm. Does that ring any bells...?   

Samstag, 26. Juni 2010

Roman

Peter S. Ich nenne nicht seinen vollen schönen Nachnamen, weil er ist Psychoanalytiker und ich weiß nicht, ob das gut für ihn ist, wenn seine Patienten, von denen sicher die meisten meinen Blog lesen, wenn die jetzt mitkriegen, dass er in seiner Freizeit auch noch Kommunist ist; bekennender und daher missionarischer Kommunist. - Szene, die ihn für immer zum Sympathen gemacht hat für mich: Wir treffen uns zufällig beim Billig-Italiener. Mich beschäftigt gerade ein Fußballthema. Ich frage ihn mit dem Unterton von ja-wohl-eher-nicht, ob man mit ihm über Fußball sprechen kann. Er greift wortlos zu der neben ihm liegenden Aktentasche, öffnet sie und entnimmt ihr die aktuelle Ausgabe des Kicker. Abonniert, erklärt er mit dem Ernst des schwer Abhängigen. - Inzwischen hat er starken Haarausfall und vorhin sitzt er mit seiner Hamburger Freundin, die zweieinhalb Köpfe größer ist als er und einen Kopf größer als ich, vor dem Café Sur. Mal wieder, wie dünn ich geworden bin. - Ja, ja. Und was ich da so sage. Wie es ihm geht? – Wie könnte es anders als gut gehen an so einem Tag wie heute, antwortet er.  – Ich: Bei strahlendem Sonnenschein sind Depressionen noch schmerzhafter (Schmerz ist heute mein Thema). – Ob ich denn depressiv sei?– Nein, heute nicht. – Die Freundin aus Hamburg ins Gespräch einbeziehen: Ich erinnere mich an den Abend, als er sie mir in der Kneipe von Nomi vorgestellt hat und daran, wie ich kurz danach, weiß nicht mehr wie es kam, auf einmal  ihre Hand in meiner Hand hatte und sie nicht mehr los ließ; wie ich zehn Minuten, fünfzehn  Minuten die große raue Hand der fremden großen Frau gehalten habe; wie gut sich das anfühlte, und dass ich da keineswegs betrunken war.  Sie kann sich nicht mehr daran erinnern.  Macht nichts. Dafür kann ich mich nicht an ihren Namen erinnern.– Ich erzähle – das ist das erste Mal, dass ich das tue – von dem Blog, den ich schreibe, und wenn ich die Übungsphase beendet habe, sage ich, werde ich ihm die Webadresse geben. Er erinnert sich daran, dass ich mal einen Roman schreiben wollte.  Ich erwidere, dass ich nie daran gedacht habe, einen Roman zu schreiben; alleine schon wegen Karl Kraus (ich zitiere aus dem Gedächtnis: Schon ein mancher Roman ist geschrieben worden, weil der Autor nicht genug Charakter hatte, keinen Roman zu schreiben).  - Als wir uns verabschieden, meint Peter, heute könnte ich in meinem Blog darüber schreiben, dass ich die Frau wieder getroffen habe, mit der ich mal Hand gehalten habe, obwohl ich sie gar nicht richtig kannte, und sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. – Ich sage: Das ist kein Thema. So etwas kennen meine Leser schon von mir. –  Er freut sich über die Antwort. Ich habe es jetzt trotzdem geschrieben, weil ich mich an die Szene mit dem abonnierten Kicker erinnert habe, die mich damals so gefreut hat.  - Wollte ich mal einen Roman schreiben? - Vielleicht schreibe ich jetzt einen. Zusammen mit der Tess. - Und was ist mit Karl Kraus? - Wer kennt den noch außer mir?

Freitag, 25. Juni 2010

Mitleser

"If you suspect your account has been accessed by someone else, please submit your report here." Facebook

Das Biest wundert sich über sich selbst und es geht ihm gut. Es freut sich auf das Buch von Maxim Biller, das ich gestern nach Vorbestellung aus der Bibliothek abgeholt habe: Der gebrauchte Jude. Selbstporträt. Abends mal reingeguckt.  Wie schön der Biller schreiben kann! Nicht so aufgeregt und schlampig wie ich. Aber das hier  ist auch nur ein öffentliches Tagebuch und keine Literatur. – Bild von heute ist die Facebook-Eröffnungsseite. Jedes Mal, wenn ich mich einloggen will, werde ich umgeleitet auf eine Seite, auf der ich aufgefordert werde, mein Passwort noch mal einzugeben, weil irgendwas nicht stimmt. Jedes Mal. Was nicht an mir liegen kann, denn mein neues Passwort ist zwar komplex, aber auch so gewählt, dass es für mich kein Vertun gibt. Es kann nur so sein, dass sich da immer wieder jemand mit meinem alten Passwort einloggen will. Ich nehme an, das sind ehemalige heimliche Mitleser, die sehen wollen, ob ich schon wieder an die Contessa schreibe auf Facebook. – Warum habe ich das Passwort ausgewechselt?  Um die Contessa auszusperren? – Nein, das wäre albern. Weil auf meiner Facebook-Seite  nichts passiert, was nicht alle Welt und deshalb auch sie sehen kann.  - Warum habe ich es also gemacht? – Ich überlege  - und gebe zu: erst mal als symbolischen Akt, um das Nichtmehrschreiben an die Contessa zu “besiegeln”, also schon ihretwegen.  Doch als ich es gemacht habe, dachte ich mir gleich, dass ich bei der Gelegenheit auch die heimlichen Mitleser abschütteln kann. Denn das alte Passwort habe ich nur beibehalten wegen der Contessa, wozu am Dienstag, als ich die Änderung vornahm, keine Veranlassung mehr bestand. - Und warum wollte ich die Mitleser abschütteln?  Weil ich vorhabe, wieder auf Facebook an die Contessa zu schreiben und sie dann schon einen Weg finden wird, das neue Passwort zu bekommen, und wir dann endlich mal für uns sind? Unbeobachtet von heimlichen Mitlesern? – Wäre schlau. Ich will mich aber jetzt erst mal still verhalten gegenüber der Tess und abwarten, was sie so meint und macht. Und wenn ich ihr wieder schreiben sollte, dann würde ich  es auf eine andere Art tun, als mit dem nervigen Ritual der auf Only Me eingestellten Notes.  -  Liebe heimliche Mitleser, Ihr verpasst also nichts und ich bin einfach nur froh, Euch los zu sein.  - Für Tüftler: Das neue Passwort besteht aus dem Vornamen und dem Nachnamen einer ganz wichtigen Romanfigur. Zwischen dem Vornamen und dem Nachnamen und am Ende des Nachnamens stehen die Ziffern des Geburtsjahres und des Todesjahres vom Autor des Romans. Der Autor wurde 51 Jahre alt. Es ist also schon mal nicht Maxim Biller. Weil der dieses Jahr erst 50 wird und danach hoffentlich noch ganz lange lebt.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Schlüsselszene

Vorsicht Dummer Tag!  - Und was war gestern? Das mit den Namen? – Affekt. Zu oft geschrieben Für Dich, Contessa und Ach, Tess. Ich kann ihr nicht mehr schreiben und ich will die Schreibnamen nicht mehr benutzen, die ich ihr gegeben habe. Stand von gestern. Wollte sie nicht mehr benutzen. Heute geht es wieder: Contessa, Contessa, Contessa. Tess, Tess, Tess. – Nur das mit dem Klandestinen und mein Schreiben an sie und  ihre Zeichensprache und dass sie  im Contessa-Zimmer vor dem Spiegel steht für mich und sich mir zeigt, aber nicht her guckt zu mir, das geht nicht mehr. Und wenn sie nicht mehr will als das, dann kann ich nur sagen, ich habe es ihr lange genug gegeben, jetzt will ich, kann ich nicht mehr, weil es zu nichts führt. - Es klappt also wieder mit dem Wüten und Toben? Das scheint nur so. Ich will woanders hin. Was kann ich ihr anderes geben? Wie kann ich ihr meine Liebe zeigen anders, als dass ich sie immer nur bewundere? Darum ging es in dem Text vor diesem Text, den ich verworfen habe. In dem Text die Ahnung, dass sie nur das will, weil sie es so dringend braucht, bewundert zu werden. Für sich. Für ihre Seele. Und weil sie ihrem Mann mit der schattenspielartigen Affäre mit dem Nachbarn beweisen will, was sie wert ist. Weil ihr Mann es vergessen hat oder es nie wusste, weil sie es ihm zu leicht gemacht hat. – An der Stelle habe ich den Text von vorhin abgebrochen, weil ich gemerkt habe, dass ich das alles schon mal geschrieben habe. An sie. Allerdings habe ich damals etwas weggelassen, um sie zu schonen. Das, was mich überhaupt zu dieser Mutmaßung gebracht hat. Hier ist es: “weil sie es ihm zu leicht gemacht hat”. Das ist das Bild von heute. Eine lange zurückliegende Szene:  Da wusste ich noch nichts von ihr.  Da habe ich ihn und sie nur am Rande wahrgenommen.  Da war sie  nur die neue Frau des Nachbarn. Und der Nachbar war ein Typ, von dem ich schon mal einen unangenehmen Eindruck bekommen hatte und jetzt kriegte ich den zweiten Eindruck von ihm. Es war ein 10. August. Der große Gladiolenstrauß. Am Abend die Party. Es war sein Geburtstag. Wohnzimmer. Vormittag. Die Art, wie sie sich um ihn bemühte. Sie konnte gar nicht genug tun, alles gut und es ihm recht zu machen.  Und wie er sich das gefallen ließ. Wie er aber, nein, nein, nein, gar  nicht zufrieden war. Und wie sie sich noch mehr bemühte um ihn, Ihm hinterher lief. Armes Weiblein. Was hast du nur  falsch gemacht, was so gar nicht wieder gut zu machen ist? Hat ihm etwa dein Geburtstagsgeschenk nicht gefallen? - Ich habe damals noch nicht gewohnheitsmäßig da rüber gegafft. Es gab keinen Grund dazu. Doch da habe ich gebannt zugeschaut. Wenn sie sich gegenseitig die Kleider vom Leib gerissen hätten, um in sogenannter wilder Umarmung auf dem Tisch miteinander seinen Geburtstag zu feiern, es hätte mich nicht so fasziniert wie diese stumme Szene aus dem häuslichen Leben, wie ich sie beim erreichten Stand von Menschheit und der unterstellten Lebensart in der Wohnung gegenüber nicht für möglich gehalten hätte. Ich habe jetzt übertrieben. Authentisch war es so, dass ich da fassungslos rüber gestarrt und mich dabei gefragt habe, ob mir das auch gefallen würde, dass eine Frau so um mich herum ist und sich in dieser Weise um mich bemüht.  Und dann habe ich noch gedacht: Aha, so einer ist das also, dass er sich so eine Frau ausgesucht hat, die so ist. Über die Frau habe ich damals gar nichts gedacht. Ich hatte keinen Grund, etwas über sie zu denken. Viel später bin ich ihr begegnet. Und es hat sehr lange gedauert, bis ich den Eindruck von damals mit ihr in Zusammenhang gebracht habe und nachdem ich es getan hatte, habe ich es jedesmal gleich wieder verdrängt, wenn ich mich daran erinnert habe. Und warum habe ich den Eindruck nun hervorgeholt? – Um Dir zu sagen, was ich jetzt denke, Tess. Vergiss den Typ! Du gehst jeden Morgen sehr früh zur Arbeit. Du verdienst Geld. Du bist nicht auf ihn angewiesen. Pack Deine Sachen und hau ab!  Irgendwo gibt es jemanden, dem Du so gefällst wie mir. Nicht wegen dem, was Du tust, um ihm zu gefallen, sondern wegen etwas, wofür Du gar nichts kannst – wegen dem wie Du bist, wenn Du einfach nur Du selbst bist.   Und vielleicht ist dazu diese ganze merkwürdige Geschichte gut gewesen, die wir miteinander hatten und genau so sehr nicht hatten, und vielleicht ist dazu und nur dazu meine ganze große Liebe zu Dir gut, dass ich Dir das jetzt schreibe und es Dir wieder schreiben werde so lange, bis Du Dich nicht mehr nach dem Glück sehnst, sondern es finden gehst.  - Nicht schlecht für einen dummen Tag, was? Fühle mich auch schon nicht mehr so dumm, nachdem ich Dir endlich wieder geschrieben habe.  Und übrigens: Ich denke nicht, dass ich der Jemand von irgendwo bin, so gerne ich es wäre. Denn wäre ich der, wärst Du schon längst da. Ich bin nur der, der Dich bewundert hat, als Du es brauchtest, und dem es so sehr gefällt, dass Du bist wie Du bist. Manchmal auch ein bisschen unbeholfen und zum Schießen komisch. Zum Beispiel beim Schwimmen, wenn Du bei der Wende ganz besonders souverän erscheinen wolltest und mit cooler Beiläufigkeit weggetaucht bist und über der Konzentration auf die Beiläufigkeit versäumt hast, rechtzeitig den Mund zu schließen und einen Schwall Wasser geschluckt hast. Da hättest Du Dich mal sehen sollen! Da habe ich jedes Mal lachen müssen und war noch mehr bezaubert von Dir. So geht das.

Buddha

(Fehlfunktion; Post ist vom 23.06.; "gestern" = Dienstag)
Andere Leute, die besser im Leben vernetzt sind als ich, würden wahrscheinlich von einer  Erleuchtung  sprechen oder wenigstens davon, dass ein Engel sie gestreift hat. Ich stand vor meinem geöffneten Spind im Hallenbad, vor mir das staubige Paar Slipper, darauf das verwaschene Paar schwarzer Socken, die Jeans am Haken, und das T-Shirt auf der Ablage darüber; auf der Bank davor, ich übertreibe jetzt, meine Schwimmbadtasche. mein graues Badetuch, das Pantene Pro-V Shampoo Repair&Care, das Sebamed Duschgel, die Schwimmbrille, das Haargummi und die Badehose, und ich denke: Bin ich etwa dabei, ein  bescheuerter  Buddha zu werden? Weil mir nämlich just in diesem Moment klar geworden ist, worauf das hinaus läuft, was sich da durch mich durch bewegt hat, seit ich den Schluss des Posts von gestern geschrieben habe. Und während ich die Tasche in den Spind stelle und ihn abschließe, mir das Bändchen mit dem Schlüssel am Arm befestige, sehne  ich mich für einen Moment zurück nach meinem narzisstisch-gestörten Gekränktsein und der Wut und dem Toben. Ich wehre mich auch jetzt noch dagegen und ich möchte das alles eigentlich lieber für mich behalten.  Weil es so intim ist und ich auch gar nicht weiß, wie belastbar; mir auch nicht vorstellen kann, wie das gehen soll jeden Tag. Weil es mir so schwer erscheint und ich überhaupt kein Repertoire dafür habe. Wo es mir alleine schon schwer fällt nach allem, was war, statt “Frau von der  anderen Straßenseite” einen der Namen hinzuschreiben, die ich ihr gegeben habe. Was allerdings auch eine gute List sein könnte, so lange nicht mehr diese Namen zu verwenden, bis ich endlich weiß, welchen Namen ihre Mutter und ihr Vater ihr gegeben haben. Wenn ich das weiß, dann kann ich sie auch wieder mit meinen Namen nennen. Denn egal, welche Namen sie sonst noch hat, sie wird für mich immer die bleiben, die ich sie genannt habe.  Und egal, was sie tut und ob mir das gefällt oder nicht, ich lasse mir davon meine Liebe nicht nehmen. Von ihr nicht und von mir nicht und nicht von dem dummen kleinen Drama meines Begehrens. Wie erwähnt, ich habe keine Vorstellung davon, wie das gehen soll. So wie es bisher gegangen ist, bestimmt nicht. Wie erwähnt, ich habe kein Repertoire für diese Art von Liebe. Fortsetzung folgt. (Wird noch überarbeitet.)

Dienstag, 22. Juni 2010

Tumult

Und was wird jetzt aus dem Dreipersonenstück? "Rumplotten" auf dem Lebensstoff? - Dafür habe ich einen zweiten Blog eingerichtet. Ein Alter Ego mir geschaffen, das alte Biest. Die Aktionsversion von mir. Mit der habe ich noch anderes vor. Bis es soweit ist, sollte sich das alte Biest mal in dem Dreipersonenstück ausprobieren. Nur weiß ich inzwischen nicht mehr, wozu? - Kein Drang. Keine Gründe mehr. - Gestern in einer Notiz über das Stück: "Es dreht sich alles um die Contessa. Doch es geht um das Biest." Also um mich. Scheint plausibel. "Seriös". Weil Gesichertes weiß ich nur von mir. Aber was will ich denn von mir? - Da ist das Glück der Verliebtheit gewesen. Mehr Glück als Schmerz. Und da war noch die Deppenhaftigkeit meiner Rolle. Der Deppenhaftigkeit habe ich mich mit Absicht hingegeben. Ich bin gerne ein verliebter Depp gewesen. Und ich habe die Deppenhaftigkeit auch bewusst eingesetzt, weil ich mir davon Erfolg versprochen habe. Es gibt Frauen, die es mögen, wenn ein Mann sich für sie zum Deppen macht (als Beweis äußerster Entschlossenheit). Die Frau auf der anderen Seite der Straße schien zu dieser Gruppe von Frauen zu gehören; es hat ihr gefallen, wie ich mich zum Deppen gemacht habe für sie. Was ist also einzuwenden gegen diese Deppenhaftigkeit? Und wenn nichts gegen sie einzuwenden ist, was gibt es sonst noch auszurichten in dem Dreipersonenstück? - Ich kann mir ein Bild machen, von dem was war. Ich kann es mir noch mal klar machen. Ich kann mir die Frau auf der anderen Straße klar machen – klarer als ich sie sehen konnte im Getümmele der Gefühle. - Doch wozu? – Weil die Erfahrung bewahrt werden soll? – Die Ungewöhnlichkeit, Einzigartigkeit der Liebesgeschichte. Nachdem nichts draus wurde,  soll sie wenigstens erzählt werden. die schattenspielartige Affäre? – Nacherzählt? – Nein, nacherzählen ist nicht. – Oder gibt es eine andere Möglichkeit, sie zu erzählen? So dass die Erzählung eine Aktion ist? – Was für eine Aktion? – Mich auf Distanz bringen? Die Distanz kriege ich auch so. Ich muss mich nur mit anderem beschäftigen; also gerade nicht mehr mit dieser Geschichte. Sie zu Ende erzählen, indem ich sie beende. Jetzt. Aus. ... .  - Von jedem Tag ein Bild. Das war das Bild von heute. Gedankentumult. Am Ende hat es eine Antwort gegeben. Vielleicht. Und dann noch eine Antwort. Die hat mich überrascht. Die macht alles noch viel schwerer. Aber vielleicht auch alles wieder gut. Fortsetzung folgt.

Montag, 21. Juni 2010

Bitter

Satz zum mich dran klammern: Nur weil etwas nicht gelingt, ist es deshalb nicht schlecht gewesen. Da stimmt was nicht mit dem Deutsch. Variante: Etwas ist nicht schlecht, nur weil es nicht gelingt. - Inneres Geschwätz Eins: Wie kann ich etwas verlieren, das ich nie gehabt habe. Ich weiß nicht mal, wie sie riecht und wie sie schmeckt. - Inneres Geschwätz Zwei: Was war denn anderes zu erwarten, als dass sie sich wieder mit ihm einlässt. Er ist schließlich ihr Mann und sie wohnt mit ihm zusammen. - Dann soll sie ihm Miete zahlen. - Inneres Geschwätz Drei: Nicht mehr "so" wollen heißt das, anders schon? Also wieder warten? Weiter warten? - Immer weniger, je länger nichts passiert.

Sonntag, 20. Juni 2010

Trennung

Zweites Bild von gestern: Wie ich am Abend an meinem Samsung sitze und die Facebook-Notes "Für Dich, Contessa" löschen will, aber dann geht das nicht gleich und ich denke, sie verhindert das (sie kann sowas mit ihrem Eingehacktsein bei mir). Deshalb deaktiviere ich das Bluetooth am Samsung und die Remote-Einstellung und bin kurz davor, meinen Facebook-Account aufzulösen. Auch nicht so einfach. Also probiere ich noch eine andere Möglichkeit aus, die umständliche Art, die Notes zu löschen. Und jetzt klappt es. Alle weg. Auch die letzte, kurze, die ich gestern Abend noch geschrieben habe: "Vergiss es, Tess. Ich will das nicht mehr so." - Nur leider habe ich mich während dessen in eine Dramatik hineingesteigert, die ich eigentlich vermeiden wollte. Später sehe ich, dass das gar nicht gewesen sein kann, dass die Tess irgend etwas verhindert hat auf meinem Samsung, weil die nämlich Gäste haben da drüben  - mit Grillen auf der Veranda, nehme ich an - und sie wahrscheinlich gerade Grill-Soßen angerührt oder Salat gemischt hat, als ich die Notes gelöscht habe. Später höre ich noch was von der Straße. Das lasse ich jetzt mal lieber weg, weil ich es nicht einordnen kann. Da soll sich das alte Biest mit befassen oder das soll auch vergessen werden. Weil es besser für mich ist und ich jetzt mal mehr auf mich achten muss. Nun ist mir natürlich schon klar, dass das ein Schock ist für die 4 Leser (von den 5 oder 6, die ich habe), die das hier nur wegen der Contessa lesen und jetzt unbedingt wissen wollen, was denn plötzlich los ist. Aber ich habe keine Lust, mich darüber auszulassen. Weil es immer das Gleiche ist. Exakt das Gleiche wie vor vier Wochen. Und ob das jetzt mit ihrem Zyklus zu tun hat oder mit dem manipulativen Charakter von ihrem politikwissenschaftlichen Mann oder ihrem manipulativen Charakter, dass sie sich wieder mit ihrem Mann eingelassen hat, und wer da warum so höhnisch sehnsüchtig meinen Namen gerufen hat auf der Straße und sich lustig machen wollte über mich oder ob das vielleicht gar nicht mir gegolten hat, weshalb ich endlich mal aufhören sollte, immer alles auf mich zu beziehen - who the f*** cares.

Judith

Von jedem Tag ein Bild. Manchmal komplettiert es sich erst am nächsten Tag. - Zur Ablenkung mit dem Fahrrad rumgefahren. Zur Ablenkung CSD geguckt. Erst am Nollendorfplatz, anschließend Nähe Siegessäule, auf dem Rückweg wieder Nollendorfplatz. Erst kein Bild, nur zwei Eindrücke: Die Markenpräsenz von SPD, CDU, Die Linke und Red Bull. Die Allgegenwart von aus der Flasche getrunkenem billigem Sekt bei Teilnehmern und Publikum. So eine Plörre nicht trinken zu müssen, nicht jetzt und nicht nachher, da kann mein Leben so schlecht nicht sein, denke ich selbstgefällig. Und vorhin schließlich die Komplettierung des Bildes von gestern, als ich auf SPIEGELONLINE lese, dass die mit queerem Denken weltberühmt gewordene Philosophin Judith Butler ( "Gender Trouble") den Preis für Zivilcourage nicht angenommen hat, der ihr nach der Parade am Brandenburger Tor überreicht werden sollte. Ihre Ablehnung begründete sie damit, dass ihr der Berliner Christopher Street Day zu kommerziell und zu oberflächlich ist. Judith Butler geht lieber am kommenden Samstag nach Kreuzberg zur Alternativ-Veranstaltug Transgenialer CSD. Wenn ich mich wieder ablenken muss, gehe ich da auch hin.

Samstag, 19. Juni 2010

Charakter

Einer von zwei Männern sein, zwischen denen eine Frau steht. Damit leben? - Kommt auf die Frau an. Und auf den anderen Mann. - Denken beim Plotten, character development: Wenn der sich aufführt wie ein Intrigant in einem Stück von Molière (1622 - 1673), wie ist der dann sonst noch? Und wenn er intrigant = manipulativ ist, wie ist dann die Frau? - Puppet on a string? Oder ist sie ihrerseits manipulativ und das ist das Spiel, von dem die beiden nicht genug kriegen können? Ihr Paarzusammenhalt? - Interessiert mich das? - Dreipersonenstück: Das alte Biest, kurz Biest. Die Contessa, kurz Tess. Der Professor. - Das Biest lasse ich mit seinem Begehren der Frau auf das Paar los. Das Paar ist manipulativ. Besitz, Kontrolle, Macht, Politik. - Ist das interessant genug, um mich wochenlang damit zu beschäftigen; wenn der Plot funktioniert, sogar Monate? Besitz, Kontrolle, Macht, Politik. Gibt es nichts anderes, worauf ich das alte Biest loslassen kann? - Gestern Abend: Ich wünschte, es würde etwas passieren, damit ich das nicht machen muss. Jetzt ist etwas passiert, aber es ist nicht das, was ich mir gewünscht habe.

Freitag, 18. Juni 2010

Party

Was war das denn? - Die zwei kleinen Mädchen wollen doch nur mal in den Blog. - Ach so! - Der diebische Herr hinter der Kasse muss auch sehen, wo er bleibt. Keine Angst, ich verrate Sie nicht. Obwohl ich mir die Mühe gemacht habe, es zu recherchieren, wie Sie das gemacht haben mit den zwei Euro fünfzig. - Ohne Lächeln geht es nicht, Frau Hacker. Am besten wir fangen ganz klein an. Ich eröffne mit Hallo oder einem Nicken und dann beim nächsten Mal wieder, bis es mal klappt mit einem Gespräch. - Hey, Bettina! Und da ist ja auch das gute Kind! - Der schwäbische Ex-Sanyassin trägt ein Trikot der brasilianischen Fussballnationalmannschaft und will nicht auf sein Damenfahrrad angesprochen werden. - Der junge Trinker grüßt höflich. Wenn jemand zu dünn ist, dann er. - Der Requisiteur jetzt mit Barkasse, die er hat von der Ostsee, zum Rumschippern auf dem Wannsee. Erzähl doch lieber noch mal, wie das war in der Sahara mit dem Peter Stein, als die Jutta Lampe ihren Ring verloren hat. - Die Don-Antonio-Ecke heute ohne Atilla und Giuseppe. Hoffentlich kriegt Atilla das nicht in den falschen Hals, was ich über ihn geschrieben habe. Ich werde es ihm erklären. Aber die anderen. Das Terrain hier ist viel zu klein für so einen Blog. Ich überfordere die Leute. Am Ende hetzen sie mich noch mit Mistgabeln durch die Straßen und ertränken mich im Ententeich an der Carl-Zuckmayer-Brücke; und das Letzte, was ich sehe, ist einer der verehrungswürdigen Reiher, wie er teilnahmslos den Aufruhr beobachtet, während der laue Wind durch sein leuchtend buntes Halsgefieder fährt. 30 Postings und noch immer kein Kommentar. Dafür die schrägen Blicke, Blicke, Blicke. Man isst nicht da, wo man scheißt. Andererseits: Wer die Hitze nicht erträgt, hat in der Küche nichts verloren. Zeichen von der anderen Straßenseite: Es ist nicht wie Du denkst. Erstens ist alles gut. Zweitens war das mein Mann, der die Tür geschlossen hat. - Absichtlich? - Ja, absichtlich.  - Wenn er so agiert, wie ist er dann sonst noch? Und überhaupt, was macht er verkehrt oder was macht er nicht so gut, dass der Contessa ihre Sehnsucht zum Fenster raus fliegt und angeflattert kommt zu mir. Ausgerechnet zu mir. - Das Drama da drüben ist nicht komisch für die Tess. Meine Arme sind weit offen. Was kann ich sonst noch tun? Der korrekte Titel des Buches ist Making a Good Script Great. Script, nicht story. Dein Mann sollte bitte darauf achten, dass er nicht zum Klischee wird. Niemand weiß besser als ich, wie schwer das ist. Morgen mache ich vielleicht mal eine Pause. Meine Angst war immer, wenn ich mal eine Party gebe, dass dann keiner kommt.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Tür

Was ist das subtile Zeichen? - So subtil nun auch wieder nicht. Im Februar haben sich die Contessa und ich an einem Sonntag verabredet. Mit unserer Art von Kommunikation. Ich schreibe ihr, sie reagiert darauf mit Zeichen oder sie reagiert nicht. Ich habe vorgeschlagen, dass wir uns nachmittags treffen. Ihre Zustimmung sollte sie mir signalisieren, indem sie die Tür zwischen dem Contessa-Zimmer und der sich dahinter befindenden kleinen Küche öffnet, so dass ich den Baum auf der Rückseite des Hauses sehen kann. Sie hat die Tür geöffnet. Sie ist auch zum vorgeschlagenen Treffpunkt gekommen ins Einstein in der Kurfürstenstraße. Dann hat sie der Mut verlassen oder das Café Einstein am Sonntagnachmittag war ihr zu bourgeois (das ist es auch), und so habe ich sie gerade noch weghuschen sehen. Doch von nun an hatten wir einen Code. Will sie mir ihr Missfallen oder ihre Missbilligung zeigen, schließt sie die Tür über Tag. Dann ist das Contessa-Zimmer dunkel und ich blicke sozusagen in die Finsternis, wenn ich zum Contessa-Zimmer hinüber schaue. Ist wieder alles gut, lässt sie die Tür offen stehen und ich blicke in das lichte Zimmer und sehe durch das Küchenfenster auf das dichte Laub des Baumes. Im Winter waren die Äste naturgemäß kahl. Im Frühling konnte ich an den Blüten erkennen, dass es ein Kastanienbaum ist. -  Heute kein grüner Baum. Ich blicke in die Finsternis. Zum ersten Mal seit mehr als drei Wochen hat sie die Tür heute Morgen wieder geschlossen, bevor sie zur Arbeit gegangen ist. Das kann alles Mögliche bedeuten. Es kann zum Beispiel auch bedeuten, dass sie die Tür gar nicht selbst geschlossen hat, sondern dass ihr Mann das getan hat, nachdem sie schon weg war; weil er für Irritation zwischen Tess und mir sorgen will, "Zwietracht säen" zwischen uns. Doch das glaube ich nicht. Weil es gibt zu viele mögliche Gründe, warum Tess Irritation bei mir schaffen oder mir ihr Missfallen zeigen will. Es könnte ihr mein Posting von gestern nicht gefallen haben. Sie könnte es für keine gute Idee halten, dass ich mit ihr über die Backstory des Tess-Charakters im Plot des alten Biests (aka das verliebte Tier) kommunizieren will. Vielleicht hat es ihr auch nicht gepasst, wie gut gelaunt und leichtfertig ich gestern Abend war, als ich ihr schrieb. Oder ich habe mal wieder was nicht kapiert, als sie sich mir am späten Abend kurz gezeigt hat im Contessa-Zimmer. Keine Ahnung. Wenn es ihr wichtig ist, wird sie es mir schon  s a g e n  müssen. Und das heißt, ich werde es wahrscheinlich nie erfahren. Nachdem ich heute Morgen bemerkt hatte, dass die Tess das subtile Zeichen auf Nicht gut gestellt hat, habe ich beschlossen, sie zu ärgern, indem ich das (gestern erneuerte) Angebot von Ercan angenommen und Ayesha als Facebook-Freundin angefragt habe. Da stehe ich ganz schön dumm da, wenn Ayesha nicht zustimmt. Aber tue ich das nicht auch so schon?

Mittwoch, 16. Juni 2010

Spiegel

In meinem Selbstbild bin ich so um die 40. Wenn ich mich im Spiegel sehe, richtig sehe, nicht nur mal mit streifendem Blick beim Zähneputzen oder so nebenbei beim Rasieren, sondern wenn ich mich im Spiegel anschaue, dann bin ich jedesmal überrascht, wie alt ich aussehe. Das bringt mich aber keineswegs dazu, mein Selbstbild dem Spiegelbild anzupassen. Statt dessen reflexartig: Mann, sehe ich fertig aus heute. Muss unbedingt mal wieder ausschlafen. Oder: Sollte dringend mal wieder glücklich sein. - Gestern vom Einkaufen zurück kommend auf der Akazienstraße vor Don Antonio die beiden Lieblingskellner aus dem legendären kleinen Don Antonio: Giuseppe und Atilla. - Eine Zeit lang bin ich da fast jeden Abend essen gewesen. Wegen der Preise und der Gesellschaft. Da der Laden immer voll besetzt war, musste man an den Tischen mit Fremden zusammensitzen. Habe nirgendwo im Kiez so viele unterschiedliche, interessante Leute kennengelernt wie da. Einmal saß ich einem Typ gegenüber, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er hatte seinen Liebhaber umgebracht und dann angefangen, ihn zu zerstückeln, um die Tat zu verbergen; das hat er nicht ausgehalten und hat sich gestellt, weswegen ihm mildernde Umstände angerechnet wurden beim Strafmaß, was er allerdings wieder zunichte machte, als er im Gefängnis einen Wärter fast totgeschlagen hat. Da er schwul ist, hat ihm im Knast nichts gefehlt, meinte er. Und als ich mich ans Zahlen machte, hat er ganz lieb gefragt, ob wir nach dem Essen noch was trinken gehen wollen, im Anderen Ufer (das hieß damals noch so). Da habe ich mich gefühlt wie das Gretchen und husch,husch weg war ich, so eilig, dass ich dabei fast meine Schühchen verloren hätte. Abschweifung Ende. - Spiegel. Atilla. Lieblingskellner. Bester Freund. Wie ein kleiner Bruder war er für mich. Wir haben uns gefreut, wenn wir uns gesehen haben. Er hat mich zuvorkommend bedient. Ich habe Abend für Abend geduldig sein Leid mit Senem angehört. Sie hat ihn rausgeschmissen in der Nacht. Jetzt ist es ein für alle mal vorbei! Sie ist eine Schlange! - Sie hat wieder angerufen. Sie haben sich zwei Tage lang versöhnt. - Sie hat ihn rausgeschmissen. Sie ist eine Schlange! ..  -  Amour fou. Immer im Kreis. Und ich war sein Vertrauter. Habe ihm Ratschläge gegeben. Habe für Senem gesprochen, habe sie ihm zu erklären versucht. Nicht nur, weil sie damals wirklich anbetungswürdig war (Senem = Türkisch für Geliebte; zum anbeten schön). Er hatte gar keine andere Wahl, als sie zu verstehen; so verfallen wie er ihr war, musste er es schaffen, mit ihr klar zu kommen. Dabei wollte ich ihm helfen. Bis ich dahinter kam, dass er das gleiche Gespräch wie mit mir mit jedem führte, der es hören wollte. Da war ich enttäuscht. Ich habe ihm zwar weiter zugehört, da er mich weiter zuvorkommend bedient hat und er weiter wie mein kleiner Bruder war. Doch hinter seinem Rücken habe ich mir mit Giuseppe das Maul verrissen darüber, dass er sich lächerlich macht, indem er jedermann "sein Herz ausschüttet". - Das ist mir gestern wieder eingefallen, als ich die beiden zusammen gesehen habe. Aber erst heute Morgen ist mir aufgefallen, dass ich hier nichts anderes mache als Atilla damals. Mit dem einzigen Unterschied, dass meine Geschichte ohne Rauswürfe und zweitägige Versöhnungen ist und es nicht mal Anrufe gibt in meiner Geschichte. Aber sonst: Jedem, der es "hören" will = lesen will, "schütte ich mein Herz aus". - Mache ich mich jetzt also auch lächerlich wie Atilla damals? - Ach was! Jetzt verstehe ich Atilla endlich. Wie gut ich ihn jetzt verstehe. Und Abbitte leiste ich, dass ich mir damals mit Giuseppe das Maul verrissen habe über ihn. So geht das.

Dienstag, 15. Juni 2010

Kunde

10.15 beim Urologen Dr. S., osteuropäischer Name,  deshalb im Telefonbuch bei ihm hängen geblieben. Hätte ich mich mal lieber nach Empfehlungen von Bekannten umgehört. Die Praxis im Stil einer versunkenen Epoche, ich bin der einzige Patient unter 79 und die Frau am Empfang sitzt hier auch schon seit Jahrzehnten; vermutlich die Frau des Arztes. Der Arzt selbst, Mitte 60, quirlig, mir sympathisch. Nur ist das Gespräch von Anfang an belastet, weil ich den mir am Empfang wortlos gereichten Plastikbecher für die Urinprobe nicht entgegengenommen habe, da ich zu einer Prostata-Vorsorgeuntersuchung erschienen bin, für die keine Urinprobe nötig ist, wie ich weiß von der letzten Vorsorgeuntersuchung. - Wann war das? - Vor sechs Jahren, glaube ich. - Das hat der Dr. S. noch nicht erlebt, dass jemand in seiner Praxis sich der Urinprobe entzieht. Einer urologischen Praxis: Nieren, Blase, Harnröhre; rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen und was man sonst noch alles finden kann im Urin, Urin, Urin. - Ich deute an: Kostenbewusstsein des Privatversicherten. Und nur noch mal, um sicher zu gehen: Vorsorgeuntersuchung, Prostata, da bin doch richtig bei Ihnen? - Ja.Ja.Ja.Ja. Aber das gesamte Bild. Niere, Blase, Urin. - Prostata, insistiere ich, nur Prostata. - Dr. S. gibt auf: Der Kunde ist König. Osteuropäischer Akzent, Vorliebe des Nicht-Muttersprachlers für Redensarten. Der Kunde ist König, sagt er noch mehrere Male, bis er das mit dem Finger im Rektum gemacht hat und mir mein Blut abgenommen für den PSA -Test (Prostataspezifisches Antigen). Das Tasten ergibt, dass meine Prostata geringfügig vergrößert ist; nicht anders zu erwarten in meinem Alter. Trotz dieser schon mal guten Nachricht, wenn auch noch nicht viel aussagend, Unbehagen beim Verlassen der Praxis. Kann es nicht mal ohne Aufruhr ablaufen, wenn ich irgendwo auftrete? Kann ich mal einfach irgendwo hingehen und wieder weggehen, ohne aufzutreten? - Dauerexaltation.

Montag, 14. Juni 2010

Experiment

Das innere Gequengele seit Wochen: Mir fehlt das Plotten. Das äußere Gequengele seit ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann es mal anders war: Lass uns doch wie Millionen Frauen und Männer vor uns einen Kaffee trinken gehen und herausfinden, warum wir nicht voneinander lassen können. Die nicht mehr zu verdrängende Erkenntnis: Dazu wird es nie kommen. Die Idee: Ich evakuiere das verliebte Tier in mir in einen Plot. Ich erzähle vom verliebten Tier in mir und muss es nicht mehr sein. Noch bessere Idee: Ich lasse das verliebte Tier selbst einen Plot entwickeln. Ich lasse es endlich was Sinnvolles tun mit seinen immer gleichen Fragen und seinen sich im Kreis drehenden Gefühlen. Wie das gehen soll? - Wird sich zeigen. Experiment. Seit Ende letzter Woche läuft es und es fängt schon an zu wirken. Siehe Posting von gestern: Randale statt Sonntagnachmittags-Melancholie. Siehe Posting von heute: Vision statt Enttäuschung. Und mit der Tess geht es auch schon viel besser. Als ich am Freitagabend auf Facebook an sie schrieb, hat sie sich so über mich geärgert, dass sie mir den gesamten Text gelöscht hat (sie kann das). Es ging unter anderem um eine Frau aus Los Angeles, die mir mein neuer Facebook-Freund Ercan als Freundin angeboten hat. Ayesha (Interests: Music, Movies, Video Games). Und wieder mal hatte ich keine Ahnung, womit ich mir den Unmut der Tess zugezogen hatte. Weil sie Ayesha nicht leiden kann? Oder weil ich das F-Wort benutzt habe, aber selbstverständlich mit Sternchen und keineswegs in Beziehung auf Ayesha, sondern im Kontext eines alten Witzes über dumme Schauspielerinnen in Hollywood, die so dumm sind, dass sie mit Drehbuchautoren - wegen Google sag ich mal: schlafen, weil sie sich davon eine Rolle versprechen. Auf jeden Fall war das seit langem mal wieder ein amüsanter Abend mit der Tess und ich wollte gar nicht mehr aufhören, sie noch mehr zu ärgern. - War es aus Rachsucht oder aus Überempfindlichkeit, sie ist so empfindlich und rachsüchtig wie ich, oder war es wegen des Muttigeistes, den sie möglicherweise außerdem noch hat (ich hoffe, da irre ich mich), so oder so, gestern hat sie mir wieder eine gerade geschriebene Passage aus meinem Facebook-Text weggehauen und das war nicht amüsant, weil das eine brutale Unterdrückung meiner Meinungsfreiheit war, und das von ihr als Amerikanerin. Da habe ich sie zum ersten Mal beschimpft und ihr sozusagen endlich mein wahres Gesicht gezeigt. Trotzdem war ich hinterher ganz vergnügt. Weil es Spaß macht, Ärger und Streit mit der Tess zu haben, mehr Spaß als das Ach und Oh, das ewige. - Vision: Während das verliebte Tier sich weiter mit dem ganzen Ach und Oh quält und an seinen Plot baut, zoffen sich die Tess und ich hinter seinem Rücken und werden Freunde und was weiß ich noch alles. Und dann kann ich mich hier auch mal mit jemandem anderen beschäftigen: mit der Mücke zum Beispiel, die sich gestern aus Facebook verabschiedet hat, oder mit der Ayesha oder dem Westerwelle.
(quengeln = to grouch, to whine; sich mit jmdm. zoffen = to argue with so.)

Sonntag, 13. Juni 2010

Autofiktional

Wenn sie nicht will oder wenn sie es nur so will wie bisher, wenn sie nur bewundert werden will oder sich langweilt oder mich nur benutzt in ihrer Dauerkrise mit ihrem Mann, dann kann ich das verkraften; intellektuell. Aber wenn sie sich nur nicht traut, wenn sie sich nach allem, was sie von mir weiß, immer noch nicht traut, wenn sie sich lieber bei nächster Gelegenheit wieder mit ihrem Mann einlässt, weil es ihr geht wie mir gestern, und das alles nur, weil sie sich nicht traut, dann halte ich das nicht mehr aus. Dann ist es aus mit vornehm und zurückhaltend, dann mache ich, was ich beim Plotten heute meine Spielfigur habe machen lassen. Ich gehe da rüber und läute bei ihr und wenn ihr Mann die Tür aufmacht, sage ich, dass ich seine Frau sprechen will und dann wird schon eins das andere ergeben. Und sollte sie sich wieder verstellen und die Ahnungslose spielen wie damals, als ich meinen kleinen parfümierten Brief abgeben wollte, dann bin ich nicht mehr als Liebender da, der belämmert davon trottet, dann werde ich zum Biest, dann schalte ich um auf Plotrecherche, dann ist Rollenspiel. Dann will ich rausfinden, was passiert, wenn ich mich nicht abwimmeln lasse.  - Aber ist das nicht Erpressung? - Wenn sie nicht will, kann sie es mir vorher zeigen. - Ist das jetzt schon das Rollenspiel? - Im Moment will ich mich nur abreagieren; es geht mir auch schon viel besser. - Und der Plot? - Ist ein Rollenspiel.

Samstag, 12. Juni 2010

S**

Auf der Website von Roger Ebert lese ich das Tweet von Nathasha Badhwar: There´s a drizzle in the breeze today. Small droplets, smaller than the tingle in my skin when I see you. (*) - Ich bin im Nieselregen auf der Hauptstraße unterwegs und fange gleich an, leise vor mich hin zu wimmern. Da fällt mir ein, dass ich zu Hause noch eine Tafel Ritter Sport Edel-Vollmilch 35 % Kakao habe und dass ich mal über meine letzten Supermarkt-Auftritte schreiben sollte. Gestern Abend Edeka in der Gleditschstraße: Lange Schlangen an zwei Kassen. Dritte Kasse wird geöffnet. Ich antezipiere das, könnte als Erster dort sein, will mich nicht vordrängen und mache die vor mir stehende Frau darauf aufmerksam, dass sie sich bewegen könnte. Bevor sie sich bewegt, mault sie zurück: Soll ich Ihretwegen die Frau vor mir über den Haufen rennen? - Ich: Das hätte ich jetzt eigentlich gerne gesehen. - Sie: Das kann ich mir vorstellen. - Ich: Dafür bin ich unterwegs. Um so eine Rhetorik zu hören. - Die beiden Frauen vor mir tauschen hochmütige Blicke aus. Verfluchte Muttiherrschaft, denke ich und kann es kaum erwarten, gleich mit der Kassiererin zu tun zu kriegen, um zu beweisen, wie höflich ich sein kann. - Heute Früh Aldi in der Grunewaldstraße: Ich habe vorher schon bei Penny geduldig gewartet, ich habe nur drei Sachen, hätte ich mich für die andere Kasse entschieden, wäre ich schon durch. Die Kassiererin und ihr Lieblingskunde können nicht voneinander lassen; er hat bereits gezahlt und seinen Einkauf in der Tüte und sie reden immer noch über seine Pollenallergie. Endlich geht es weiter. Der alte Herr vor mir zahlt zügig. Da fällt ihm ein, dass er eine Verlängerung braucht. - Verlängerung? Verlängerungskabel? Heute im Sonderangebot bei Aldi? - Die Kassierin hat ihn verstanden:  er fragt nach eine Prepaid-Karte für sein Handy. Die kann er haben. Jetzt weiß er nicht, ob er sie heute schon haben will. - Hm. Sie können ja schon mal meine drei Sachen abkassieren, schlage ich vor. - Frage, ob ich es eilig habe. - Nein, ich bin nur ungeduldig, antworte ich wahrheitsgemäß. - Und das am Samstag? - Es folgt ein Mittelteil, an dessen Wortlaut ich mich nicht mehr erinnern kann. Er eskaliert zu der Bemerkung der Kassiererin, dass ich doch sonst so sympathisch sei. - Wollen sie das bitte mir überlassen, wann ich sympathisch bin und wann nicht, entgegne ich und denke sofort: Autsch! - Bei den Blog-Einstellungen hier gibt es den Punkt Erwachseneninhalte: Bei der Auswahl von "Ja" wird den Lesern Ihres Blogs eine Warnmeldung angezeigt und sie müssen bestätigen, dass sie zu Ihrem Blog weitergeleitet werden möchten. - Ich habe "nein" eingestellt. Es gibt keine sogenannten Erwachseneninhalte in meinem Leben.
(*) drizzle = Nieseln; to tingle = kribbeln, prickeln.

Freitag, 11. Juni 2010

Zeichen

Dritter Schreibunfall in dieser Woche. Thema war Schwierigkeiten beim Erzählen von der Contessa und Subtilität ihrer Zeichensprache. Ein anderes Mal. - Schluss des gelöschten Textes: ... Aber sie ist nicht stumm. Sie hat auch keinen hässlichen Sprachfehler, den sie verbergen will. Ich habe sie schon sprechen hören: "Können Sie einen Hunderteuroschein wechseln?" hat sie gefragt, als sie noch nicht die Contessa war. "Vielleicht, wenn wir zehn oder zwanzig  Minuten warten, das Wasser ist wieder gesund", hat sie gesagt in dem Moment, als sie zur Contessa wurde. Und dann noch: "Okay. Danke schön", als ich sie einmal beim Wenden auf der Schnellschwimmerbahn habe überholen lassen. - Mehr habe ich sie nicht sagen hören in all der Zeit (1 Jahr und 4 Monate). Vielleicht. Jedes Mal, wenn ich "vielleicht" schreibe, höre ich ihre Stimme. Lieblingswort. Inzwischen benutze ich es zu oft.

Donnerstag, 10. Juni 2010

Politik

Was mache ich jetzt nach dem Politik-Beschluss von heute? Werde ich mich trotzdem bei der GEZ abmelden? - Klar, sind schließlich noch eineinhalb Jahre bis Januar 2013. Und dann wieder zahlen? Wenn jeder Haushalt monatlich 17,94 Euro an die GEZ überweisen muss; unabhängig davon, ob ferngesehen oder radiogehört wird? - Vom Bundesverfassungsgericht ist nichts zu erwarten, weil die haben die Rechtslage mitgeschaffen, wenn ich das richtig verstanden habe. Öffentlich-rechtliches Fernsehen = Grundversorgung wie Abwasser oder Müllabfuhr, und die muss ich auch zahlen, wenn ich keinen Müll und kein Abwasser produziere. Also kein Entkommen. Außer, wenn ich verarme. Dann muss der Staat meine Rundfunkgebühren bezahlen. Das will ich aber nicht, den Steuerzahlern zur Last fallen. Nur wenn ich obdachlos werde, dann ist gar nichts zu machen bei mir. Kein Obdach, kein Haushalt, keine Fernsehgebühr. Ich will nicht obdachlos werden. Bleibt nur der Boykott. Ich kann mich mit anderen zu einer Bürgerbewegung zusammenrotten. Wir, die Leute, wir zahlen einfach nicht. Das geht, weil wir so viele sind, dass man uns nichts anhaben kann. Und wir sind deshalb so viele, weil es so einfach ist, bei uns mitzumachen. Man muss nichts tun. Nur die Mahnbescheide ungeöffnet wegwerfen. Das ist so einfach, dass unsere Bewegung leicht außer Kontrolle geraten kann, weil dann auch Leute bei uns mitmachen, denen es vorher gar nicht aufgefallen ist, dass die Gebühren von ihrem Konto abgebucht wurden. Jetzt fällt denen das aber plötzlich auf (wegen dem Lärm, den wir machen) und da sagen sie sich reflexartig: "Ich bin doch nicht blöd und zahle für etwas, das ich woanders kostenlos kriege (RTL, Sat1, ProSieben, CNN, MTV etc.). Dann wird es eng für ARD und ZDF und ihre Zielgruppe (55 bis RIP). Dann muss die Zielgruppe ihre Lieblingsprogramme selbst finanzieren. Dann werden ARD und ZDF zu Pay-TV-Kanälen. Dann sind die Öffentlich-rechtlichen endlich in der freien Marktwirtschaft angekommen. Und wir, die Leute, wir waren die invisible hand, der sie das zu verdanken haben. Wobei allerdings nicht vergessen werden darf, dass ohne den Politik-Beschluss von heute diese Dynamik nie in Gang gekommen wäre. - Moment mal! Wollen die das vielleicht sogar mit dem Beschluss? Denen ist doch klar, dass sie mit der Zwangsabgabe bei uns nicht durchkommen. So lebensfern sind die doch auch nicht. Aber in einer verzwickten Lage sind sie. Die Gesetze, die Verträge. Die Pensionskassen der Fernsehsender. Ihre Meinungsmacht. Wie soll die Politik diesen golemhaften Staatsbetrieb anders privatisiert kriegen als mit unserer Widerstandsbewegung? - Es wird sich dann natürlich gleich wieder eine Fraktion von Leuten bilden, die sagen, wir lassen uns nicht von der Politik instrumentalisieren, wir werden ab jetzt Fernsehgebühren bezahlen, weil wir zahlen ja auch Abwasser- und Müllabfuhrgebühren, obwohl wir hinters Haus scheißen und ausschließlich hochwertigen Biomüll produzieren, den wir im Garten vergraben. Aber das werden nicht viele sein, die so argumentieren.

Mittwoch, 9. Juni 2010

Golightly

Es wird zur Masche. Den Text von hier habe ich rausgeschmissen, weil es wieder so ein Mit-dem-Messer- in-den-Rücken-durch-die-Brust-ins-Auge-Text war. Es gab was über Selbstgespräche beim Schreiben; das kommt bestimmt mal wieder zurück. Und dann gab es einen feuilletonistischen Schlenker. Der fing an bei Truffaut: Kino ist, wenn schöne Frauen schöne Dinge tun (Messer in Rücken). Ging dann weiter mit Truman Capote, Breakfast at Tiffany´s und der Holly Golighty darin, die es mir so angetan hat. Messer durch die Brust. Und er endete bei der Contessa und der Vorstellung, dass ich mit ihr einer Holly Golightly im wirklichen Leben begegnet bin. Messer ins Auge. Und dann das Messer langsam in der Wunde rumdrehen. Contessa-Bashing. Sie macht schöne Dinge. Aber sie macht zu wenig. Sie ist zu inaktiv für eine Protagonistin. Dann Messer rausziehen und damit vor meinen Augen rumfuchteln: Ich verstehe den Charakter nicht. Ich finde meine Rolle nicht. Ich komme nicht aus den Klischees raus. etc. etc. etc.

Jenni, mein aktivster Facebook-Friend hat mich mal in einer Mail gefragt, was es mit der Contessa auf sich hat. Ich habe zurückgeschrieben: Die Contessa ist ein autofiktionaler Charakter, dem ich folge und der mir folgt. Feuilletonistischer geht es nicht. Doch genau so ist es. Und dann habe ich noch hinzugefügt: Wenn ich sie kriege, werde ich so glücklich sein, wie Du mich noch nie gesehen hast. Und wenn nicht, dann werde ich mal mehr davon erzählen." - Genau so wird das jetzt gemacht. 

  





Dienstag, 8. Juni 2010

Fernsehen

Weil ich mich heute nicht über die Contessa äußern wollte, war der Plan, hier über meine Abmeldung bei der GEZ zu schreiben. GEZ ist "Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten" für Radio- und Fernsehnutzung. Ich erkläre das, weil mir außer meiner Mutter und mir selbst niemand persönlich bekannt ist, der GEZ-Gebühren bezahlt (*). Den Text habe ich weggeschmissen. Danach gab es noch eine Phantasie über einen Rundfunkgebührenbeauftragten (so heißen die wirklich), der in meine Wohnung eindringt und mich beim Besitzen eines alten, zur Not (**) noch funktionstüchtigen Fernsehgeräts erwischt, nachdem ich der GEZ gegenüber angegeben hatte, kein "empfangsbereites Fernsehgerät" zu besitzen. Eine Lüge, zu der ich genötigt wurde von der GEZ, weil die Aussage: "ich sehe nicht fern" bei der Abmeldung genauso wenig akzeptiert wird wie die Aussage "ich habe kein Geld und sehe nicht fern, weil ich mir all die schönen Sachen, die im Fernsehen gezeigt werden, nicht leisten kann". Die Phantasie habe ich auch weggeschmissen.

(*) 215,76 Euro im Jahr
(**) Amtseinführung von Präsident Obama (CNN), Trauerfeier für Michael Jackson (CNN), Bayern gegen Inter (SAT1)




Montag, 7. Juni 2010

Rhododendron

Idee ist, im Tiergarten die Stelle an dem schmalen Teich wieder zu finden, wo der Rhododendron so üppig blüht. Das sehen und riechen. Letztes Jahr habe ich die entdeckt, die Stelle, und jetzt finde ich sie nicht mehr. Zwei vergebliche Anläufe und jedesmal komme ich wieder raus am Parkeingang unterhalb des Schleusenkrugs. Beide Male vorbei an einem aasig stinkenden überquellenden Abfallkorb; Park-Party samstags, sonntags keine Leerung. Drumherum auf den Bänken und im Gras am Uferstück junge Menschen, alte Menschen, Kinder, und ihnen allen scheint der Gestank nichts auszumachen. Die haben sich daran gewöhnt, die nehmen den gar nicht mehr wahr? Als sie angekommen sind, da müssen sie es doch gerochen haben. Oder hat sich die Gestankwolke erst ausgebreitet, nachdem sie sich niedergelassen hatten? Zwei Leute, bei denen ich mir vorstellen kann, dass sie hier schon seit Stunden hocken. Eine Frau mit runtergelassenen Strümpfen etwas weiter entfernt, doch immer noch voll im Gestank. Ein Mann mit Hosenträgern in unmittelbarer Nähe des Abfallkorbs. Beide „alterslos“ zwischen 50 und 65, beide bleich und ärmlich und beide tragen sie beige. T-Shirt, Rock, Strümpfe, Schuhe, Hosen, Hemd, beige in beige. – Leute, die beige tragen. – Was ist mit Leuten, die beige tragen? – Die wundern sich über Leute, die schwarz oder bunt tragen? Oder sie sind farbenblind. Oder wenn sie einkaufen gehen in den letzten Tagen des Schlussverkaufes, wenn die Preise den Tiefstand erreicht haben, dann gibt es nur noch die beigen Sachen oder so knallbunte, dass das nicht geht, und dann doch lieber beige. 

Im dritten Anlauf finde ich die Stelle mit den Rhododendren. Alles wie erwartet. Das Rot/Rosa der Blüten, das satte Immergrün der Sträucher. Der Wildwuchs. Die Kühle des Teiches. Fehlt nur noch ein Schwan. Und die Blüten duften nicht (*). – „Rhododendron riecht nicht“, sage ich mehrmals laut vor mich hin, während ich langsam mit dem Fahrrad am Ufer entlang rolle. Und nachdem ich schon mal angefangen habe, laut vor mich hin zu reden, sage ich mehrmals: "Stolz und Lächerlichkeit". Das hat was mit Rainald Goetz bei Harald Schmidt zu tun (**). Das könnte der Titel sein eines Textes über Rainald Goetz bei Harald Schmidt, von dem ich da schon weiß, dass ich den nícht schreiben werde, weil ich das so schnell wie möglich vergessen will, wie der Goetz da war und überhaupt solche Texte nicht schreiben will. Nur der Titel gefällt mir gerade so gut und deshalb sage ich ihn immer weiter vor mich hin. "Stolz und Lächerlichkeit. Stolz und Lächerlichkeit." Obwohl ich keineswegs alleine bin an dem Teich. Und vor zehn Jahren wäre ich noch erschrocken, wenn ich mich dabei erwischt hätte, wie ich in Gegenwart fremder Menschen laut vor mich hin rede. Inzwischen jedoch fühle ich mich so wohl in meiner Haut, dass mir das egal ist. Was könnte ich für ein Leben haben, wenn ich nicht verliebt wäre! Und was könnte ich alles anstellen mit dem Wohlgefühl in meiner Haut. Ich könnte zum Beispiel zu der Stelle mit der Gestankwolke zurückfahren und mich neben den Mann oder die Frau in beige setzen und ein Gespräch anfangen. Über den Gestank und dass er ihnen nichts ausmacht. Und wenn das Gespräch gut läuft, dann vielleicht noch über beige reden und über Leute, die beige tragen. Statt dessen radle ich eilig nach Hause zu meiner sogenannten verwunschenen Romanze und komme gerade noch rechtzeitig zu meiner Sonntagsnachmittags-Melancholie, meiner chronischen.

(*) Rhododendron  duftet „zart bis stark“ (Wikipedia). Diese Eigenschaft kann allerdings durch Kreuzung verloren gehen.
(**) Gesehen am Vorabend auf YouTube. Link.

Sonntag, 6. Juni 2010

Distanz

Die Gedanken von gestern Vormittag: Nächster Schritt. Nichts losmachen, nichts inszenieren. Leben. Kein Spektakel. Nur das, was ist. Bewusstseinsstrom. Bewusstseinskomödie. Das Biest auf mich loslassen. Komödie auch vergessen. Tagebuch. Das reicht. Öffentliches Tagebuch. Heißt? - Ohne Veröffentlichen würde ich es nicht machen. Nie Tagebuch geführt, weil ich mir nicht wichtig genug dafür bin. Selbstverliebt schon. Sehr selbstverliebt. Doch am liebsten hab ich mich, wenn ich bescheiden bin und mich nicht so wichtig nehme. - Und veröffentlichen ist nicht sich wichtig nehmen? - Nein, das ist sich wichtig machen.

Ende der Gedanken 13 Uhr 15. Eintreffen des Gastes. Berlin-Besucherin. Alte Bekannte aus Heidelberg; wechselseitige Wertschätzung, haben uns immer loyal verhalten. Klar, komm doch vorbei. Verbringen wir den Nachmittag zusammen. Ich zeige Dir ein bisschen was. - Goltzstraße. Winterfeldmarkt. Café Einstein; Kaffeehaus-Garten; zweitfriedlichster Platz in der Stadt an einem sonnigen Tag. Fragen, Zuhören. Auch mal was sagen. Die vielen gemeinsamen Bekannten. Das hilft bei der Konversation. Irgendwann auf dem Weg zur Tauentzienstraße kriege ich keine kompletten Sätze mehr zustande. Die Bekannte ist auch erschöpft. Es ist alles erzählt. Gut war das mit der wiederbelebten Jugendliebe. Bernd. Sie damals 17, er 25. Jetzt sind sie wieder zusammen; sie 56, er 64.  Er verheiratet mit marokkanisch-französischem Ex-Model in Monte Carlo. Gemeinsamer Sohn Peter (13). Den Sohn liebt er. Doch das Ex-Model, das parasitär an ihm klebende, würde er am liebsten "ausknipsen". Ohne Hass. Einfach nur ausschalten aus seinem Leben. Er kann sie sich sowieso nicht mehr leisten; mehrere Insolvenzen, Geschäft weg, Vermögen weg. Gerade mal ein Haus in Südfrankreich ist ihm noch geblieben. –  Oh je. "Pass bloß auf, Ingrid, eines Tages wirst Du nicht nur ihn und seinen Sohn mit durchziehen müssen, sondern auch noch das Ex-Model in Monte Carlo alimentieren.“ – So drauf: „alimentieren“.

Wozu das nacherzählen? Überhaupt nacherzählen? - Nacherzählen kannst du woanders. Text hier soll Aktion sein. Siehe zum Beispiel „Vorhang“. Das Schreiben an Tess Vorbild für das Schreiben hier.

Zweiter Teil. Weiter Schreibregeln. Und F*. Als ich mit Ingrid aus dem Haus komme, steigt sie aus dem Auto aus. Guckt. Ich: Hallo, F*. – Sie: nichts. – Warum hat die jetzt nicht gegrüßt? – Der Typ sein, der sich den Rest des Tages damit befassen kann, warum die nicht Hallo gesagt hat. Nicht ununterbrochen. Nur immer wieder darauf zurückkommend. An einen Satz von Britta Steffen gedacht, den ich mal gelesen habe: "Wenn mich nur jemand schräg anguckt, bin ich sofort emotional angegriffen. Ich habe nicht wirklich Distanz zu Menschen." - Am Abend auf YouTube die 100 Meter Freistil von Britta Steffen bei den Olympischen Spielen in Peking noch mal angeschaut (ihre zweite Bahn!). Artikel mit dem Satz von ihr wieder gefunden. Text geplant mit Britta Steffen und das Schrägangegucktwerden, ihres. meines. - Und warum nicht gleich und gerade aus über mich? Wozu die Umschweife? Zu viel Feuilleton gelesen? Oder kein Vertrauen in mein eigenes Material beim Wichtigmachen? Geht das nicht, Sichwichtigmachen ohne Sichwichtignehmen?

F*. wohnt im sogenannten Gartenhaus. Vor drei Jahren hat sie sich mit dem Etagennachbarn zusammengetan. Ich habe das mitgekriegt und mich gefreut für die beiden. Nur jetzt guckt die F* mich auf einmal nicht mehr an. Als sie mir entgegen kommt mit dem neuen Freund, kneift sie die Augen zu, um nicht auf mich reagieren zu müssen. Geht vorbei, redet auf den Freund ein ("meine kleine Abgeordnete", schnappe ich auf), Blick starr geradeaus und Augen zugekniffen in dem Moment, als ich grüße. Der Freund grüßt zurück; er bemerkt, was sie macht; er weiß bestimmt, warum. Ich werde es nie erfahren. Denn bald darauf hat sie wieder geguckt und Hallo gesagt und die erste und eifrigste Mitleserin war sie bei meiner Liebeskorrespondenz mit der Contessa (siehe "Hack"). Darauf angesprochen wusste sie von nichts. Geschenkt. So sind sie eben. Wie sind sie? Was weiß ich. Was wollen sie? Das ist der Punkt. Warum fragen sie nicht, wenn sie etwas wissen wollen? Warum sagen sie es nicht, wenn ihnen was nicht passt? - Warum zeigst Du  mir Deine Feindseligkeit nicht offen, wenn Du eine hast? Und warum bist Du so neugierig, F*? Warum liest Du mein Zeug, wenn ich menschlich nicht Dein Fall bin? Und warum ist mir das nicht egal? Warum habe ich keine Distanz? 

Vorhang

„Liebkosen“. Das falsche Wort? Oder nur nicht verstanden, weil es ein altes Wort ist und weil es keine Entsprechung im Englischen dafür gibt?  Keine richtige, keine mit den gleichen Konnotationen. – „So dass Du nie wieder weggehen willst“. Der falsche Satz? Weil? Das nicht Umarmen mit Worten und Sätzen ist? Weil das nicht der gewünschte Stil der Romanze als Reality Show ist? Weil das ein schlecht organisierter und ausgeführter Anschlag auf die Autonomie Deiner Weiblichkeit ist? Anschlag auf Deinen Zauber? Zu platt?

Sprache: „Wir schaffen es einfach nicht, uns zu synchronisieren." Deine Versuche, meine Versuche, alle missglückt. Das Ergebnis ist unsere Romanze. Unsere verwunschene Romanze. Die Romanze ist das Nicht-Schaffen? Die Aufführung des Nicht-Schaffens?

Sprache: „Sich etwas oder jemanden aus dem Kopf schlagen.“

Nein. Dementi. Vorhänge offen. Fenster offen. Weit offen. Sie hat nur lange geschlafen. Wahrscheinlich erst im Morgengrauen ins Bett gekommen. - Ach, Tess.

Samstag, 5. Juni 2010

Elefanten

Witz:
... "Kennen sie den von dem Typ mit dem Ausschlag auf dem Arm? Er geht zu einem Hautarzt, und der sagt ihm: "Das ist wirklich ein böser Ausschlag! Da nehmen Sie mal dieses Puder hier." Das Puder hilft nicht. Er probiert Salben, Cremes, Spritzen, alles, aber der Ausschlag geht nicht weg. Wochen vergehen, und der Ausschlag wird immer schlimmer. "Das ist ein ganz schön hartnäckiger Ausschlag, schwer zu behandeln", sagt der Arzt. "Haben Sie eine Ahnung, wie Sie da drangekommen sind?" Der Typ sagt, er habe keinen blassen Dunst. "Vielleicht haben Sie ihn sich bei der Arbeit geholt", sagt der Arzt. "Übrigens, wo arbeiten Sie eigentlich?" - "Ich", sagt der Typ, "ich arbeite im Zirkus. Bei den Elefanten." - "Sehr interessant", sagt der Arzt. "Und was genau machen sie da?" - "Ich mache ihnen Einläufe - aber die Sache ist die, wenn man einem Elefanten ein ein Klistier verpassen will, dann muss man ihm den Arm in den Arsch schieben." - "Heureka!" sagt der Arzt. "Geben Sie ihren Job auf, und ich garantiere Ihnen, dass der Ausschlag auf Ihrem Arm verschwindet." - "Machen Sie sich nicht lächerlich", sagt der Typ, "das Showgeschäft gebe ich nie auf". 
Das ist aus dem Roman Saint Jack von Paul Theroux (deutsche Übersetzung 1981). Ich bin ein lausiger Witzeerzähler.  Ich lache immer vor der Pointe. Versemmle sie damit, erzähle sie noch mal, doch dann ist es schon zu spät und ich blicke in betretene Mienen. Mit diesem Witz habe ich mir immer besonders viel Mühe gegeben. Je öfter ich ihn erzählt habe, desto besser wurde er. Ich finde, meine Version war schließlich sogar besser als die Originalfassung von Paul Theroux. Trotzdem, jedes Mal die betretenen Mienen. Nur ein Mal hat jemand lachen müssen. Dick Jüngling war das. Der ist Maler, Kunstmaler. Der hat sich nicht mehr eingekriegt vor Lachen. Ich habe den Witz dann irgendwann vergessen. Neulich ist er mir nach vielen Jahren wieder eingefallen.

Freitag, 4. Juni 2010

Habenichtse

Mail an Muecke, seit gestern Facebook-Freundin. "Habe heute die Sprache eines Ministerialbeamten. Das kann ja noch was werden. Demnächst mehr, wenn die Wörter nicht aus Karton sind." - Ich versuche es trotzdem mal. Katharina Hacker. Artikel  über sie auf WeltOnline. Homestory. Home ist Schöneberg, "jener Teil des alten, gemütlichen Westens, in dem die 43-Jährige seit mehr als einem halben Dutzend Jahren wohnt". Geht es auch einfacher? Umrechnung ins Dezimalsystem. Sehe ich die hier nicht schon viel länger als über 6 Jahre? - Große Frau. "Gertenschlank". Offener langer Mantel. Rauchen auf der Straße. Begleiter. Das intensive Gespräch. Sie redet auf ihn ein. Anderer Eindruck: Schlichte dunkle Sportklamotten, Joggen im Volkspark, allein oder mit Begleiter - Die schreibt bestimmt, habe ich gedacht, als sie mir auffiel. Schriftstellerin oder Übersetzerin. 

2006 Deutscher Buchpreis für Katharina Hacker, Die Habenichtse. Habe ich gelesen. Leute in ihren Dreißigern, die in Mitte rum machenDer  Weg von Kreuzberg nach Schöneberg, den ich oft gehe. Wohnung in der Wartburgstraße! - Da habe ich die große gertenschlanke Frau paarmal gesehen. Ist sie Katharina Hacker? - Und in London hat sie auch gelebt? In Banker-Kreisen kennt sie sich aus? Erzählt in globalem Kontext? 9/11, Irak-Krieg. Die Gefühlsverwirrung ihrer Protagonistin, als sie dem Dealer-Proll Jim begegnet. So was denkt sie sich aus? - Bestätigung, dass ich richtig geraten habe, als Katharina Hacker mit Krach den Suhrkamp Verlag verlässt und in der FAZ darüber ein Artikel mit Foto erscheint. Neues Buch: Alix, Anton und die anderen. - Alix? 

Inzwischen sehe ich Frau Hacker mit zwei Kindern. Töchter. Beide in dick wattierten kurzen Anoraks. Leuchtend blau der eine, leuchtend gelb (oder war es rot?) der andere. Putzig aufgemachte kleine Mädchen. Aber wäre es nicht besser gewesen, sie in Mäntel zu packen bei der Eiseskälte des vergangenen Winters? - Jetzt fällt mir ein, die tragen noch Windeln, die Kinder, die sind schon warm eingepackt. Ästhetisch und praktisch denkende Mutter. 

Aus dem "Welt"-Artikel erfahre ich, dass die Mädchen Philippa und Anabel heißen und 4 und 2 sind, dass sie bei mir in der Straße in den Kinderladen Nusskasper gehen und dass es in Frau Hackers soeben erschienener Novelle (*) wieder so einen Bad Boy gibt wie in den Habenichtsen. Rüdiger. Das Vorbild zu ihm ist Frau Hacker in dem kleinen Park Wartburgstraße Ecke Gothaer Straße begegnet. "Ein Mann wie ein Messer", zitiert der Journalist die Autorin. "Halb noch im Kampfdress. Man könnte vor ihm Angst bekommen." - Die Frau Hacker, da hat sie es also mit gefährlichen Männern.

Habe mich immer gefragt, ob ich mit ihr mal ins Gespräch komme. Und worüber dann reden? - Vielleicht über das Wittgenstein-Zitat auf ihrer Website: "Halte Dich ungefähr hier auf!" Wittgenstein verstehe ich, aber das Zitat verstehe ich nicht. Oder nach neuestem Kenntnisstand lieber über Bad Boys reden? War nämlich auch mal einer. Gefühlsgangster. Der Höhepunkt war mit  28, 29, 30. Dann hat sich das dankbarste meiner Opfer um mich gekümmert und einen Menschen aus mir gemacht. Inzwischen kassiert das Leben bei mir Reparationen für die Missetaten. Aber keine Klagen, süße Tess. Wo wäre ich ohne Dich?

Ob sie das interessieren könnte, die Frau Hacker?  Das Bad-Boy-Thema in der Vorher/nachher-Variante. - Vorstellung: Statt einen Roman zu schreiben, zum Vorbild für einen Roman zu werden. Und dann Einfluss nehmen auf das Werk, es mitgestalten. Die sich souverän wähnende Autorin manipulieren. Wer zieht die Erzählfäden? Kampf darum. Selbst eine Geschichte schreiben, wie jemand einen Roman schreibt über mich. Die Autorin adaptiert mich, ich adaptiere sie. Und wer gewinnt, kriegt den Deutschen Buchpreis.  

Katharina Hacker, Die Erdbeeren von Antons Mutter

Donnerstag, 3. Juni 2010

Plan

Kalender meines Körpers. Februar: Formschwäche und Grippegefahr. - März: Bei zu viel Magensäure hilft Tagamed. – April/Mai: Hypochondrie. – Juni: Unbedingt mit dem Rauchen aufhören. – August: Dann rauche ich eben, wenn ich so dran hänge. – September: So viel Kraft wie noch nie. – Dezember: Neigung zum Rotwein-Missbrauch.

Rauchen reduzieren auf drei Zigaretten pro Tag oder ganz aufhören.  Mit 27 zu rauchen ist cool. Mit 57 immer noch zu rauchen ist unkultiviert, hirmlos, verkommen.  

Außerdem in Planung:
GEZ kündigen (das kann spannend werden nach allem was im Internet an Erfahrungsberichten zu lesen ist).
Vorsorgeuntersuchungen (Darm, Prostata).
Endlich meine Website starten.

Hindernis Website: Die Gestaltungsvorlagen vom Provider T-Onine, der mir die Domaine ein Jahr gratis gibt, sind so ungeil. Nicht zu ändern, da ich nicht zum Webdesigner werden will. – Website-Name sollte ursprünglich sein: Leben ohne Fernsehen. Achtung! Doppelsinn. Hm. Jetzt angedacht: Mit dem Biest-Schlüsselwort in Serie gehen. Das öffentliche Biest. Inhalt: Idee von Living Plots. Geschichten, die fortlaufend aktualisiert werden (update). Geschichten, die „in progress“ sind = an denen ich fortlaufend arbeite. Vorzugsweise recherchierte Geschichten. Ausprobierthema: Fernsehindustrie und mein Engagement da. Arbeitstitel: nackteukrainischenuttendieauftontaubenschiessen. - Gefährlichkeit solcher Ankündigungen: Wenn ich es erzählt habe, muss ich es nicht mehr machen. – Andersherum: Hinter sich ein Feuer anzünden. 

Schließlich und vor allem:
Die Contessa zum Reden bringen. – Dem Leben ein Geschäft anbieten? Wenn ich es schaffe, höre ich mit dem Rauchen auf. Versprochen, Leben. 

Mittwoch, 2. Juni 2010

Versöhnt

Wieder Licht. Es tut sich wieder was im Contessa-Zimmer. - War es das? Oder war es der Stimmungswechsel? Lange genug gegrollt. Genug Gift verspritzt.

Erinnerung an letztes Jahr um diese Zeit. Hallenbad. Als ich Dich zwei, drei Mal die Woche gesehen habe beim Frühschwimmen. Dienstag, Donnerstag, manchmal Mittwoch. Montags nie. Was sie wohl macht am Wochenende? Feiert sie da? Und am Montag ist sie dann völlig fertig und deshalb kommt sie nicht zum Schwimmen? Wie lebt sie? Hat sie einen Freund? Bestimmt  Oder eine Freundin? Könnte sein, aber eher nicht. Sie hat einen Freund. Was für einen? - Inzwischen weiß ich das alles. Wie Du Deine Wochenenden verbringst (mit Feiern eher nicht). Dass Du einen Freund oder "Mann" hast. Was was das für einer ist. Was für eine Art von Leben Du mit ihm führst. - Und mehr ist eigentlich nicht passiert. Nicht mehr, als dass ich Antworten auf meine Frage von damals bekommen habe. Und dass sie mir nicht alle gefallen haben, die Antworten? - Was konnte ich erwarten? - Und dass es schmerzhaft war, wie ich sie bekommen habe? - Was bin ich auch für ein Herzchen.

Und jetzt? Weiter wie bisher? - Das Schattenspiel einer Affäre - Oder endlich eine richtige Affäre? - Oder es einfach so machen wie ich es beim Schreiben in meinen besseren Momenten mache; Irgendwo anfangen und dann mit Neugier und, wenn es glückt, mit Leidenschaft drauflos, ohne zu fragen, wohin es führt, um vielleicht wohin zu kommen, wo ich noch nie war - wo wir beide noch nie waren.

Dienstag, 1. Juni 2010

Karma

Gestern noch Stephan angerufen. Weil es hier weiter gehen soll. Jetzt ohne Contessa. Ich kann es nicht ändern. Oder doch? - Stephan kenne ich von Sat 1. Jetzt ist er „geschäftsführender Produzent“  einer Firma mit nobler Kurfürstendamm-Adresse. Dort habe ich im April letzen Jahres mit ihm zusammen gesessen und über sein Projekt geredet. Titel: Die Inder kommen. Idee: Angela Merkel ist die Reinkarnation von irgendwem Indischen und dann kommen die Inder und es wird turbulent und komisch. Diese Blödel-Humor-Vorstellung von Komödie. – Und was soll ich dabei? - Die Frauencharaktere schreiben, die lebendigen, die ich kann. Ach, und das ist besonders witzig, es soll eine Task Force geben, eine Reinkarnations-Polizei oder so; die ist wie die Außerirdischen-Task-Force in Men in Black. Ob ich MIB kenne? - Ja. Aber so mache ich das nicht. Wenn ich das schreibe, dann ist das ohne Merkel und ohne MIB, weil es MIB schon gibt und Merkel ein Kalauer ist. Und: Ich bin so gut wie mittellos, ich arbeite nur für Geld. - Sicher. Nur, wenn ich mal zwei, drei Seiten schreiben könnte. - Ohne Geld? - Er muss was zu lesen habe, damit er beurteilen kann, was ich mir vorstelle. - Da ich gerne schreibe, schreibe ich ihm vier Seiten Ideenskizze für lau. - Jetzt kann er das allerdings nicht alleine entscheiden. - Er muss sich mit seinem Partner in der Geschäftsführung abstimmen? - Nein. Wir treffen uns in Dahlem da und da, Nähe U-Bahnhof Onkel Toms Hütte, in der Praxis von Astrid. - Praxis? Astrid? - Mit der zusammen hat er die Idee entwickelt, die hat ihn schon bei anderen Projekten beraten. Die ist gut. - Und sie ist ...? - Homöopathin.

Die Wohnblocks bei der Argentinischen Allee. Praxis im Erdgeschoss. Winzige Zimmer. Astrid. Reinkarnation. Karma. Ich habe mich eingelesen. Hätte ich lassen können. Es ist sowieso ganz anders und keine Zeit für ein Gespräch. Astrids Redebeiträge im Durchschnitt 30 Minuten lang. Ich denke über mein Karma nach. Was ist schief gelaufen, dass ich hier sitze? Ich muss mir schöpferisch und finanziell was Neues überlegen. Was soll ich machen? Wenn ich jetzt aussteige, bin ich gescheitert. Halte ich durch, schreibe ich eines Tages vielleicht doch noch den Film, den ich immer schon sehen wollte. Aber nicht mit Astrid als Dramaturgin und Stephan als "geschäftsführendem Produzenten". Ich muss hier raus! - Astrid ist gerade bei den 7 adoptierten Kindern, die sie großgezogen hat. Oder waren es 17? Auf jeden Fall ist aus allen was geworden, außer einem. Nichts zu machen. Und warum? – Warum? - Karma. – Ach so. 

Dann die Überraschung. Astrid gefällt meine Plotskizze. Stephan schluckt. Ihm hat sie anscheinend nicht gefallen. Aber da Astrid das Sagen hat, machen wir einen Exposé-Vertrag. 1500 vorneweg, 1500 bei Abnahme. Das ist Miete und Krankenversicherung für zwei Monate. Ich hänge mich rein. Ich halte den Termin ein. Und wo ist das Geld? - Erstes Telefonat: Da muss Stephan mal mit der Buchhaltung reden. – Zweites Telefonat: Da muss er mir sagen, dass er kein Geld hat im Moment, weil erwartete Zahlungen nicht eintreffen. – Ich: Ohne Geld kein Exposé. – Das versteht er. Respekt vor meiner "Konsequenz". Er meldet sich wieder, wenn Geld bei ihm geflossen ist. 

Mein Anruf gestern ist unser erster Kontakt seit einem Jahr. - Warum rufe ich Dich an, Stephan? – Jetzt müsste ich sagen: Weil ich diesen Blog schreibe und mir wegen unglücklicher Umstände, sehr unglücklicher Umstände, meine Protagonistin verloren gegangen ist. Deshalb habe ich mir überlegt, dass ich jetzt alle möglichen Leute, die ich so kenne, reinholen will in den Blog, zum Beispiel auch Leute, mit denen ich geschäftlich zu tun hatte. Was eigentlich eine gute Idee ist, Interviews mit Leuten zu machen, über die ich immer schon mal mehr wissen wollte oder mit denen ich noch was zu klären habe. Doch das will ich Stephan so nicht sagen, weil es  mir zu kompliziert erscheint  und er vielleicht auch nicht will, dass ich über ihn schreibe. Also murmele ich was von bizarren Erfahrungen, die ich zuletzt gemacht habe als Autor in der Branche und dass ich denen mal auf den Grund gehen will. - Stephan versteht und kann mir da nur eins empfehlen: mal zu Astrid zu gehen, die ich ja kennen gelernt habe. Die macht nämlich auch Lebensberatung. 25 Euro kostet ein Gespräch mit ihr. Ihm hat sie sehr geholfen damit. - Beschäftigt er sie denn immer noch als Dramaturgin?  - Ja, bei zwei Projekten. Später stellt sich heraus, er hat nur die zwei. Das eine ist eine Medizin-Serie, das andere das mir bekannte Inder-Projekt. Jetzt ist es übrigens wieder mit Merkel. Er findet den Pitch so gut (Pitch = Wurf = Plot in max. drei Sätzen erzählt). Er arbeitet daran jetzt mit einem schreibenden Regisseur zusammen. Der macht das für lau. - Mein Verhalten damals, wie fand er das? - Sowas ist ihm noch nicht passiert. - Dann lassen sich die Autoren sonst also bereitwillig von Dir ablinken? müsste ich fragen und tue es nicht. Denn es ist nicht er. Es ist die Position eines Autors (kleinen Autors) in der Branche. Es ist die Branche. Und der geht es nicht gut. Stephan lebt von seinen Reserven, sagt er. Vielen Produzenten geht es im Moment so, fügt er hinzu. Ich denke an meine Reserven. Ich werde melancholisch. Ich will das Gespräch beenden. Er redet immer weiter. Wie Stephan so redet, immer auf einem Ton und - tut mir leid, Stephan - mit der Wortwahl eines Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes. Ich kann jetzt nicht mehr. Ich wünsche ihm zweimal Alles Gute. Ich muß jetzt auch diesen Text beenden. Der ist schon viel zu lang. Und ich habe sowieso schon nichts zu lachen. 

Wäre ich heute Morgen nur der anderen Idee gefolgt. Dem Satz, dass ich in Affären nicht so gut bin. Vielleicht mache ich das morgen. Und vielleicht geht ja doch noch was mit der Contessa. Es muss ja nicht die vorgesehene Rolle sein. Ich kann Dir auch eine andere Rolle schreiben, Tess. Das habe ich Dir damals schon in meinem kleinen parfümierten Brief angeboten. Alles ist möglich. Wir müssen nur darüber reden.