Montag, 7. Januar 2013

Bei Penny


Der Nachbar aus dem Hinterhaus sieht aus wie ein Lateinlehrer und ist Fliesenleger. Heute weicht er auch bei meinem dritten Versuch, ihn zu begrüßen, so konsequent meinem Blick aus, dass ich einen vierten Versuch lieber lasse. Erst an der Kasse schaue ich mich noch mal nach ihm um. Weil ich ihm gerne Frohes Neues Jahr gewünscht hätte. Mehr nicht. Was hat er sich gedacht? Wovor glaubte er sich besser verkrümeln zu sollen?

Samstag, 5. Januar 2013

Keine Rettung


Die bitteren Einsichten kaum ausgehalten.
Den verdorbenen Magen kuriert.
Das bleiche alte Gesicht rasiert.
Die verblutete rote Jogginghose gewaschen.
Zum zweiten Mal den prolabierten Tumor in den Fingern gehabt und nicht in Panik ausgebrochen wie am Mittwoch, als ich vor Schreck über all das Blut den Rettungswagen gerufen habe.

Freitag, 4. Januar 2013

Misstrauen


Druckser, Trickster, wenn er es braucht, sicher auch ein Lügner, um sich oder mir das Leben damit einfacher zu machen und deswegen so seriös wie die dunkelgrüne klassisch gemusterte Seidenkrawatte, die er unter seinem offenen weißen Kittel trägt. Die Krawatte neu? Ein Weihnachtsgeschenk? Muss nicht sein. Krawatten wie die hat er noch viele andere im Schrank, selbst gekaufte wie geschenkte. Ich habe auch noch so eine Sammlung. In letzter Zeit habe ich ein paarmal an sie gedacht.

Trotzdem noch kein Vertrauen zu dem Mann. Aber schon mal danke für die vier Blutkonserven.

Dienstag, 1. Januar 2013

Anspielung


Der Regen nadelt auf das Dach meiner Wohnung. Danach nadelt der Regen auf meine fünfzehn Jahre alte Barbourjacke, während ich auf die Esso-Tankstelle in der Martin-Luther-Straße zugehe und merke, dass ich Humorversuche lieber weglassen sollte, und aufs neue Jahr werde ich auch nicht anspielen, nicht mal anspielen, weil mir dazu nichts einfällt.

Das Süßwarensortiment der Tankstelle ist kleiner als ich erwartet habe. Der Mann an der Kasse trägt ein rotes kurzarmiges Hemd und es ist vorstellbar, dass er mal wo gearbeitet, wo er an Sonn- und Feiertagen frei hatte. Nachdem er die drei Kunden vor mir bedient hat, sage ich:
Bei mir kann es es noch eine Weile dauern.
Warum?
Warum? Er hat tatsächlich, warum, gefragt, und in einem Ton, der keinen Zweifel daran lässt, wie er es meinte. Trotzdem frage ich entgeistert: Wie warum?
Na, wenn ich irgendwo hingehe, um was zu kaufen, dann weiß ich, was ich will, sagt er ruhig und sachlich.
Sie haben wohl gestern Nacht schlecht gefeiert, murmele ich.
Er hat es nicht verstanden. Ich wiederhole die Bemerkung nicht, weil ich merke, dass ich damit so distanzlos bin wie er zuvor mit seiner Belehrung. Wenn es eine war. Meine Bemerkung war auf jeden Fall dümmlich. Aber es war eine zwanglose Anspielung auf den Jahreswechsel. Die habe ich jetzt. Ich kaufe noch eine Packung Leibnizkekse Choco Vollmilch und eine Flasche Volvic. So wie der Mann mich bedient, ist völlig klar, dass er gar nicht daran dachte, mich zu belehren oder zu provozieren. Der Mann ist einfach so. Das ist seine persönliche Art, seinen Job zu machen hinter der Kasse an der Tankstelle.