Samstag, 31. Juli 2010

Flip Flops

Ungeschick. Zerbrochenes Glas. Das  Mum  Deo Ohne Parfum mit 50 % mehr Inhalt. Die sind jetzt auch auf den Fliesen verteilt. Beim Aufwischen auf die Splitter achtgeben. Alle Splitter einsammeln. Badezimmer, Barfüßigkeit: reingetreten und schon fließt Blut und ein Splitter steckt im Fuß.  Barfüßigkeit. Deine nackten Füße in Deinen Flip Flops. Schlanke Fesseln? Kräftige Fesseln? Schlanke kräftige Fesseln? Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Doch wenn ich sie wieder sehe, werde ich sie sofort erkennen, die Beine sowieso und die Fesseln und die Füße in den Flip Flops mit den schwarzen Schlaufen. Detail für einen Tagtraum. Ich achte gar nicht auf die Frau, die sich neben mich setzt. Ich schaue mich gerade im Theatersaal um. Freier Eintritt, freie Platzwahl. Gerenne um die besten Plätze in den vorderen Reihen. Die üblichen Streitfälle wegen der Leute, die neben sich Plätze besetzen. Winken. Kommt doch endlich her!  Viele jüngere Leute, ältere Leute,  die älteren Leute bürgerliche Leute. Mann mit herunterhängendem rechten Augenlid im italienischen Sommer-Sakko mit dem Muster eines Pyjama.  Ich lehne mich zurück, strecke die Beine aus und sehe die nackten Füße in den Flip Flops der Frau neben mir, die ich in diesem Moment erkenne, obwohl sie gerade den Kopf wegdreht und sich umschaut so wie ich es eben getan habe .… . So hätte ich den Tagtraum eingeführt, ausgemalt mit beobachteten Details wie dem Sommer-Sakko mit dem Pyjama-Muster. So dass in der Beschreibung nicht zu erkennen gewesen wäre, dass es ein Tagtraum ist. Erst, wenn ich das Spiel abbreche mit dem Satz: Ich kann nicht sagen, was wir nach dem Theater gemacht haben, nicht weil ich es lieber für mich behalten möchte, sondern weil es leider nicht so gewesen ist, dass die Tess in der Vorstellung war und plötzlich neben mir gesessen hat. Der Spaß am Spiel mit dem Tagtraum hätte den Kalauer gerechtfertigt. Auf das Spiel habe ich verzichten müssen, weil ich gar nicht in der Vorstellung gewesen bin. Zweimal nichts, das wäre zu viel gewesen. In die Vorstellung bin ich nicht reingekommen, weil vor mir schon mehr als 380 Leute in der Warteschlange standen am Bühneneingang auf der Rückseite des Schaubühnen-Gebäudes und mehr als 380 Leute konnten sie nicht rein lassen. Bestimmt doppelt so viele waren gekommen. Mit diesem Andrang hatte niemand gerechnet. Die Schaubühnen-Leute nicht. Wir nicht. Wir, wir sind alle Abonnenten des Schaubühnen-Newsletters, in dem zu der Generalprobe der Othello-Inszenierung von Thomas Ostermeier eingeladen worden war. Im Weggehen meinte einer, dass der Termin auch auf einer Website mit Kostenlos-Angeboten gestanden hat. Ja, dann! – Danach das Gefühl, jetzt habe ich frei. Was mache ich jetzt mit dem Abend? - Zu Hause später Licht gesehen im Contessa-Zimmer. An die Tess geschrieben. Ihr erzählt vom Stehen in der Schlange. Von den Leuten um mich herum. Vom Tagtraum, über den ich jetzt nicht schreiben kann, weil ich nicht reingekommen bin. Von meiner Erinnerung an sie mit Flip Flops. Die Sexiness von Frauen mit schönen Beinen im Sommer, wenn sie Flip Flops tragen. Die Schönste, die Anmutigste von allen wie immer Du, Tess. Das mit der Sexiness habe ich weg gelassen. Nie die Rede von Sex. Nicht mal in Andeutungen. Um Sex geht es nicht. Es geht nur darum, dass ich ihr schreibe und sie es liest und dass sie mir dann mit ihrem Licht zeigt, wenn es ihr gefallen hat. Gestern hat es ihr nicht gefallen. Mir auch nicht.

Freitag, 30. Juli 2010

Kunst

Hoffentlich denkt die Tess nicht, dass ich jetzt krampfhaft meinen Willensakt durchziehe, wenn sie heute und morgen Abend zu mir rüber blickt und sieht, dass es bei mir dunkel ist, weil ich entgegen meiner Gewohnheit den Abend nicht zu Hause verbringe, um ihr nahe zu sein.  Dass ich heute und morgen Abend nicht zu Hause sein werde, hat nämlich nichts zu tun mit meinem Rückzug aus dem Gegenüber-Szenario, den ich ihr gestern Abend, sozusagen mit separater Post, noch mal erklärt habe. Heute Abend schaue ich mir, wie schon seit zwei Wochen geplant, eine öffentliche Durchlaufprobe an der Schaubühne an (Othello). Und morgen Abend werde ich einen Freund  treffen, wenn es klappt. Sicher bin ich mir da nicht, weil es bereits unser dritter Versuch innerhalb eines Vierteljahres ist und daher nicht auszuschließen, dass wir einen weiteren Fehlversuch brauchen, um endlich zu einer Aussprache darüber zu kommen, warum wir uns so schwer tun damit, eine Verabredung zustande zu bringen. Die Verabredung zu dieser Aussprache wird uns bestimmt mühelos gelingen, weil es dann nicht mehr darum gehen wird, ob wir uns bei ihm in der Nähe oder bei mir in der Nähe treffen werden und mit welchem Erlebnisprogramm und Essengehen da oder dort das Treffen verknüpft sein soll, sondern darum, etwas zu besprechen und uns bei dieser Gelegenheit mal wieder auszutauschen. Was uns zurück versetzen wird in die Anfänge unserer Freundschaft vor drei Jahrzehnten, als er noch nicht beherrscht war vom starren Materialismus des Fun und des Fressens und ich noch nicht beherrscht war vom starrsinnigen Beharren auf Formlosigkeit, Spontaneität und Flexibilität, sondern einfach nur spontan und flexibel war, auch in meiner Anpassung an die Eigenarten von anderen, insbesondere von Freunden. ++++++  Woody Allen hat jetzt eine eigene Website.  Die ist in zweifacher Hinsicht enttäuschend für einen Woody-Allen-Fan, wie ich einer bin. Erste Enttäuschung: Es ist letztlich nur eine Werbung für Audio-Versionen der Bücher von Woody Allen. Als solche ist die Website allerdings sehr gut gemacht. In einem Schaufenster werden Zitate aus den Schriften von Woody-Allen eingeblendet und gleichzeitig hört man, wie er die Texte vorliest. Die angenehm minimalistische Präsentation führt dann jedoch schnell zur zweiten Enttäuschung: Durch die rasche Aufeinanderfolge der Pointen kriegt man nämlich mit, wie die Witzigkeit funktioniert – man kann der Witzigkeit sozusagen bei der Arbeit zusehen und bemerkt dabei, was für eine eintönige Art von Arbeit das ist. Klipp-Klapp-Klipp-Klapp. Ich habe dann gar nicht mehr lachen müssen und mir nur gedacht, was für eine Erleichterung des Lebens es ist, wenn man nicht gezwungen ist witzig zu sein. ++++++ Auf WeltOnline steht heute ein  Kommentar  zur Entscheidung eines spanischen Regional-Parlaments, den Stierkampf zu verbieten. Der Autor  gibt darin einen Text von Ernest Hemingway aus dem Jahr 1932 wieder. Ich fand den Text so großartig, als ich ihn heute Morgen las, dass ich ihn hier auch wiedergeben möchte:
Der Stierkampf ist die einzige Kunst, in der sich der Künstler in Lebensgefahr befindet und in der das Maß an Brillanz bei der Ausführung von seinem Ehrbegriff abhängt. In Spanien hat die Ehre eine sehr starke Realität. Der Ausdruck pundonor bedeutet Ehre, Rechtschaffenheit, Mut, Selbstachtung und Stolz in einem Wort. (...) Es ist eine Frage von pundonor , keine Feigheit zu zeigen. Wenn die einmal gezeigt worden ist, wirklich und unmissverständlich gezeigt, ist die Ehre verloren, und dann kann ein Stierkämpfer rein zynische Vorführungen geben, bei denen er seine Bemühungen dosiert und nur sich selbst in Gefahr bringt, wenn es eine finanzielle Notwendigkeit ist, um sein Ansehen zu steigern und Kontrakte zu bekommen. Man rechnet nicht damit, dass ein Stierkämpfer immer gut ist, nur damit, dass er sein Bestes tut. (...) Man rechnet damit, dass er manchmal nicht auf der Höhe ist, aber man rechnet damit, dass er mit dem gegebenen Stier sein Bestmögliches hergibt. Aber wenn er erst einmal seine Ehre verloren hat, kann man nicht sicher sein, dass er sein Bestes geben wird oder dass er überhaupt irgendetwas tun wird, außer, dass er dem Buchstaben nach seiner Verpflichtung nachkommt, indem er den Stier so gefahrlos, langweilig und ehrlich tötet, wie es geht. Wenn er seine Ehre eingebüßt hat, erfüllt er gerade nur noch seine Kontrakte.
Der Text ist aus Hemingway´s Der Tod am Nachmittag. Und ich bin kein Fan von Stierkämpfen. (Wird noch überarbeitet)

Donnerstag, 29. Juli 2010

Schattenspiel

Gesehen, was ich mit dem Text von gestern  gemacht habe? – Es ging um Vorgänge im Contessa-Zimmer: Dass die Tess seit etwa 14 Tagen im Contessa-Zimmer zu übernachten scheint und nicht im hinteren Teil der Wohnung bei ihrem Mann. Die Zeichensprache der geschlossenen, der geöffneten oder der halbgeöffneten Vorhänge. Die Variationen des Fensters.  Das subtile Zeichen auf Alles gut/Nicht gut. Die Möglichkeit, nein,  meine Überzeugung, dass der Mann der Tess, der jetzt Semesterferien hat und Zeit dazu, dass der die Zeichen verändert, wenn die Tess aus dem Haus ist. Um mich zu irritieren, um „Zwietracht zu säen“ zwischen ihr und mir. Dieser ganze Blödsinn des Gegenüber-Szenarios. Blödsinn nicht nur, dass der das gemacht hat, auf jeden Fall gemacht haben könnte, weil er es nämlich  schon mal gemacht hat, sondern alleine schon der Blödsinn, dass ich denke, dass er es gemacht hat, egal ob es zutrifft oder nicht; dass ich mich damit beschäftige und mir überlege, was ist das für ein Mann,  dass er auf diese Art sich behauptet in einer Rivalität um eine Frau;  dass ihm nichts Besseres einfällt und dass ich erst ganz zuletzt auf die Frage an mich  komme: Was soll er denn sonst machen? Bei mir läuten und mir eine aufs Maul hauen, wenn ich ihm die Tür öffne? – Text von gestern. Text darüber. Schon im Bett gelegen, kurz vor dem Einschlafen fällt mir ein Schnitzer auf: „wenn sie ein Zeichen setzt, dann steht es“;  gemeint, „dann gilt es“. Und dann war auch noch was mit einem „Wolkenstore“, was überhaupt nicht gestimmt hat. Aufgestanden. Korrigiert. Den Text noch mal durchgelesen und mich gesehen darin wie in einem Spiegel. Den Text auf einmal gelesen als Teil des Blödsinns und des Elends, das er beschreibt. Blödsinn und Elend des Gegenüber-Szenarios: was sich abspielt zwischen meiner Dachwohnung und der Dachwohnung auf der anderen Seite der Straße. Bühne der schattenspielartigen Affäre. Bühne von Imaginärem, schlecht Imaginärem. – Heute Morgen den Text gelöscht. Konnte mir gar nicht schnell genug gehen vom Schwimmen nach Hause zu kommen, um den Text zu löschen. – Warum gelöscht? Warum ihn nicht stehen lassen als Dokument? Dokument von was? Des Blödsinns und des Elends, das aufhören, bitte aufhören soll? - Deshalb den Text gelöscht, weil es aufhören soll. Heute. Sofort. Weil ich nicht mehr länger der Mann sein will, der diese schattenspielartige Affäre hat und darüber schreibt. Nicht aus Eitelkeit nicht mehr sein will.  Sondern aus Widerwillen. Es geht nicht mehr. Es ging eigentlich schon gestern nicht mehr, als ich den Text schrieb. Letztlich an die Tess: was ich wahrnehme von da drüben, wie ich es verstehe, und Mitteilung auch: Hey Tess, Dein Mann manipuliert Deine Zeichen! - Es ging schon gestern nicht mehr, nur hab ich mir da meinen Widerwillen noch nicht eingestanden und habe so getan, als könnte ich mich weiter mit der Tess auf dieser Bühne bewegen - nur der Mann soll sich doch bitte ein besseres Skript besorgen oder von der Bühne verschwinden.  Habe einen Anschein aufrechterhalten für die Tess. Weiter in der Hoffnung, irgendwann vom Imaginären zu einer  Realität zu kommen. Von der schattenspielartigen Affäre zu einer realen oder einer anderen Art der realen Begegnung . Doch so geht das nicht.  Das Imaginäre dreht sich im Kreis.  Es wird sich immer weiter im Kreis drehen. Immer neurotischer und verzweifelter. Endlos. Es ist ein Blödsinn und ein Elend.  Es ist nicht mehr auszuhalten. Deshalb den Text von gestern gelöscht.   Mein Zeichen.  Alles, Tess, aber keine schattenspielartige Affäre mehr. Realität.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Dienstag, 27. Juli 2010

Laden

Was ist eigentlich mit dem Schicksenplot? Jüdische Komödie. Kontaktaufnahme zu zwei jüdischen Regisseuren. Auch schon wieder zwei Monate her. Dani Levy. Vor drei Wochen mal auf der Straße getroffen. Er erinnert sich noch gut an mein Exposé und verspricht es zu lesen, ganz bestimmt; wenn er auch die anderen Sachen liest, die sich bei ihm stapeln. Verstehe.  -  Letzte Woche  Anruf bei meiner Agentur. Die kümmern sich um den anderen Kontakt.  Dror Zahavi. Doch deswegen rufe ich nicht an. Zur Not ist mein Agent nämlich auch mein Anwalt.  Deshalb rufe ich an. Rechtsauskunft. Nebenbei dann doch über die Kontaktaufnahme geredet. Keine Reaktion bis jetzt, sagt der Agent. Vielleicht mal nachfragen? sage ich.  Agent fragt nach. Ergebnis: Dror Zahavi hat  Interesse. Ach, wie kommt das denn?  Ich soll ihn mal anrufen. Heute. Die Schickse und mein Prinz.  Screwball Comedy und Familienkomödie und jüdisches Leben, gegenwärtiges, in Berlin. – Worum es geht, wird er mich fragen. Worum es mir geht dabei?  Warum ich es unbedingt machen will? Manchmal kommt  auch noch die Frage nach der “Aussage”.  Aber nicht von Profis wie ihm.  – Worum geht es? Es geht darum, dass mir da  vier  Frauencharaktere gelungen sind, so lebendig, dass die in einem fortgeschrittenen Stadium der Arbeit  Sachen gemacht und Sätze gesagt haben, auf die ich selbst nie gekommen wäre. Aber so kann ich es dem Dror Zahavi nicht sagen. Also werde ich sagen, es geht um drei  jüdische Frauen aus drei Generationen, Großmutter (Edith), Mutter (Liliane), Tochter (Perle), und darum, wie die ihre Jüdischkeit verstehen und behaupten in einem Konflikt. der entsteht, als der Sohn der Mutter (Daniel) sich in eine nicht-jüdische Frau (die Schickse Maren) verliebt. Die Schickse ist zum Äußersten entschlossen, sogar dazu, jüdisch zu werden, also zu konvertieren. Während die Mutter alles daran setzt, die Schickse zu vertreiben, und sich dabei in einen solchen Extremismus verrennt, dass es so aussieht, als handele es sich bei ihr um einen Fall von jüdischem Talibanismus. Doch so einfach ist es nicht, und dass es nicht so einfach ist, das ist die Komödie und stellenweise  zum Weinen und stellenweise zum Lachen. Ach so, und unbedingt machen will ich das, weil ich Edith, Liliane, Perle und Maren auf einer Leinwand sehen will, zur Not tut es auch ein TV-Bildschirm.  Anruf bei Dror Zahavi. Angenehmer Umgangston. Er erinnert sich an den Stoff und an sein Interesse. Doch neben dieser Geschichte hätte ich ja wohl  noch nicht so viel gemacht.  - Oh doch, einiges, erwidere ich, wenn auch nicht sehr erfolgreich. Auftragsarbeiten. Zum Beispiel für Sat 1. Mit meinen eigenen Sachen konnte ich mich nicht so durchsetzen. (Warum eigentlich nicht?  Egal.). Der Schicksenplot war auch Auftragsarbeit. Erst Serien-Konzept. Dann auf meine Initiative hin umgearbeitet zu einem  90Minüter und der ist jetzt ganz mein Ding und das Beste, was ich je geschrieben habe. -  Ich nähere mich meinem gedanklich vorbereiteten Pitch mit den vier Frauen, den drei jüdischen, von denen jede auf ihre Art ihre  Jüdischkeit behauptet, und der Schickse, die das auch  tut, indem sie aus Liebe jüdisch werden will.  Doch dazu kommt es nicht, dass ich darüber spreche. – Dror Zahavi: Er hat die zwei Seiten gelesen und …  . Ich:  Zwei Seiten? – Er bestätigt, zwei Seiten. – Dann hat er ja nur den Teaser gelesen.  Dann hat er das Beste noch vor sich. Das 18seitige Exposé, das sehr dicht und sehr lebendig geschrieben ist. Das ist wie ein Drehbuch; wenn Sie das lesen, sehen Sie schon den fertigen Film. – Ich rede, wie mein Agent reden sollte. Und so geschäftsmäßig verabschiede ich mich auch.  Mail mit dem Exposé schicke ich gleich ab. Bin gespannt, was er dazu sagen wird. Freue mich auf seinen Rückruf  und auf ein Treffen in der nächsten Woche.  Und wie gut, dass wir  uns schon mal kennengelernt haben und miteinander reden konnten. -  Er  unterdessen  immer zurückhaltender. Und danach hat er sich bestimmt gewundert, warum ich so wenig erfolgreich war bisher, wo  ich doch so ein aalglatter Verkäufer bin. – Vielleicht eben deswegen? – Nein. Bin sonst nicht so. War ich nur heute, weil mir die Rolle so gut gefallen hat  und weil sich mal wieder jemand in meinen verträumten kleinen Schreibladen verlaufen hatte.

Montag, 26. Juli 2010

gut/böse

Nachdem ich lange an dem Post von gestern gesessen hatte, um ihn lesbar zu machen, am späten Abend noch kurz an Tess geschrieben.  Verbitterung. Kalte Wut:  “Jetzt  warte ich nur noch darauf, dass es mir nicht mehr weh tut, wenn ich an Dich denke.  Und dann ist alles, was von Dir bleiben wird, eine Vorstellung zu einer Dramenfigur namens Cinderella, und wenn es das Drama am Ende doch nicht geben wird, dann ist es auch gut.”  Folgt Klage darüber, wie sie mit mir umgeht und schließlich: “An wen bin ich da nur geraten!  Bist Du einfach so oder gibst Du mir nur die Scheiße zu fressen, die Du selber fressen musstest und immer weiter fressen musst,  Andrea Mulder?” Ende. Nicht wie sonst  “Gute Nacht, Contessa” oder “Schlaf gut, Tess”. Hätte nicht gepasst.  Dafür sie zum ersten Mal mit ihrem richtigen Namen angeredet. Ihren Namen hingeschrieben, als würde ich ihn ihr vor die Füße spucken.  -  Heute  Früh habe ich es immer noch nicht bereut. Verwundert über mich selbst habe ich mich nach meinen Gefühlen für sie umgeschaut. Nichts. Nur die Einsicht:  Wenn ich meine Liebe zur Tess verliere, dann verliere ich das Beste, das Schönste, das Wertvollste, das es gibt in meinem Leben. Einsicht.  Kein Gefühl.  Wenn es weg ist, das Gefühl, werde ich daran so wenig ändern können, wie ich an dem Schmerz ändern konnte, als ich es noch hatte. Der Schmerz wird dann weg sein. Immerhin.  Später den Nachmittag noch mal erinnert (“den Scheißnachmittag und Du hattest die Hauptrolle darin”).  Was, wenn ich ihr Unrecht tue? Wenn es nicht stimmt, was ich mir vorgestellt habe gestern – dass sie es so will, wie es ist. und nicht anders ? Wenn ich in meiner Enttäuschung gestern nur von einer Übertreibung in die nächste verfallen bin?  - Freitag: Tess in Not. Sonntag: boshafte, grausame Tess. Gute Tess/böse Tess.  Kindisch. Dumm.  Was habe ich denn  gesehen? Wie hat sie sich verhalten?  Was ist,  wenn sie sich ihr Verhalten nicht aussuchen konnte?  Die Wahrnehmungen von gestern Nachmittag neu sortiert. Alles noch mal betrachtet.  Ohne das Drängen des Wunsches. Ohne Enttäuschtsein.  Unaufgeregt. Nur drauf geguckt.  Und auf einmal verstanden. Plötzlich alles verstanden (mit Absicht mal keine Details). – Und nun?  Reue wegen des Wutausbruchs? - Nerven verloren. Wann, wenn nicht an einem Abend wie gestern? Sie wird das verstehen. Sie ist so, dass sie es versteht. Das weiß ich. Deshalb auch die Sehnsucht nach ihr, weil sie so ist. Deshalb der Wunsch, dass sie endlich da ist.  - Und jetzt wieder gute Tess? – Weiß ich nicht. Jedenfalls nicht böse Tess.  Geliebte Tess.  - Anmerkung:  Andrea  Mulder ist ein erfundener Name. Den wirklichen Namen von Tess würde ich auch in der größten Wut hier nicht preisgeben.

Sonntag, 25. Juli 2010

Telefonieren

Drüben sitzt die Tess auf der Veranda und sonnt sich. Soll ich sie anrufen? – Wenn ihr Mann dran ist, weiß ich gar nicht, nach wem ich fragen soll: Kann ich Ihre Frau sprechen? Oder Ihre Freundín?  Und wenn sie selbst dran ist, dann ist es auch nicht so einfach: Hallo, Tess!  Oder keine Anrede. Lieber gleich von mir reden: Hallo! Wolfgang Gensheimer. Ich wohne gegenüber von Dir. Weißt Du, wer ich bin? Oder mich lieber weiter erklären? Keine Frage. -  Wenn sie  sagt, dass sie nicht weiß, wer ich bin, dann habe ich schon verloren. Dann verstellt sie sich wieder, so wie sie sich damals verstellt hat. als ich meinen kleinen parfürmierten Brief abgeben wollte, und sie mich so überzeugend nicht gekannt hat, dass ich sie auch nicht erkannt habe. . – Inzwischen  habe ich eine Zigarette geraucht in der Küche vor dem offenen Fenster.  Anschließend habe ich nachgeschaut,  ob sie noch auf der Veranda sitzt. Nein. Jetzt steht sie im Wohnzimmer vor einem Spiegel  oder auch nur vor der Wand und macht irgendetwas Tessiges; als solches leicht daran zu erkennen, dass ich es mir nicht erklären kann, was sie da treibt.  Jetzt rufe ich sie an.  Zum vierten Mal in den letzten drei Tagen. Wieder ist der Anrufbeantworter dran. Wieder nimmt sie nicht ab.  Wie schon am Freitagabend, als ich sie  auch im Wohnzimmer gesehen habe und sie auch nicht dran ging. Will sie nicht? Darf sie nicht? Oder kann sie nicht, weil sie das mit ihrem Mann so abgesprochen hat?  Schattenspielartige Affäre mit mir, ja. Ich schreibe ihr, sie liest es. sie antwortet mit ihrem Licht und ihren anderen Zeichen. Sich bewundern lassen von mir, ja. Mehr jedoch  nicht. Kein Treffen. Kein realer Kontakt. Virtualität.  Spiel. Nur ein Spiel.  Schattenspielartige Affäre. Vielleicht hat ihr Mann  sie  gar  nicht gezwungen dazu, an der Demonstration am Donnerstag teilzunehmen. .Am Ende wollte sie das sogar selbst, mir die Grenze zu zeigen. Als ich am Donnerstagabend an sie schrieb, habe ich ihre Reaktion zwar anders verstanden. Doch die Reaktion da, das waren Lichtzeichen. Die Reaktion eben hingegen, das war ein Anrufbeantworter und dass sie nicht ans Telefon gegangen ist, obwohl sie da war, und am Freitagabend ist sie auch nicht rangegangen, obwohl sie da war.  Kann natürlich auch sein, dass ihr Mann zu Hause  ist. Kann sein, dass er auch am Freitagabend zu Hause war. Dass sie deshalb nicht rangehen konnte, obwohl sie es gerne getan hätte. So geht das, seit es geht. Es bleibt immer ein Rest von Ungewissheit. Gerade genug, um nicht aufzugeben. Rüber gehen könnte ich noch und läuten, am besten es so anstellen, dass ich irgendwie in das Haus komme, und wenn ich läute, gleich vor der Wohnungstür stehe. Weil ihr Mann rechnet ja damit, dass ich demnächst bei ihnen läute. - Das ist übrigens die Ausgangssituation des Dreipersonenstücks: Dass ein Charakter namens Biest läutet an der Wohnungstür von der Frau, mit der er eine schattenspielartige Affäre hat. wie ich sie habe mit der Tess, und dass er dann auf ihren Mann trifft und sagt, dass er seine Frau sprechen will.  - Warum? – Weil ich seit vielen Monaten eine schattenspielartige Affäre mit ihr habe und sie nun endlich kennenlernen will. – Obwohl ich ein paar brauchbare Einfälle dafür  hatte, was sich daraus dann entwickelt, habe ich das Stück verworfen.  Erstens, weil die Tess darin immer mehr zu Madame Bovary wurde. Zweitens, weil die Konfrontation zwischen dem Mann und dem Biest sich verselbständigt hat in einer Weise, dass es mich nicht mehr interessiert hat, weil der Mann mich nicht interessiert. Nach dem Ereignissen der vergangenen Woche frage ich mich allerdings, ob ich es noch mal versuchen soll mit dem Stück. Mit der Frau jetzt nicht mehr als Madame Bovary (wie langweilig), sondern, wie  sich am Dienstag  ergeben hat, als Cinderella (wie zauberhaft, wie tessig!). Und wenn es mir dann noch gelingt, die Donnerstagsdemonstration als Verhalten des Manns  in das Stück umzusetzen, dann habe ich endlich auch einen Antagonisten, mit dem es Spaß machen könnte. Wie heißt der Mann? Professor. Der ist und heißt wie im ersten Wurf Professor. Drei Personen:  Das alte Biest, kurz Biest, Cinderella, und der Professor.  Hey! -  Das noch: Etwas haben die vier Anrufe beim  Anrufbeantworter schon gebracht. Ich weiß jetzt, wie die Tess wirklich heißt. Neu ist mir der Name nicht. Denn er steht auch an der Klingel. Doch weil es ein deutscher Name ist, habe ich immer angenommen, das sei der Name der Frau, die früher in der Wohnung gewohnt hat und vielleicht immer noch die Besitzerin oder die Mit-Besitzerin ist. Nun wird aber auf dem AB gesagt, dass XY und XX leider nicht zu Hause sind, sich aber über den Anruf freuen und gerne zurückrufen.  Und da ist wohl anzunehmen, dass der Name von XX der Name von der Tess ist. Was ein komischer Zufall wäre, wenn es zutrifft. Der Vorname ist nämlich der gleiche Vorname wie der Vorname einer sehr guten  Ex-Freundin von mir und der Nachname ist der gleiche Nachname wie der Nachname von jemand  in Heidelberg. der ein wichtiger Gesprächspartner und ein Fast-Freund von mir war. Ich habe den Namen mal gegoogelt. Er kommt tatsächlich auch in den USA vor. Wenn es zutrifft, weiß ich nach mehr als 1 1/2 Jahren nun endlich wie sie heißt. Es ist allerdings nicht so, dass mich das in Euphorie versetzt.
Und ich werde sie auch weiterhin Tess nennen und sie auch so anreden, wenn ich jemals die Gelegenheit haben sollte sie anzureden.

Samstag, 24. Juli 2010

Matthäus

Denkpause. Morgenlektüre. Lothar Matthäus (49). Die Frau ist ihm davon gelaufen. Der Neue ist ein italienischer Geschäftsmann. Knutsch-Fotos von Liliana (22) im Bikini mit dem Geschäftsmann in Badehose am Dienstag in der Bild.  Heute stellt die Bildzeitung die Frage:  Lothar Matthäus: Weltstar oder Witzfigur? -  Oh je, sie werden doch nicht!  Wo er doch immer so gut mit ihnen zusammengearbeitet hat.  Artikel beginnt mit Zitat Matthäus:  „Wenn ich liebe, dann mit Haut und Haar. So wie damals auf dem Spielfeld: Wenn ich am Ball bin, nehme ich keine Rücksicht auf Gegner oder Mitspieler, sondern ich will den Sieg.”  Autsch! Sie wollen ihn vorführen. Matthäus “gehörnt”.  Vierte Ehe vorbei. Seine Erfolge auch schon länger her.  Sein Weltstar-Ruhm “verblasst”. – Doch dann Entwarnung; sie sind illoyal gegenüber ihrem langjährigen inoffiziellen Mitarbeiter:  “ `Loddar` ist alles andere als eine Witzfigur.” – Nur: “Warum greift er immer wieder nach den  falschen Frauen? …   Warum wird einer, dem beruflich doch eigentlich alles gelungen ist,  mit so viel Häme und Spott überschüttet?” –  Warum es mit den Frauen bei ihm nicht klappt, können sie auch nicht sagen.  Romantisch ist er. Und zurückhaltend; erster Kuss mit Liliana erst nach vier Wochen.  Außerdem ist er  “besitzergreifend”  und ein “Ordnungsfreak”;  “Wäsche ist nach Farben sortiert” (ist doch putzig ), “im Hotelzimmer stellt er Möbel um” (das kann allerdings anstrengend sein).  Und er heiratet immer gleich. Vielleicht ist das der Grund, dass er immer gleich heiratet, denke ich. – Zweite Frage: Häme und Spott? Und warum einer wie der dämliche Klinsmann Bundestrainer wird und Bayern-Trainer, Lothar Matthäus hingegen trainiert Mannschaften in Serbien und Israel. – Darauf gibt es nun eine ganz klare Antwort:  “Inzwischen ist er erwachsen genug zu wissen, dass dies zum Teil seine eigene Schuld ist: Er ist so offen und ehrlich (auch mit Privatem), dass es wehtut. Ihm selbst am meisten. Deshalb traut sich kein Bundesliga-Verein an ihn heran.”  - Und was macht man da? Was empfehlen sie? Soll er aufhören so offen und ehrlich zu sein (auch im Privaten), dass es wehtut? Das würde mich jetzt auch mal ganz persönlich interessieren, was sie zu so einem Fall meinen. Doch sie wissen es nicht. Sie weichen aus. Ins Melodram:  Er sucht Bestätigung. Wenn er sie  nicht findet auf dem Platz , dann wenigstens an der Seite schöner Frauen. Und wenn es schief geht, sagt er: “Die Liebe ist doch keine Glühbirne, die man einfach so ausknipsen kann.” Liliana aber schon. Sie “hat ihn brutal vom Platz gefegt.  Blutgrätsche ins Herz. Sie braucht ihn nicht mehr.” Schlimm. Blutgrätsche ins Herz. 

Freitag, 23. Juli 2010

Demonstration

Bild des Tages. Am Bayrischen Platz. Die Grünanlage gegenüber der U-Bahnstation. Der Rasen ist an mehreren Stellen großflächig aufgerissen. Wie gepflügt. Und überall die fetten Krähen, die in der Erde picken und fette Regenwürmer herausziehen. Kann das sein, dass die Krähen mit ihren Schnäbeln die Grasfläche aufgerissen haben? Die rauchende Taxifahrerin am Taxistand weiß es auch nicht und ist genau so fasziniert von der Abgefahrenheit der Szenerie wie ich. Fehlt nur noch ein Galgen in der Mitte der Grünanlage. Und wen hängen wir da dran? Vielleicht den Mann in meinem Alter,  der gerade vorbei kommt? Abschießen, alle abschießen will er sie, die  Krähen. - Beim  Weitergehen: Halt mir deine Schusswaffe an den Kopf und du hast ein Gespräch. Um es zu beenden, musst du schon abdrücken, wenn deine Waffe überhaupt geladen ist; wenn Du mich nicht nur einschüchtern willst, was bei mir nicht funktioniert, weil wenn sterben, was sowieso passieren wird, dann am liebsten durch Erschießen. Das nur, um mal zu umreißen, worin es in dem Gespräch gehen würde, das du hättest, wenn du mir eine Schusswaffe gegen die Schläfe drückst oder gegen die Nasenwurzel. –  Beispiel, um zu illustrieren, was passiert, wenn man mir etwas vor Augen führen will. Was dann sofort passiert mit der Eindeutigkeit. Dass die davon flattert in einem Schwarm von Aspekten, Fragen und Zweifeln. Wie geschehen gestern Früh. Nein, nicht bei dem Spiel mit dem Omen der unisono Gesundheit wünschenden jungen Russen. Sondern danach, als ich keine halbe Stunde später schon die Antwort bekam auf die Frage nach der Bedeutung des Vorzeichens: dass das nichts werden wird mit dem Glück und der Erfüllung meiner Wünsche an diesem Tag. Gestern schon geschrieben über die Szene, die sich ereignete, als ich zu Hause ankam mit dem Fahrrad. Im gelöschten Text von gestern bezeichnet als Demonstration. Demonstration gegen mein angekündigtes Vorhaben, am Abend die Tess anzurufen. Gelöscht den Text, weil ich mich in Andeutungen verstiegen habe. Andeutungen nur, aus Taktgefühl. Gegenüber den beiden Demonstrationsteilnehmern. Tess und ihrem Mann. Taktgefühl vor allem gegenüber Tess. Wenn sie es überhaupt war. Damit geht es schon mal los. Schon wieder los mit der Verwirrung. Auch ein Grund, warum sich alles in mir sträubt, darüber zu schreiben. Denn wenn sie es war, was lässt sie da mit sich machen? – Wenn ihr Mann mir zeigen wollte, dass er da ist und nicht weit weg gerade, wie ich vermutet hatte, am liebsten für lange Zeit weg und am allerliebsten für immer. Wenn er mir zeigen will, dass ich mich getäuscht habe, warum muss er dann die Tess mitschleifen bei seiner Demonstration? Hätte doch völlig gereicht, wenn er sich zeigt. Verstanden und gut. Und warum lässt die Tess das mit sich machen, sich da vorführen wie ein Kalb am Kälberstrick? – Erst war ich amüsiert von der Demonstration und beeindruckt, weil es auch so gut gemacht war. Vor allem das präzise Timing. Ich komme angefahren und just in dem Moment kommen die Tess und ihr Mann aus dem Haus gegenüber und gehen gefolgt von meinem Blick zusammen die Straße hoch, wahrscheinlich zur  U-Bahn. Amüsiert. Beeindruckt. Doch dann das kalte Grausen, das an mir hochgekrochen ist bei dem Gedanken, dass der die dazu genötigt hat, da mitzukommen, um mir die eheliche oder sonst wie lebenspartnerliche Einheitsfront der beiden zu demonstrieren. Wo sie doch am Vorabend alles getan hat mit ihren Zeichen, damit ich ihr wieder schreibe, weiter schreibe an sie. Die Vorstellung, dass er sie zwingt zu so was. Die noch beklemmendere Vorstellung, dass sie das mit sich machen lässt. Abhängigkeit (mehrere Möglichkeiten von Abhängigkeit). Wenn–dann-Sätze. Oder Wenn-dann-nicht-Sätze.  Drohungen. Seine Art, um sie zu kämpfen. Trotzdem ein Liebender. Habe ihn schließlich gesehen, wie er da stand im Winter am Fenster und nach ihr Ausschau hielt; den Kindertränen nah wahrscheinlich. Und trotzdem, was für ein Riesen-Verhaltensmüllhaufen, den er angerichtet hat mit seiner Liebe zu dieser süßen Frau;  nicht  mehr zu unterscheiden von einem Besitzverhältnis.. Dieser süßen Frau. Von der ich aber, wie es nun mal ist, auch nicht alles weiß. Sie will weg von ihm. Er weiß es. Er kämpft um sie. Sie bleibt. Will aber weiter weg. – Die Art von Vertrautheit der beiden. Beneidenswerte Intimität. Die machen sich nichts mehr vor. Alles kann gesagt werden. Ales wird ausgesprochen. – Worüber reden die, wie reden die miteinander, wenn sie zum Beispiel in diesem Hauseingang stehen und warten, bis ich ankomme mit meinem Fahrrad, und er dann die Tür öffnet und sie rausgeht und er hinter ihr heraustritt?   Alleine der Umstand: das abzusprechen, so und so machen wir das und du machst mit, sonst… .  Und dann warten, bis ich ankomme und das dann durchziehen. – Warum dieser Umstand? Was kann denn schon passieren, wenn ich da anrufe oder läute und vor der Tür stehe? Was hat er zu verbergen? Was hat er zu fürchten? - Wenn es so ist, wie er vorgibt, dann kann er doch ganz entspannt zugucken, wie ich mir die größte Abfuhr meines Lebens abhole bei der Tess. Die Peinlichkeit ist doch dann ganz auf meiner Seite, und da ich nichts gegen Peinlichkeit habe, was er schon zur Genüge mitgekriegt  hat, muss er doch  auch keinen Aufruhr von mir fürchten. Zurückhaltend und bescheiden hole ich mir meine Abfuhr ab, wenn es denn so sein wird, und nebenbei lernen wir uns mal näher kennen und grüßen uns künftig freundlich, wenn wir uns begegnen, er süffisant lächelnd, ich hilflos. Wieder mal was erlebt. – Aber wenn es nicht so ist, wenn mich keine Abfuhr erwarten sollte bei der Tess, dann kann er doch nicht  glauben, mich mit der Demonstration von gestern vertrieben zu haben. Jetzt will ich es doch erst recht wissen, was da los ist mit denen. Da geht es jetzt gar nicht mehr nur um mich und meine Sehnsucht und mein Begehren. Da geht es jetzt - vielleicht - um einen humanitären Einsatz, dieser Frau heraus zu helfen aus der Not, in die sie geraten ist. Und das alles wegen dieser Demonstration gegen mein Vorhaben, das nun kein Plan mehr ist, sondern schon eine fixe Idee.  (Wird noch überarbeitet)

Donnerstag, 22. Juli 2010

Aberglaube

Heute in der Umkleide zwei junge Russen neben mir. Der eine ein mächtiger Kerl ("Riesenbaby") mit einem Rankenmuster-Tattoo auf rechtem Oberarm und Schulter. Während ich die beiden von der Seite  beobachte,  muss ich  wie immer nach dem Schwimmen (wegen Wasser in der Nase) anfallartig niesen. Worauf die zwei jungen Männer, die mich zuvor nicht zu beachten schienen, sich zu mir wenden und  mir unisono Gesundheit wünschen. Wirklich unisono! = gleichzeitig, wie mit einer Stimme. Ich bedanke mich artig und sage ausgelassen, dass das eben schön war mit dem Unisono. Die beiden nicken ernst und machen dabei eine Miene, als wollten sie sagen: So sind wir. – Sie gehen grußlos weg, was ich bedaure, denn ich hatte angenommen, dass wir Zutrauen zueinander gefasst hätten. Der verschmitzte Herr kommt; heute später dran und noch besser gelaunt als sonst. Ich erzähle ihm von den beiden jungen Russen und sage, dass ich darauf jetzt einen persönlichen Aberglauben gründen werde: Wenn zwei junge Russen mir am Morgen nach dem Niesen Gesundheit wünschen, dann wird das ein guter Tag. Und wenn sie es unisono tun, dann wird das ein Tag, an dem alle meine Wünsche in Erfüllung gehen. Meiner Neigung zum Grübeln folgend füge ich hinzu, es könnte  allerdings auch sein, dass es das Gegenteil bedeutet. – Ach was, sagt der verschmitzte Herr. Das hängt doch nur von mir ab, ob der Tag gut wird. - Ja, ja, ja. Ist doch nur ein Spiel. Ich weiß schon, dass es keine Vorzeichen gibt, aber weil das eben auch schade ist, dass es keine gibt, spiele ich damit. Und zwei junge Russen, die mir am Morgen nach dem Niesen unisono Gesundheit wünschen und das an einem Tag, für den ich mir so viel vorgenommen habe wie heute, wäre doch zu schön, wenn das etwas zu bedeuten hätte. Aber was? - Fortsetzung folgt.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Lette

Einmal, als der russische Herr nach längerer Abwesenheit zum ersten Mal wieder im Hallenbad war und gerade unter der Dusche stand, kam der preußische Herr auf ihn zu, hat einen Diener angedeutet und allen Ernstes Schalom gesagt. Der russische Herr hat den Gruß stumm mit einem Nicken und einem hilflosen Lächeln erwidert. Darauf hat der preußische Herr sich erkundigt, wie der Urlaub war. Schön, hat der russische Herr gesagt, er ist überall gewesen. am Roten Meer, am Toten Meer, überall. – Darauf hat der preußische Herr gesagt, dass er  in der Gegend einmal eine unvergessliche Wanderung gemacht hat  und da habe ich gedacht: Mit Feldmarschall Rommel oder was? – Aber erstens ist Rommel nicht so weit gekommen mit seinem Feldzug, auch wenn Steven Spielberg im dritten Indiana-Jones-Film einen anderen Eindruck erweckt,  zweitens ist der preußische Herr dazu nicht alt genug, wenn auch sehr alte Schule, und drittens weiß ich inzwischen auch nicht mehr, was da eigentlich so verkehrt gewesen sein soll an diesem formvollendeten zackigen Schalom. - Heute hat der russische Herr beim Duschen erzählt, dass er morgen für zwei Tage nach Riga fliegt. Dabei hat sich herausgestellt, dass er gar kein Russe ist, sondern dass er aus Lettland kommt und dass er  so etwas wie einen lettischen Patriotismus hat. Er hat nämlich ganz stolz berichtet, dass es nächstes Jahr in Lettland eine Abstimmung über die Einführung des Euro geben wird und dass es keineswegs sicher ist, dass die zugunsten des Euro ausgehen wird, weil der Lats, die lettische Währung, so stabil ist. Was sich der Abdeckung der Währung durch den lettischen Goldschatz verdankt,  welcher in London lagert – und von den Letten in den Jahrzehnten der russischen Zwangsherrschaft eben wie ein Goldschatz gehütet und mit Erfolg der Begehrlichkeit der russischen Besatzer entzogen wurde . – Wie sie das wohl hingekriegt haben, habe ich mich da im Stillen gefragt, wo die Russen doch sonst mit ihnen gemacht haben, was sie wollten. Gesagt habe ich stattdessen, dass es für den Außenhandel Lettlands sicher günstig wäre, wenn das Land sich der Euro-Zone anschließen würde. Und da hat mir der kleine Herr, der inzwischen dazu gekommen war, zugestimmt. Der lettische Herr hingegen beharrte auf seinem Stolz auf die lettische Währung und dem Vorteil der Goldabdeckung in London. Womit er zeigte, dass er von Geschäften und Finanzen nicht so viel versteht wie vielleicht von Technik;  er ist nämlich Ingenieur und hat, nachdem er 1979 nach Deutschland gekommen war, als solcher bei Mercedes-Benz gearbeitet. Nachdem der lettische Herr sich verabschiedet hatte, hat der kleine Herr mich zu sich gewinkt, sich zu meinem Ohr hochgereckt – der kleine Herr ist schon sehr klein – und als wäre das etwas, das unbedingt unter uns bleiben müsse, sagt er mit gesenkter Stimme: Er ist Jude. Ich weiß, habe ich darauf betont gleichgültig geantwortet und ihn damit zu bremsen versucht, weil ich schon wusste, was jetzt kommt. Doch der kleine Herr ließ es sich nicht nehmen, mir zu versichern, dass der lettische Herr und Jude sehr nett ist, und das hat er dann auch noch belegt, als wäre das notwendig, indem er hinzufügte,  dass er ihn schon seit vielen Jahren kennt. – Danach stehe ich vor meinem Spind, ziehe mich an und  unterhalte mich mit dem verschmitzten Herrn, der seinen Stammplatz fünf Spindnummern von meinem entfernt hat. Da geht der kleine Herr -  zum Abschied seine Tasche schwenkend - an uns vorbei. Er trägt heute kurze Hosen. In denen sehe ich ihn zum ersten Mal und ich verspüre das starke Bedürfnis, etwas Diskriminierendes zu sagen. Ich beuge mich an das Ohr des verschmitzten Herrn und flüstere:  Jetzt ist er schon so klein und dann trägt er auch noch kurze Hosen. – Wir lachen schäbig, und dann füge ich, um nur keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, hinzu: Aber er ist sehr nett. – Worauf der verschmitzte Herr  sagt: Das stimmt. Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren. – Nein, das ist nicht wahr. Das hat er nicht gesagt. Und immer im Trend, hat er gesagt, der verschmitzte Herr. Nachdem ich gesagt hatte, aber er ist nett, hat er gesagt: Und immer im Trend. Das kann er nun aber gar nicht so gemeint haben, wie es hier jetzt verstanden werden könnte. Und ich füge es auch nur hinzu wegen der Vollständigkeit  und  ich weiß schon, dass es pointierter gewesen wäre aufzuhören mit: Aber er ist sehr nett. Denn darum ist es ja gegangen, wenn es hier überhaupt um etwas gegangen ist.

Dienstag, 20. Juli 2010

Trailer

Humorlosigkeit des Liebesgefühls. Und beim Geld hört sowieso der Spaß auf. Rettung durch Komödie? …. Vorgeschichte.  Kreuzberg, Kirchhof Jerusalem. Beerdigung von Alexander. Links von mir Taewoo. Rechts Cinderella 0:  Der Prinz als Hochstapler, der keiner sein will. – Was nicht sein will? Kein Prinz? – Kein Hochstapler. …. Cinderella 1: Wie noch mal bin ich auf Cinderella gekommen?  - Die Idee kam mir beim Bügeln. Alles soll schön glatt sein. Aschenputtel. Das Bügeln, das Erbsenlesen.  …. Wenn mir mal nichts einfällt:  Einführung des Begriffs “Willenskitsch”  (Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit). …. Vorstellung. Taxi. Folgen Sie bitte dem silbergrauen SUV!  Und sagen Sie jetzt bitte nicht, dass Sie seit 24 Jahren darauf warten, dass das jemand zu Ihnen sagt.  Cinderella 2:  das Taxi im Rückspiegel des SUV. Cinderella spielt mit dem Taxi im Rückspiegel wie eine  große Katze mit einer großen Maus. Und als sie genug gespielt hat, ist sie husch-wusch verschwunden. „Wie vom Erdboden verschluckt.“ Wahrscheinlich ein alter Indianertrick. – Mit einem Auto? – Die kann so was, die Cinderella. .... Zurechtweisung. Und lass Dir bloß nicht einfallen, hier anzurufen oder plötzlich vor der Tür zu stehen, oder was Du Dir sonst noch vorstellst unter auf mich  zu gehen.  ….  Cinderella 3: Die gezauberten Kleider. Die schönen Kleider gehören ihr gar nicht. Sie waren geborgt, Sie wurden nie wieder gesehen an ihr. Ist Cinderella nicht eigentlich eine Hochstaplerin? – Aber der Schuh! – Stimmt, der Schuh hat ihr gepasst. …. Alltagsjournalismus. Anonyme Menschen in ihren Verhältnissen, was sie gerade tun und was sie sagen. Interviews wie Raubüberfälle. .… Bringing Up Baby.  Cary Grant.  Katherine Hepburn.  Der Leopard.  Das einstürzende Dinosaurierskelett.  Komödie ist, wenn etwas schief geht. Verliebt sein ist nicht komisch. Sich verlieben als Missgeschick schon. …. Umfrage. Thema: ich. Selbstjournalismus. Zeitung von mir selbst. Bitte den Doppelsinn beachten. ....  Cinderella 4:  Sie hat schon einmal auf den falschen Prinzen /auf einen falschen Prinzen  gesetzt. Das soll ihr nicht noch mal passieren.  Geheimdienstliche Methoden. Mir machst Du nichts vor. – Hätte ich doch sowieso nicht getan.. …. Zu spät. Zu schlau. Zu durchdacht. Zu durchtrieben. Zu kontrolliert. Verhinderung des Missgeschicks. Keine Komödie. Kein Weinen, Kein Lachen. Verhinderung der Liebe. Verhinderung des Lebens. Keine Liebe.  Kein Leben. Kein Film. Trailer für nichts.

Montag, 19. Juli 2010

Beine

Erster Gedanke nach dem Aufwachen: Ich streiche den Text von gestern zusammen. Für den Blog reicht es, wenn da steht,  dass sie die Vorhänge wieder geöffnet hat und dass sich was ändern muss.  Dann sehe ich, dass die Vorhänge am Fenster des Contessa-Zimmers wieder geschlossen sind. Da denke ich erst: Lächerlich. Jetzt machst Du Dich lächerlich, Tess. Und dann denke ich: Jetzt muss ich den Text doch so stehen lassen, wie er da steht. Denn er ist der Auslöser dafür, dass es gerade so weiter geht mit Vorhang zu. Erschüttert bin ich nicht. Ich lache (bitter). Darüber, was das Spielkind auf der anderen Straßenseite so treibt. Obwohl mir jetzt schon klar ist, dass ich das im Laufe des Tages nicht mehr zum Lachen finden werde,  wenn ich zum ich weiß nicht wievielten Mal auf die Vorhänge starren werde, die übrigens weiß sind,  aus leichtem segeltuchartigem Nessel – und überraschenderweise um 8 Uhr 30  wieder offen.  - Sie wollte also nur mal Buh! machen. Mir einfach nur einen Schreck einjagen. So ist die nämlich. Die macht so Sachen – und noch ganz andere.  Samstag: Ich arbeite im hinteren Zimmer. Ich vermeide den Blick hinüber zur Dachwohnung auf der anderen Seite der Straße – in das Wohnzimmer mit der Glastür zur nach hinten raus  gelegenen Veranda. Warum eigentlich vermeide ich den Blick?  Als ich vom Rauchen zurück komme, schaue ich doch mal rüber. Über  Tag rauche ich nur am offenen Fenster in der Küche  - um weniger zu rauchen und damit die Wohnung nicht so nach Rauch stinkt, wenn die Tess mal zu mir zu Besuch kommen sollte. Was sie aber an diesem  Nachmittag  voraussichtlich nicht tun wird . Denn sie liegt auf der Veranda gegenüber und sonnt sich. Ich erkenne sie gar nicht gleich. Weil  zuerst sehe ich nur – was ist das?  Beine? – Beine. Ihre Beine ausgestreckt auf einer Liege. Nur ihre Beine sehe ich. Alles andere von ihr ist für meinen Blick verdeckt. Sie hat sich so hingelegt, dass ich nur ihre Beine sehen kann. Ihre schönen langen Beine, über die ich schreibe, seit ich ihr schreibe, wie Salomo im  Lied der Lieder über die zwei Brüste, die wie zwei Kitzlein sind, Zwillinge einer Gazelle, die unter Lilien weiden. Na ja, auf meine Art habe ich geschrieben, nicht so bunt und bildlich, aber genau so ergriffen und liebevoll. Ihre Beine. Tess. Während sie es mir im Contessa-Zimmer mit dem weißen Nessel gibt, um mich in die Schwermut zu treiben, zeigt sie mir auf der Veranda ihre schönen langen Beine. Um mich zu locken? Aber wohin? Da drüben ist doch ihr Mann. Und im Contessa-Zimmer signalisiert sie mir doch das Ende aller Hoffnungen. Also will sie mich nur kirre machen? Will sie nur mit mir spielen?  Und davon mal abgesehen,  ist das nicht billig? Ist sie so? Und denkt sie, weil sie so ist,  dass ich auch so bin? Dass ich darauf anspringe? Und will ich was mit einer Frau zu tun haben, die so ist, dass sie denkt, dass ich so bin, dass sie mir damit den Verstand rauben kann?  Will ich diese Frau kennenlernen? Endlich?  Unbedingt? – Ja! Ich will. Denn über all das kann man schließlich reden.

Sonntag, 18. Juli 2010

Reden

Die Vorhänge am Fenster des Contessa-Zimmers sind seit heute Mittag wieder offen, das Fenster selbst ist auch geöffnet, das subtile  Zeichen steht auf Alles gut.  Warum die Vorhänge  geschlossen waren? Warum sie jetzt wieder offen sind? Ich weiß es nicht. Kann sein, dass ich sie gekränkt habe, und jetzt ist sie wieder versöhnt. Kann sein, dass ich sie zu sehr bedrängt habe, dass ich  zu viel wollte und sie hat mir die Grenzen gezeigt: mehr als Bewunderung aus der Ferne , von der anderen Seite der Straße, will  ich nicht von dir, und wenn ich die nicht kriege. dann lassen wir es.  - Kann sein. Ich weiß es nicht. Es wird sich zeigen. Weil es mir zu wenig ist, sie immer nur zu bewundern aus der Ferne, von der anderen Seite der Straße,  und ihr Leben findet woanders statt und derweil verpasse ich meins. Ich will mit ihr reden. Egal worüber. Und entweder ich schaffe das jetzt oder ich lasse es und es wird dann nur noch Tage geben wie gestern. 

Samstag, 17. Juli 2010

Muscle Shirt 2

Drei Jahre später. Dennis Hopper gestorben. Da muss ich an sie denken, weil sie mit dem in Cannes Champagner getrunken hat auf einer Yacht und ihn so gerne mochte. Ich schicke eine Mail und dann eine zweite: ob sie immer noch beleidigt ist? – Antwort:  Nein, warum denn? Sie fragt nur ihr Mail-Konto so selten ab. Online läuft bei ihr inzwischen alles über Facebook. Wir werden Facebook-Freunde. Keine Woche später gibt sie auf ihrer Wall ihren Ausstieg bei Facebook bekannt. Auf Englisch. Was nicht  affig ist, da sie zahlreiche amerikanische Facebook-Freunde hat. Darunter Jen Lynch, Tochter von David Lynch, die ich auch gerne als Facebook-Freundin hätte. Doch dazu wird es nicht kommen, weil der mutual friend sich gerade verabschiedet hat. Warum denn? Du warst doch so aktiv bei Facebook. – Eben deswegen, mailt sie zurück. Es ist ihr zu viel geworden. Und überhaupt; alles ist gerade sehr schwierig. Ihr Leben ein Scherbenhaufen und deshalb ist sie im Moment "incommunicado". – Scherbenhaufen? – Hat ihr junger Mann sie verlassen? Oder ist sie endlich dahinter gekommen, dass er sie seit Jahren hintergeht, was ich mir immer schon gedacht habe, weil er das so ausgelebt hat mit dem Wegsein? Oder er geschmeidig wie und  je, sie gutgläubig und ahnungslos wie immer; eine ganz andere Art von Scherbenhaufen?  - Drei Wochen vergehen. Vorgestern Abend rufe ich sie an. Nicht aus Neugier, sondern weil ich gerade niemanden anderen erreiche, der mit mir redet und nicht nur vor meinen Augen bügelt und Licht an und aus macht und Fenster auf und zu und an diesem Abend wegen Beleidigtsein nicht mal das.  Reden. Völlig egal worüber. Reden. Zum Beispiel darüber, warum sie so plötzlich raus ist aus Facebook. –  Ganz einfach, sagt sie, weil es sie  zu sehr in Anspruch genommen hat und es ihr dafür zu oberflächlich war – all die Leute, die sie nur entfernt kannte, und dazu die Hyperaktivität der Freundinnen in Los Angeles mit ihrem ständigen Geposte und dann auch noch das Getwittere. – Verstehe. Nun also das mit dem Muscle Shirt und der Spießigkeit. - Spießigkeit? An den Vorwurf kann sie sich nicht mehr erinnern, aber an Lou Reed und das Muscle Shirt sehr wohl. Da graust es sie jetzt noch, wenn sie daran denkt, obwohl sie ihn gar nicht selbst gesehen hat in dem Muscle Shirt, sondern es nur gehört hat von ihrem jungen Mann. Ich aber habe ihn mal gesehen, wie er eins trug auf der Bühne. Weil es praktisch ist. Weil er nicht so ein Gitarrenzupfer ist wie Eric Clapton, sondern ein mit vollem Körpereinsatz spielender Gitarrist. – Schlechter Gitarrist, sagt sie und dass das gar nicht geht in seinem Alter mit Muscle Shirt rumlaufen. – Worauf ich sage, dass „geht gar nicht”, dass das ein  Sekretärinnen-Spruch ist ein dämlicher und finster dazu – finsterstes Spießertum, Urteilen über andere, sich selbst zum Maßstab machen für andere. – Ist ihr egal. Sekretärin ist sie nicht und  Muscle Shirt bei Lou Reed geht gar nicht. Darauf beharrt sie und ich bemerke, dass man mit ihr streiten kann, ohne gleich Krach mit ihr zu kriegen. Trotzdem ist alles gesagt und ich frage, nun doch neugierig: Scherbenhaufen? – Sie hat kein Problem mit meiner Neugier; sie ist selbst neugierig. Und es ist tatsächlich so, wie ich es mir gedacht habe. Nur alles viel schlimmer, weil sie jetzt damit leben muss:  Es gab Anzeichen. Die haben sich gemehrt. Der junge Mann war zum Beispiel nicht erreichbar, weil er sein Handy in der anderen Jacke vergessen hatte;  wo  jeder weiß, der ihn kennt, dass ihm das nie passieren würde.  Da hat sie sich  sein Handy mal vorgenommen. Seine SMS gelesen. Schock. Enttäuschung. Am schlimmsten die SMS, bei der sie sich genau erinnern konnte, in welcher Situation er die geschrieben hatte; der Sohn bei ihm im Bett gelegen, sie im Nebenzimmer.  Eine Woche lang gekotzt hat sie, wo sie ging und stand. Am schlimmsten für sie die Lügen. Und die Gewöhnlichkeit. Diese tausendmal gehörte Geschichte, dass die ihr jetzt selbst passieren muss. Wo sie doch immer gedacht hat, dass sie anders sind. – Einzigartig? – Ja. Nein. Weiß sie jetzt nicht. Auf jeden Fall, dass ihnen so was passiert, das hat sie nicht für möglich gehalten. Vor allem nicht, dass er sie so belügen würde. Deshalb weiß sie auch nicht, ob das wieder gut zu machen ist. Doch ausschließen will sie es nicht, dass sie es noch mal miteinander versuchen; sie haben sich auch ausgesprochen und zusammen geweint und ihm dabei nichts geschenkt hat sie: Ob ihm eigentlich klar ist,  dass er genau so alt war wie jetzt ihr Sohn (11 1/2) , als sich seine Eltern getrennt haben, hat sie ihn gefragt. Das hat er kaum ausgehalten, als sie ihm das klar gemacht hat. – Hat sie dem Sohn gesagt, was passiert ist?  - Keine Details. Nichts, um seinen Vater schlecht zu machen vor ihm.  Aber er hat ja mitgekriegt, wie es ihr  geht, und hat gefragt,  Da konnte sie ihm doch nichts vormachen.  – Ich muss nicht viel  sagen. Nur zuhören und ab und zu mal eine Frage stellen.  Dabei könnte ich mir sozusagen mein Teil denken.  Doch das Aasige in mir, das Biest, rührt sich nicht. Keinen Moment denke ich daran, dass das mit Sicherheit nicht seine erste Affäre ist, sondern nur die erste, die sie mitgekriegt hat. Und als sie erwähnt, dass er gerade 42 geworden ist und das Ganze ein klassischer Fall von Midlife Crisis, da denke ich nicht, dass das allenfalls der Grund dafür ist, warum er sich dieses Mal hat erwischen lassen, weil die aktuelle Affäre vielleicht ernster ist als die Affären davor. All das denke ich erst danach und jetzt, da ich das hier schreibe.  Doch während ich ihr zuhöre, kein Gedanke daran. Da habe ich einfach nur Achtung vor ihrem Unglück und Respekt vor ihr. Dass sie bei alldem ihren Verstand nicht verliert. Dass sie nicht wütet und tobt gegen den Mann und sich nicht in Racheplänen verliert, die sie dann doch nicht realisiert. Dass sie weiß, dass es irgendwie weiter gehen wird, auch wenn sie sich jetzt noch nicht vorstellen kann wie. Dass sie es nicht nötig hat,  stärker und tapferer zu tun als sie es sein kann in ihrer Enttäuschung. Und dass sie gerade deswegen tapfer ist.  Und weil sie so tapfer ist, will ich ihr etwas Gutes tun. Viel ist es nicht, aber es kommt wirklich von Herzen: Weißt Du was, sage ich zu ihr,  ich nehme das mit der Spießigkeit zurück. Du bist nicht spießig.

Schüttellähmung

Was ist mit Deinen Vorhängen, Tess? Kaputt?  Kriegst Du sie nicht mehr geöffnet? Oder möchtest Du, dass ich Dir schreibe, wie ich darunter leide, wenn ich da rüber gucke und sie geschlossen sehe?  - Es tut mir weh, wenn ich es seh. Es tut mir weh, wenn ich es seh. Es tut mir weh, wenn ich es seh. Es tut mir weh, wenn ich es seh. Genug? -   Übung des Tages mal wieder: den Schmerz pur nehmen, unverdünnt von Gedanken, die ohnehin zu nichts führen.  Das  Schreiben hat heute nicht geholfen. Aus anderen Gründen. Muscle Shirt 2 ist nichts geworden. Poste es trotzdem. – Gestern Artikel in der FR über die Beerdigung von Fritz Teufel. Am Schluss :
Vor ein paar Monaten, so erzählte mir eine Freundin, habe sie Fritz Teufel begleitet. Er war schwer krank, zitterte, ulkte aber weiter über Gott und die Welt. Beim Abschied sah er ihr in die Augen , nahm seine Kräfte zusammen und sagte: "Ich kenne dich nicht so gut. Wenn du empfindlich bist, tut es wahrscheinlich schon eine Grippe, aber wenn du wirklich etwas spüren möchtest, dann nimm Parkinson."
Stelle mir vor, dass es sich so in einem ganzen Menschen anfühlt, wenn er Parkinson hat, wie es sich heute in meinem Bewusstsein anfühlt. Paralysis agitans = Schüttellähmung oder Zitterlähmung.

Freitag, 16. Juli 2010

Muscle Shirt 1

Ablenkung und dann doch mehr. Wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren nicht näher. Gemeinsamkeit war immer,  Bücher und Musik hin- und herschieben. Als wir uns nach einer zehnjährigen Unterbrechung des Kontakts wieder  treffen, fasst sie die Zwischenzeit so zusammen: Ich habe eine Psychoanalyse gemacht. Und ich habe Auf der Suche nach der verlorenen Zeit gelesen. Du hast Recht gehabt. Es hat mein Leben verändert.  Ich danke Dir dafür. - Am Rande stellt sich heraus, sie lebt mit einem zwölf Jahre jüngeren Mann zusammen. Der hat mit Film zu tun; sie übrigens mit Pharmazie. Als ich sie das nächste Mal treffe, ist der junge Mann dabei und wir machen einen Gang um den Stuttgarter Platz mit Kinderwagen und dem Sohn der beiden.  Zweimal gehen wir ins Kino, weil sie gerade einen Babysitter hat. Warum geht sie dann nicht mit ihrem Mann ins Kino? – Weil der beim einen Mal gerade dreht. Weil er beim anderen Mal in München ist und inzwischen mit Filmfinanzierung zu tun hat. Wir sehen Buena Vista Social Club im Delphi. Black Box Germany im Yorck: und da reden wir hinterher nur noch über Traudl Herrhausen.  Einmal treffen wir uns am Hackeschen Markt im Schwarzen Raben zum Abendessen. Der junge Mann ist dabei; mit einem Freund. Was bin ich froh, als ich wieder weg bin. Kann mit der Überfreundlichkeit und Geschmeidigkeit ihres Mannes nichts anfangen; das Plüschige seiner Nettigkeit, der Kitsch der ganzen Person. Aber für Filmfinanzierung ist das bestimmt nicht verkehrt so zu sein, und Hauptsache ist, ihr gefällt es. Der Sohn zerlegt mittlerweile ausgediente mechanische Wecker und der Mann hat mit ihm zusammen im Kinderzimmer ein Holzhaus gebaut, als wir uns das nächste Mal treffen. Ich recherchiere über alleinerziehende Mütter. Sie kennt welche vom Kindergarten und von Spielplätzen – Vorstellung von Müttern, die von Spielplatz zu Spielplatz ziehen, um Bekanntschaft mit anderen Müttern zu machen. Während wir reden, brennt sie CDs für mich. - Kennst Du nicht Intervention? Ist die Hymne von Arcade Fire. Musst Du haben. - Und sie leiht mir die ersten drei Staffeln von The Wire aus, damals noch ein Geheimtip. Der Mann produziert inzwischen, dreht aber auch am Set, und ist ständig weg.  Als ich mit ihr das nächste Mal telefoniere, ist er gerade mit einer Filmproduktion auf Sizilien und hat in Palermo Lou Reed vom Flughafen abgeholt, der einen kleinen Auftritt in der Produktion haben soll. Und du glaubst es nicht, sagt sie, wie der aus dem Flieger kommt. - Wie? - Im Muscle Shirt. – Hm. – Weißt Du, was ein Muscle Shirt ist? – Klar, weiß ich, was ein Muscle-Shirt ist. Mein Kleiderschrank ist voll mit Muscle Shirts, sage ich. - Nein, ich sage nichts. Stattdessen denke ich, das passt zu dem Typ von ihr, dass er sich über so etwas mokiert. Und wahrscheinlich ist das so ein Paarding von den beiden, dass sie sich zusammen über so etwas mokieren. Warum soll Lou Reed nicht ein Muscle Shirt tragen, wenn er in Palermo aus dem Flieger steigt? Der Mann ist Gitarrist, der braucht Armfreiheit, für den ist das Arbeitskleidung. Außerdem ist er Lou Reed, der hat mit Andy Warhol auf der weltberühmten Couch in der Factory gesessen und war mit Nico in der After-Hours-Bar, als ein Mann erschossen wurde, und hat einen Song darüber geschrieben. Weil ich nichts gesagt habe,  schreibe ich ihr eine Mail. Ich kopiere in die Mail den Text von All Tomorrow´s Parties und schreibe etwas dazu, in dem das Wort "spießig" mit Fragezeichen vorkommt: spießig? –  Ich schreibe das nicht ihretwegen, sondern weil ich dem Mann ans Bein pissen will damit; wegen seiner Spießigkeit, mit der er mir auch mal in die Quere gekommen ist, als es um die unausgesprochene Frage ging, ob es richtig ist, sich Pornos anzugucken. Alleine schon die Frage! - Fortsetzung folgt.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Rot

Januar; Die schöne Büglerin. Wie von Vermeer. Das Mädchen mit dem Dampfbügeleisen. – Juli: Warum muss sie eigentlich ständig bügeln?
Nicht eingeschnappt sein, Tess!  Es ist ein authentischer Moment von gestern Abend. Du weißt, es gab noch andere Momente. Wie den mit dem frühen Beatles Song und meiner eigenwilligen Anwendung des Songs auf Dich und mich und vor allem auf mich:
"Please don't wear red tonight."
This is what I said tonight.
For red is the colour that will make me blue,
In spite of you, it's true,
Yes it is, it's true.
Yes it is.
Du weißt, wo ich bin. Du weißt, was ich sehe. Nichts, was Du tust, ist zufällig. Unschuldig vielleicht trotzdem.

Mittwoch, 14. Juli 2010

M.I.A.

Mathangi „Maya“ Arulpragasam. Künstlername M.I.A. (für Missing in Action). Welthit Paper Planes. Neuer Song Born Free  (lyrics). Das Video zu Born Free.  Wollte ich letzte Woche schon darüber schreiben. Auf Sonntag verschoben. Dann stand am Samstagabend auf SPIEGELONLINE ein Artikel über sie: Agitprop-Sängerin M.I.A  - Lady Anti-Gaga.  Sie haben sogar mit ihr geredet. Was will ich da noch? – Als ob ich in einer Welt leben würde, in der es darauf ankommt, ob ich über etwas früher oder später als SPIEGELONLINE schreiben. – Was wollte ich über sie schreiben? – Dass ich nicht besser bin als das Publikum bei den Grammys, über das sie sich hinterher beschwert hat, weil es sich von ihr nicht aufrütteln ließ, etwas zu tun für die  “50.000 Menschen, die nächsten Monat sterben werden” im Bürgerkrieg in Sri Lanka, Mayas Heimatland. Und wenn es nur das wäre, dass sie sich für die Menschen in ihrem Heimatland engagiert, so wie Bono und Bob Geldoff für die Menschen in Afrika, dann würde ich vielleicht gerade mal die  Überschriften der Artikel über sie lesen.  – So aber lese ich jede Zeile über sie, den ganzen langen Artikel M.I.A.´s Agitprop Pop von Lynn Hirschberg habe ich gelesen und auf You Tube habe ich mir ihre Songs zusammengesucht und  und das Born Free Video habe ich schon mehrfach angeguckt, obwohl es weh tut – beim dritten und vierten Sehen noch genauso wie beim ersten.  Weil es tückisch ist und böse. Weil es tricky ist, brutal tricky, aber nicht ironisch, nicht cool, nicht von dieser konfektionierten Ironie und konfektionierten Coolness, die die neue Dumpfheit ist. Der Trick des Videos ist, eine reale Situation aus der Dritten Welt, aus dem Bürgerkrieg in Sri Lanka, zu übertragen in eine fiktive Situation in unserer Welt. Reale Situation: Widerstandskämpfer, Tamilen, werden exekutiert, indem sie in ein Minenfeld getrieben werden. Fiktive Situation: Rothaarige weiße amerikanische Jungs werden von amerikanischen Soldaten verhaftet, weil sie rothaarige weiße Jungs sind und damit verdächtig , einer Widerstandsorganisation rothaariger weißer Jungs anzugehören, die wir später auf den Straßen agieren sehen. Ein Bus bringt die verhafteten Jungs in die Wüste. Dort werden sie mit Schlägen angetrieben loszulaufen. Die Jungs ahnen, was ihnen bevorsteht. Doch das nützt ihnen nichts. Wie in der realen Situation gibt es kein Entkommen. Es nützt nichts, der hübscheste Junge zu sein. Das führt nur dazu, dass man als erster dran glauben muss. weil man ausgewählt wird, um den anderen Angst zu machen.  Es nützt auch nichts, sehr mutig und stark zu sein. Das verlängert nur den aussichtslosen Wettlauf mit dem Tod. - Das Video hat Romain Gavras, Sohn von Costa Gavras (“Z”), gemacht. Anzunehmen, dass Maya, einen kreativen Anteil daran hat. Ob das so ist und welchen Anteil, sie daran hat, konnte ich dem Artikel von Lynn Hirschberg nicht entnehmen. Das hat sie nicht interessiert. Hirschberg ging es in der ganzen langen Zeit, die sie mit Maya für ihren Artikel verbracht hat, nur darum, Beobachtungen zu sammeln, mit denen sie die Authentizität von Mayas Engagement und ihre Integrität als Künstlerin in Frage stellen wollte – etwa  indem sie ihr Bekenntnis zum popkulturellen Außenseitertum damit konfrontiert, dass Maya im Restaurant Pommes frites mit Trüffelgeschmack bestellt und trendgerechte Timberland Schuhe trägt. Über das Video schreibt Lynn Hirschberg: “As a meditation on prejudice and senseless persecution, the video is, at best, politically naïve. “– Meditiert das Video? – Es  z e i g t Verfolgung, Ohmacht und elendes Verrecken. Und das tut weh. Das Video ist eine Aktion, die darauf zielt, weh zu tun –Verfolgung und Ohnmacht spürbar, Gewalt und elendes Verrecken erlebbar zu machen. Das tut es mit der Überzeugungskraft eines gezielten Schlags in die Fresse. Ganz platt, unironisch, uncool. Treffsicher. Politisch naiv? Treffsicher.

Dienstag, 13. Juli 2010

Lachen

Da  ich mir den Text über M.I.A. noch mal überlegen muss, hat jetzt der Sachse von heute Früh seinen Auftritt und danach eine Spielzeugfigur. Der Sachse ist ein Mann, der in kurzen Hosen zur Arbeit geht. Khakifarbenen, gebügelten Shorts. Dass er zur Arbeit geht und nicht ins Hallenbad will, ist daran zu erkennen, dass er eine Aktenmappe unterm Arm trägt. Ich klemme gerade meine Schwimmbadtasche auf den Gepäckträger meines Fahrrads. Damit das Folgende einen Sinn hat, ist zu vermuten, dass der Sachse  annimmt, dass ich nicht aus dem Hallenbad komme, sondern im Begriff bin  hineinzugehen. Es geht aber auch ohne Sinn. Während der Mann in den kurzen Hosen sich mir nähert, schaut er mich so streng an, dass ich denke, da kommt jetzt gleich was. Es kommt aber nichts. Erst als er hinter mir vorbeigeht und ich schon auf mein Fahrrad steige, höre ich wie er mit starkem sächsischem Akzent sagt: Es gibt heute kein Wasser im Hallenbad! – Verblüfft drehe ich mich zu ihm um und sage: Sie sind ja witzig! – Ja, antwortet er im Weitergehen. Er lacht nicht. Ich lache nicht. Er nicht, weil das zum trockenen Humor gehört, dass man nicht lacht, während man witzig ist. Ich nicht, weil ich so grimmig und verbiestert bin, dass ich eine Weile brauche, bis ich merke, wie witzig das gerade war, und da ist es schon zu spät, um noch zu lachen. - Inzwischen bin ich zu Hause angelangt. Ich schiebe mein Fahrrad in den Hof, nehme die Tasche vom Gepäckträger und lege sie auf die  Bank, wo ich sie immer hinlege, bevor ich mein Fahrrad in den Fahrradabstellraum bringe. Auf der Bank entdecke ich eine kleine schwarze Spielzeugfigur aus Plastik. Eine Katze. Während ich das Fahrrad abschließe, überlege ich, ob das okay ist, wenn ich die Spielzeugfigur an mich nehme. Ich nehme nie etwas an mich, das ich finde. Ich lasse es liegen oder ich hänge oder lege es an eine exponierte Stelle, damit derjenige, der es verloren hat, es leichter wiederfinden kann. Was habe ich schon alles nicht mitgenommen. Bei der kleinen schwarzen Katze kann ich jedoch nicht widerstehen. Oben in der Wohnung stelle ich sie auf meinen Arbeitstisch, der auch mein Esstisch ist,  und beim Frühstücken bemerke ich, dass man ihren Schwanz bewegen kann. Entweder freudig erregt nach oben oder nach unten gerichtet, wie eine Katze ihn trägt, wenn sie geht. Wahrscheinlich hat eines der zahlreichen Kinder aus dem Haus die Spielzeugfigur liegen lassen. Oder hat sie jemand für mich hingelegt, jemand, der meinen wehmütigen Katzentext vom Sonntag gelesen hat?  – Falls jemand aus dem Haus das hier liest und von einem Kind weiß, das die Spielzeugfigur vermisst, bitte melden! Dann gebe ich die Katze zurück oder würde sie dem Kind abkaufen, falls das Kind dazu bereit ist. Und sollte sie jemand für mich hingelegt haben: Ganz herzlichen Dank! 

Montag, 12. Juli 2010

Heimlichkeiten

Geständnis: Ich erzähle hier längst nicht mehr alles, was mir passiert, wie in der heroischen Anfangsphase von Ich-veröffentliche-mein-Leben. Das ist keine Absicht, keine Änderung des Plans. Da hat sich was eingeschlichen, Das ist nicht gut. Das soll wieder anders werden. Angefangen hat es mit dem PSA-Test. Prostataspezifisches Antigen. Vorsorgeuntersuchung. Den PSA-Test habe ich allerdings auch vor mir selbst verheimlicht. Nach dem Besuch in der Praxis von Dr. S. - der mit dem Urin, Urin, Urin - habe ich mir nämlich Vorwürfe gemacht, dass ich dem mein Blut überlassen und mich nicht gleich verabschiedet habe, nachdem er festgestellt hatte, dass meine Prostata nur geringfügig vergrößert ist, und nachdem ich im Gespräch mit ihm erkannt hatte, dass Dr. S. bei aller Sympathie für Verschrobenheit kein Arzt meines Vertrauens ist. Was, wenn das Ergebnis des PSA-Tests kritisch ist - was leicht passieren kann, ohne dass tatsächlich  was Bösartiges vorliegt?  Was. wenn ich deshalb noch einen zweiten und einen dritten Test machen muss? Und das alles medizinisch und menschlich begleitet von Dr. S. und in der transsylvanischen Atmosphäre seiner Praxis. Eine Woche später, Dienstags, sollte ich anrufen, um das Testergebnis zu erfragen. Samstag davor habe ich beschlossen, dass ich meinen Fehler, Dr. S. mein Blut überlassen zu haben, korrigieren würde, indem ich nicht anrufe.  Sollte das Ergebnis bedenklich sein, sollten die mich kontaktieren. Sollte ich nichts hören, würde ich annehmen, dass alles in Ordnung ist. Haltung eines Kindes, das sich die Hand vor die Augen hält und glaubt nicht gesehen zu werden? – Nicht ganz. Es war eine Vorsorgeuntersuchung. Ich hatte ja keine Beschwerden. Im Gegenteil: Alle Fragen nach Prostata-Symptomen, die Dr. S. mir bei der Anamnese gestellt hatte, konnte ich vergnügt mit Nein beantworten. Dr. S. darauf verdrießlich: “Dann sind sie also gesund?” – Naja, habe ich geantwortet, deshalb bin ich hier, um sicher sein zu können, dass es so ist. – Das war ich nun allerdings nicht mehr, da ich nicht anrief. Doch diese Unsicherheit war es mir wert, mich dem Dr. S. entzogen zu haben. Eine Haltung, die mich selbst überrascht hat – bei meiner Vorgeschichte. Es gibt nämlich noch einen zweiten Grund, warum ich nicht so gerne in der Praxis angerufen hätte, und deshalb auf jeden Fall lieber hingegangen wäre, um das Ergebnis zu erfragen (davon ein andermal). An den zweiten Grund hatte ich schon einige Male gedacht und einige Male hatte ich überlegt, dass ich hier darüber schreiben sollte. Das habe ich dann aber lieber nicht getan, weil ich lieber entspannt sein wollte. Das ist mir gelungen. So entspannt war ich, dass ich schon lange nicht mehr an meine Prostata und an Dr. S. gedacht habe, als ich am Samstag Post von ihm bekam. Rechnung für ambulante Behandlung am 15.06.10;  in doppelter Ausfertigung. Krebsvorsorgeuntersuchung Mann (die Fragen, die er mir gestellt hat, und das mit dem Finger im Rektum) 37 Euro 54; Blutentnahme aus der Vene 4 Euro 20; Prostataspezifisches Antigen 20 Euro 11, Endsumme 61 Euro 85.  - Ach, und da steht es ja: Diagnosen. – Ich habe Latein gelernt. Und ich hatte mal ein malignes Melanom, also ein bösartiges Hautdings. Ich könnte es nun wirklich wissen. Und trotzdem habe ich gedacht: Oh Scheiße! Und der Schreck ist mir in den Magen gefahren. Und dann erst habe ich realisiert: Benigne Prostatahyperplastie. Benigne, du Trollo! Benignus = gütig, gutartig! Ist mir schon mal passiert, dass ich benigne semantisch mit maligne = bösartig assoziiert habe. Und dass ich es dieses Mal wieder getan habe, lag bestimmt daran, dass ich die ganz Zeit doch nicht so entspannt war, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Sonntag, 11. Juli 2010

Schweigen

Schlagzeile auf Bild.de: "Der einsame Pop-König - Jacko wollte seinem Affen sprechen beibringen". – Na und? Ich habe mal geträumt, dass meine Katze hinter mir steht und mir plötzlich etwas zuflüstert. Da habe ich mich in dem Traum zu ihr umgedreht und zu ihr gesagt: Ich habe es doch gewusst, dass Du sprechen kannst. -  Und als ich aufwachte - wahrscheinlich  davon, dass die Katze vor meinem Bett stand und mich anmaunzte, weil es Zeit für ihr Frühstück war - , als ich aufwachte, habe ich mich nicht etwa darüber gewundert, was für ein abgedrehter Traum das war,  sondern nur gestaunt, wie klar der Traum eine tiefe Überzeugung von mir zum Ausdruck gebracht hatte. Denn die Kommunikation zwischen der Katze und mir, insbesondere ihre Fähigkeit, Stimmungen von mir zu spüren und darauf einzugehen, die war so, dass zur Vollkommenheit des Mensch-Tier-Verhältnisses nur noch der verbale Austausch fehlte. Dabei war mir schon klar, dass das mit nicht ganz unerheblichen anatomischen Defiziten zu tun hatte (keine Stimmbänder zum Beispiel). Den eigentlichen Grund, das tatsächliche  Hindernis sah ich jedoch immer darin, dass sie nicht mit mir reden wollte.  Weil sie  ihre Rätselhaftigkeit bewahren und damit ein für alle Mal ihre Position der Überlegenheit mir gegenüber sichern wollte. Ich nehme an, dass sie ihr das auf der Prinzessinnenschule beigebracht haben, in die sie ihre erste Halterin, eine Engländerin, geschickt hat. Geschickt haben muss. Denn genau weiß ich das nicht mit der Prinzessinnenschule. Es war eben nur so, dass sie selbst für eine Katze ungewöhnlich feine Manieren hatte und  von irgendwoher müssen die ja gekommen sein. Von mir konnte sie die nicht haben. Nicht, weil ich keine feinen Manieren hätte, sondern weil sie von mir außer Essen nichts angenommen hat. Die Katze ist schon lange tot. Niemand weckt mich morgens und verlangt Frühstück. Zur Zeit habe ich keine Träume, an die ich mich nach dem Aufwachen erinnern kann.

Samstag, 10. Juli 2010

Uruguay

Der rührende Russe, neben dem ich drei , vier Mal die Woche im Hallenbad unter der Dusche stehe, ist sehr schwer zu verstehen.  Am einfachsten ist noch,wenn die Dusche an seinem Stammplatz mal wieder zu wenig Wasserdruck hat.  Kein Druck, sagt er dann mit der bekümmerten Miene eines kleinen Jungen  und hantiert mit fachmännischen Griffen  an der Installation herum, als wolle er sie gleich auseinander nehmen.  Lässt er dann aber lieber. Und mein Angebot, ihm meinen Stammplatz zu überlassen, hat er auch noch nie akzeptiert. Wahrscheinlich, weil er es für übertrieben hält. Am Anfang unserer Bekanntschaft, als er zum ersten Mal sah, dass ich zum Schluss unter die kalte Dusche gehe, hat er erzählt, dass es in Russland Leute gibt., die am Neujahrstag – oder ist es in der Silvesternacht? – ins eiskalte Wasser springen, als Ritual, um das neue Jahr zu beginnen. So wie andere Leute Blei gießen, Feuerwerksraketen abschießen oder sich betrinken, so schlagen diese Russen Löcher ins Eis eines Sees oder Flusses und springen dann nackt ins kalte Wasser, um das neue Jahr zu begrüßen. Und zwar die ganze Familie tut das. Kinder, Greise, alle. - Bis ich das  alles verstanden hatte!  Und bis dann noch geklärt war, dass er und seine Familie das nicht machen. Nein, ich soll nicht übertreiben; dieser Part war noch der einfachste. -  Um die Kommunikation zu vereinfachen, versuche ich inzwischen ihm zuvor zu kommen und selbst etwas zu erzählen. Doch meine Themen interessieren ihn nicht.  Er hört geduldig zu, bis ich zu Ende gesprochen habe,  kann aber die Mühe nicht verbergen, die ihn diese Höflichkeit  kostet.  Gestern kam er mir zuvor: Morgen,, hat er gesagt. – Ja?  -Morgen. Fußball.  Alle südamerikanischen Mannschaften draußen. – Naja. sage ich. Bis auf  Uruguay. - Aber wenn Deutschland gewinnt, sagt er. Und da wird es mir schon wieder anstrengend. Deshalb versuche ich, das Gespräch an mich zu ziehen:  Naja, sage ich, Spiel um den dritten Platz. Was hat das schon zu bedeuten? Man kann nicht dritter Weltmeister sein. – Er schaut mich verständnislos an und kommt dann zurück auf seinen Punkt:  Wenn Deutschland gewinnt, Europa ist vorne. Südamerika draußen. – Aha. Europäischer Chauvinismus!  - Versteht er nicht. Macht nichts. War auch nicht so grimmig gemeint wie gesagt.  ich lächle ihn an, packe meine Sachen zusammen und verabschiede mich mit Tschüss bis nächste Woche. Er sagt auch Tschüss und erwidert mein  Lächeln. Wir haben es mal wieder geschafft: Uns zu mögen, ohne uns zu verstehen. (Wird noch überarbeitet)

Freitag, 9. Juli 2010

Wetter

Traurig. Hitze. Schlecht isolierte Dachwohnung. Wenn mich jemand in den nächsten Tagen erreichen möchte, bitte über Mobiltelefon. Morgen und übermorgen werde ich zum Arbeiten  in der Wohnung von Christoph sein. Ab Montag im Büro von Lucas. Sollten in der kommenden Woche tatsächlich an mehreren Tagen hintereinander 37 Grad erreicht werden, schlafe ich vielleicht  auf dem Balkon. Da muss ich dann mit den Vögeln aufstehen. Nicht zu glauben, was für einen Lärm die Biester machen, wenn sie im Morgengrauen loslegen; am schlimmsten sind die Amseln. Dann am besten auch mit den Vögeln schlafen gehen. Das ist schwer möglich auf dem Balkon, bei dem Geklappere und den TV-Geräuschen aus den offen stehenden Fenstern im Hinterhof. Einer dieser Tage, an denen sich nur die Probleme zeigen. Die Lösungen dann vielleicht morgen?  - Guter Kalauer (mit Dank an Maler-Micha). Als es nach dem harten Winter einfach nicht richtig Frühling wurde, regnerisch und viel zu kühl war für Mai: “Wann kommt eigentlich der Kachelmann wieder frei?” - Neue Ausgabe von popbitch 08.07.10 ISSUE 505.  Rubrik Old Jokes Home: I met a fairy today who granted me one wish. "I want to live forever," I said. - "Sorry,"  said  the  fairy, "I'm  not  allowed  to  grant wishes like  that."  -  "Fine,"  I said,  "I want to die when England win the world cup." - "You crafty cock!" said the fairy. - Guter Witz, denke ich, ohne zu lachen; nicht mal in mich hinein. Gelernt, die schmerzhaften Gefühle pur zu nehmen und mich nicht gegen sie zu wehren. Gedanken ändern nichts, schaffen nur zusätzlich Verwirrung. So eine Extremsituation wie die Hitzewelle kann auch belebend wirken.  Und so eine Traurigkeit? - Aushalten. - Fortsetzung folgt.
(crafty = ausgekocht, listig, schlau)

Donnerstag, 8. Juli 2010

Casting 2

Westerwelle. Die Frau bei Aldi ist so heiser, dass sie keine Stimme mehr hat. Vermutlich geschwitzt und dann die Klimaanlage. Sie steht trotzdem hinter der Kasse und quält sich mit dem Gefrage der Leute, zum Beispiel von mir.  Die Sinti-Frau steht vor dem Penny Markt nebenan. Sie bietet lächelnd eine Elendszeitung an und hat das nächste Elend schon im Bauch. Westerwelle. Die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin hat sich mal mit ihrem Schwangerenbauch vom STERN fotografieren lassen, so wie Demi Moore auf dem weltberühmten Foto von Annie Leibovitz. Silvana Koch-Mehrin ist auch neoliberal, wahrscheinlich auch ideologisch verrannt neoliberal, weil man anders doch gar nicht mehr neoliberal sein kann. Und sie ist ein Schützling von Westerwelle, hat mal in einer  Zeitung gestanden. Trotzdem gefällt sie mir. Als öffentlich-menschliche Person. – Hey, die würde ich gerne haben hier im Blog. In einer Nebenrolle. Weil ich kann ja nicht mit ihr reden, wann es mir einfällt, ich kann ihr nur schreiben. Thema: Westerwelle. Der wird nur deshalb so gehasst, weil er schwul ist, hat sie vor ein paar Wochen mal einer Zeitung gesagt und Homophobie hat sie gesagt. Aber Frau Koch-Mehrin, oder darf ich Sie Silvana nennen? – Silvana,  Sie glauben doch nicht im Ernst, dass es so viele homophobe Männer gibt, dass es für eine solche Unbeliebtheit reicht wie der Unbeliebtheit des Westerwelle. Und was ist eigentlich mit all den Frauen, die es schon schüttelt, wenn er nur den Mund aufmacht?  Und was ist mit meiner Mutter, die sich schief lacht, wenn sie ihn mit seiner hochgetragenen Nase durch die Tagesschau stolzieren sieht, die aber den Ole von Beust für einen feinen Mann hält und nicht versteht,, was ich (politisch)  gegen den  Klaus Wowereit habe? – Und warum, Silvana? – Weil der Herr von Beust nett ist und der Herr Wowereit auch, während der Herr Westerwelle ein Riesen-Beispiel einer unbehandelten narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist. Und damit kenne ich mich nun wirklich aus, weil ich auch eine habe. Vielleicht nicht so schwer, wie ich es mir einrede, da ich zu übertriebener Selbstkritik neige, aber ausgeprägt genug, um bei anderen die Symptomatik zu erkennen. So, Silvana, und jetzt wird es interessant und politisch. Ein Narzisst erkennt den anderen sofort und durchschaut ihn sofort – und er erträgt es nicht,  an einem anderen seine eigenen Symptome zu sehen. Die monotone Selbstbezogenheit, das aufdringliche Posieren, die kränkende Herablassung, die kleine dreckige Affäre mit sich selbst, das Selbstmitleid, das Freund-Feind-Denken, die innere Leere. All das widert uns Narzissten an, wenn wir es bei anderen sehen.  Und wir sind viele, Silvana, man kann vielleicht sogar sagen, dass die narzisstisch gestörte Persönlichkeit inzwischen der vorherrschende Persönlichkeitstyp ist. Nur sind zum Glück nicht alle von uns so schwer davon betroffen wie Ihr Chef.  Und wer außer ihm wäre in der Lage, auf seinem Weg in die Vereinsamung und soziale Ächtung eine ganze politische Partei hinter sich her zu schleifen?  - Jetzt gucken sie wahrscheinlich distanziert und dann werden sie vielleicht ironisch fragen, was man denn da bloß machen kann. - Meine Antwort ganz unironisch: Schwierig. Am schwersten ist wie immer der erste Schritt. Es einsehen und damit aufhören, die anderen dafür verantwortlich zu machen, dass sie einen nicht leiden können. Und dann? - Keine Ahnung, Silvana. Ich selbst bin immer noch beim ersten Schritt. – So, und jetzt bin ich mal gespannt, ob ich das wirklich an Frau Koch-Mehrin schicke und wenn, ob sie zurückschreibt. Geholfen hat sie mir jetzt schon. Wie unglücklich war ich vorhin beim Einkaufen,  dass ich mich so verpeilt habe gestern, dass ich heute über den Westerwelle und seinen Narzissmus bloggen muss. Weil was will ich denn eigentlich von dem außer ihn verachten? Nicht mal einen Blumentopf würde ich den hier von a nach b tragen lassen. Und dann habe ich die liebenswürdige Sinti-Frau mit ihrem Schwangerenbauch gesehen und da habe ich an Frau Koch-Mehrin gedacht und mit ihr hat es jetzt richtig Spaß gemacht. Hoffentlich schreibt sie zurück. Wäre mir eine Freude, sie wieder mal hier zu haben.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Casting 1

Öffentlich-menschlich ist es so,  dass mir  beim Schreiben über das Fußballgucken am Wochenende die Frau Merkel mit ihrer exaltierten "Kapstadt Nummer" (SZ) zugelaufen ist. Da habe ich schon überlegt, ob ich mich mal mit ihr so beschäftigen soll wie in der vergangenen Woche mit der Schwimmmeisterin, bei der sich herausstellte, dass sie “nur” Badewärterin ist. Die Frage in diesem Fall wäre, wie es kommt, dass man so eiskalt und gerissen sein kann wie die Frau Merkel und trotzdem so beliebt. Weil die Leute es nicht merken, weil das zur Gerissenheit dazu gehört, dass man es nicht merkt? Oder weil sie es merken und das gerade gut finden an ihr? - Doch so etwas wird schnell von sich überschlagenden Ereignissen überholt, ihre Popularitätswerte sind jetzt schon am Sinken; dann geht sie auch demnächst  in Ferien, vor allem aber: Ich kann sie nicht einfach so ansprechen und befragen wie die Badewärterin. Schreiben könnte ich ihr. Aber will ich das denn wirklich? – Wer mich viel mehr und schon lange interessiert öffentlich-menschlich ist der ihr politisch und menschlich nahestehende Guido Westerwelle. Der ist genau so kalt wie die Frau Merkel, will auch so gerissen sein wie sie und ist nun aber extrem unbeliebt.  Bei mir so unbeliebt, dass es schon nicht mehr normal ist  und mir eine alte Freundin deshalb schon Homophobie unterstellt hat. Was tiefenpsychologisch bedeuten würde, dass ich latent schwul bin, und die Verdrängung meiner Homosexualität zum Beispiel auf den Westerwelle projeziere, indem ich in seiner Person mit Feindseligkeit begegne, was ich bei mir selbst nicht zulasse. Die Freundin, die eigentlich oft genug Gelegenheit hatte, es anders zu sehen, ist übrigens fest überzeugt davon, dass ich latent schwul bin. Wozu ich nur sagen kann, wenn es latent ist, d,h. verborgen, kann ich es nicht wissen und daher auch kein seriöses Urteil darüber abgeben. Bei dem Westerwelle weiß ich allerdings, dass mir der menschlich schon unangenehm war, bevor er sich geoutet hatte, und dass ich vorher nie auf die Idee gekommen wäre, dass der schwul ist, weil er zu dem Kreis von  Menschen gehört, die ich mir im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen nicht vorstellen will. Hinzu kommt, dass ich zum Beispiel  Wowereit politisch – wenn auch aus anderen Gründen – genau so ablehne wie den Westerwelle, ihn aber zugleich sehr sympathisch finde und mir heute schon Sorgen machen könnte, was aus ihm werden soll, wenn Renate Künast ihn im Job des Regierenden Bürgermeisters von Berlin abgelöst haben wird und ihn seine Parteifreunde bundespolitisch nicht haben wollen. - Woher kommt es also, dass ich den Westerwelle mehr verachte, als es normal ist? – Fanatische Gegnerschaft gegen ideologisch verrannte Neoliberale? Oder sind es doch persönliche, sehr persönliche Gründe? - Fortsetzung folgt.

España

Casillas (1) -  Sergio Ramos (15), Piqué (3), Puyol (5), Capdevila (11) -  Busquets (16) - Xabi Alonso (14) - Xavi (8), Iniesta (6) - Fernando Torres (9), Villa (7)

Dienstag, 6. Juli 2010

Eis

Mit der Tess ist es so, wie es immer war. Ich schreibe ihr (wieder, seit vorletztem Wochenende). Sie zeigt sich mir im Contessa-Zimmer, guckt aber nie zu mir her und erweckt somit den Eindruck, dass es auch sein könnte, dass sie da sowieso ist und macht, was sie macht, und dass ich mir einen Zusammenhang von ihr mit mir nur einbilde. Das Schreiben an sie ist jetzt näher an den Tatsachen. An den Tatsachen selbst ändert das aber nichts. Letzten Donnerstag wollte ich Eis mit ihr essen gehen. Ich habe ihr angekündigt, dann und dann gehe ich raus, und sie eingeladen mitzukommen. Sie kam nicht mit. Dafür hat mir später ihr Mann seine eindrucksvolle Präsenz gezeigt. Das führte zu dem Post  Verwandlung von Donnerstag und in der Reaktion darauf dazu, dass am Freitagabend das Contessa-Zimmer dicht und dunkel war. Bis Samstagabend hatten wir uns wieder versöhnt – mit meinem Schreiben und ihren Zeichen. Da habe ich einen neuen Versuch gemacht. Nachdem ich ihr fünf Seiten geschrieben hatte, habe ich ihr wieder Eis essen gehen vorgeschlagen. Dieses Mal sollte sie mir von der anderen Seite ein Zeichen geben, ob sie will oder nicht. Als ich dann auf meinen kleinen Balkon trat, um rüber zu gucken, war das kurz zuvor noch erleuchtete Contessa-Zimmer dunkel. Die Wohnung darunter dafür mit Schlossbeleuchtung. Party. Und wen sehe ich auf dem kleinen Balkon von der erleuchteten Wohnung im Halbdunbkel sitzen? – Den Mann von der Contessa im Gespräch mit jemandem, dessen Bariton mir schon seit circa 20 Minuten beim Schreiben ans Ohr gedrungen war.  Und neben dem Mann mit dem Bariton, wer steht da mit einem Glas in der Hand - wegen Halbdunkel muss ich zwei-, dreimal hingucken? – La  Contessa als Partygast mit einem Glas in der Hand. Da musste ich unwillkürlich lächeln. Erstens, weil sie da stand,  und zweitens, weil das endlich mal eine klare Antwort war: Nein, kein Eis essen, weil sie heute Abend Partygast ist bei den Leuten im Haus. – In dem Moment, als ich sie erkannte, hat sie mich auch bemerkt und - unwillkürlich - in ihr Haar gefasst.  Nun hat mittlerweile jeder Auszubildende einer Sparkassenfiliale schon mal gelesen, dass das instinktives erotisches Interesse signalisiert, wenn eine Frau sich beim Anblick eines Mannes unwillkürlich ins Haar fasst. Ich hingegen weiß, dass die Tess auch noch in fünf Jahren bei meinem Anblick sich unwillkürlich ins Haar fassen kann und dass sie trotzdem auch in zehn Jahren noch nicht ein Eis mit mir gegessen haben wird. Außerdem: So was lesen doch auch Frauen. Und wenn ich eine Frau wäre und ich wollte einen Mann verarschen, egal jetzt warum, da kann es viele Gründe geben und auf den tatsächlichen Grund kommst du nie, also wenn ich eine Frau wäre und einen Mann verarschen wollte, dann würde ich vorweg mir unwillkürlich in die Haare fassen, und das jedes Mal, wenn ich ihn sehe.

Montag, 5. Juli 2010

Spaß

Absperrungen am Tiergarten. Gar nicht gleich kapiert, warum. Erst  weiter vorne am Grossen Stern: Na klar, wegen  WM Fanmeile. So sieht das also aus.  Riesenhafter portalartige Zugang gegenüber der Siegessäule.  Harter Eindruck. Harter Ausdruck von Jetztzeit.  Event- Infrastruktur. Fun-Maschine. Totalitarismus des Fun, denke ich verbittert.  Angewidert von der Schwarz-rot-gold-Ritualisierung der Fußballbegeisterung. Dabei ist das hier noch gar nichts. Bin mal in den Niederlanden gewesen während einer WM. In Den Haag. WM war in den USA. Abends spielten die Holländer im Viertelfinale, ich weiß nicht mehr gegen wen. Am Morgen in der Stadt alles in Oranje. Keine Straße ohne Wimpel-Girlanden. Kein Schaufenster ohne Fan-Devotionalien.  Die Bar, in der wir das Spiel geguckt  haben; der Barkeeper trug eine orangefarbene Fliege. Beim Schlusspfiff, als Holland das Spiel verloren hatte, nahm er die Fliege vom  Hals, legte sie zur Seite und sagte: Bingo! Im Straßenbild das Gleiche: Am nächsten Morgen kein Fitzelchen Orange mehr zu sehen. Es hat mich amüsiert. Warum amüsiert es mich hier nicht? Warum gönne ich den Leuten hier nicht ihren Spaß? Bin doch sonst nicht so. Warum widert  mich die Begeisterung hier so an, dass es mir meinen eigenen Spaß am Fußball verdirbt? – Keine Antwort. Im rausgeschmissenen Text von gestern habe ich  auf “Totalitarismus des Fun” rumgeschwurbelt.  Bis hin zum (ironisch gemeinten) Link zu Leni Riefenstahl, Triumph des Willens  und dem Karl-Kraus-Zitat über eine Zeit, "wo alle Individualität haben, und alle dieselbe, und die Hysterie der Klebstoff ist, der die Gesellschaftsordnung zusammenhält". Lächerlich. Nicht das Zitat, sondern mein Geschwurbele damit. Das Zitat von Karl Kraus ist aus Nestroy und die Nachwelt. Leni Riefenstahls Triumph des Willens  (1935) kann man in vollständiger Fassung bei video google.com sehen. Und dann ist mir nebenbei noch aufgefallen, dass die BILD-Zeitung ihr widerwärtiges "Schwarz-rot-geil"-Wording von 2006 aufgegeben  hat.

Sonntag, 4. Juli 2010

Voodoo

Maradona. Müller. Merkel. Messi. Immer wieder Messi. Immer wieder Merkel. Immer wieder Maradona. Immer wieder Müller: In der dritten Minute schießt der  Marathonläufer Thomas Müller das 1:0 für die deutsche Mannschaft. Es ist „das schnellste Tor der WM“ sagt der Kommentator Bela Rethy. So was kann man sagen. Wenn man es hinschreibt, sieht man, dass es heißen müsste, dass es das früheste Tor der WM ist. Ich sitze vor dem Fernseher und habe mein Laptop in Sichtweite und meine drahtlose Cherry-Tastatur im Schoß, weil ich mich bei dem England-Spiel letzten Sonntag stellenweise gelangweilt habe und weil das jetzt eigentlich die Zeit ist, zu der ich täglich blogge, und weil ich gar nicht genug tun kann, um mich abzulenken. Angela Merkel ist im Stadion in Kapstadt. Interessiert die sich ernsthaft für Fußball? Ihre Torbegeisterung in der dritten Minute lässt es vermuten. Wenn sie nur so tut, haben wir ein Problem mit ihr. Tevez verliert einen Schuh im Zweikampf mit Khedira. Maradona hat einen Rosenkranz aus massivem Silber in der Hand.  Ich denke, die machen schon noch ihr Tor, die Argentinier. Und im nächsten Moment – wirklich im nächsten Moment – der starke Pass von Lionel Messi auf Tevez. So – könnte es gehen. Stattdessen nun Müller auf Klose. Mann, haben die Platz!  Der muss eigentlich drin sein. Die "Suche der Argentinier nach einem Rezept" sieht Rethy. Hätte ich nicht meine Tastatur im Schoß, würde ich jetzt anfangen mich zu langweilen. Freistoß Messi: „Es ist der 24. Torschuss des Weltfußballers bei dieser WM. Tore bisher null.“ Leonardo DiCaprio auf der Tribüne. Hinter Mick Jagger. „USA und England sind ausgeschieden. DiCaprio und Jagger sind noch da. Schweinsteiger auch“, sagt Rethy. Handspiel Thomas Müller. Gelb. Freistoß Messi in die Mauer. Die letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit war Argentinien besser. Aber nicht als Deutschland. Der Kalauer ist von mir. Die Zigarette in der Halbzeitpause schmeckt nicht, weil es viel zu heiß ist, um zu rauchen. Das Fenster des Contessa-Zimmers ist geschlossen. Ich versuche so zu tun, als wäre nichts. Die Argentinier stecken in den Katakomben die Köpfe zusammen, bevor sie zurück aufs Spielfeld gehen. Die deutsche Mannschaft hält dem Druck der Argentinier stand. Jetzt langweile ich mich trotz der Tastatur in meinem Schoß und würde gerne an was Schönes denken. Der Marathonläufer Müller spielt im Sitzen den Ball auf Podolski. Der passt auf Klose, der Mühe gehabt hätte, das Tor nicht zu machen. Merkel ist völlig aus dem Häuschen und hat vergessen, für diesen Auftritt die unvorteilhafte Brille abzusetzen. Ist ihre Begeisterung doch echt?  Schweinsteiger macht mit der argentinischen Abwehr, was er will, und schenkt Arne Friedrich das erste Länderspieltor seiner Karriere. Merkel lässt sich jetzt völlig gehen. Die südafrikanischen Würdenträger um sie herum wissen nicht wohin mit ihren konsternierten Blicken. Was werden sie denken? Wissen sie von den miesen Umfragewerten der Merkel-Regierung? Haben sie  von dem  in Deutschland verbreiteten Voodoo-Glauben gehört, wonach die Bürger mit ihrer Regierung gleich viel zufriedener sind, wenn das Nationalteam ins WM-Halbfinale kommt? - Müller mit Krampf raus in der 83. Minute. „Der ist mehr als 10 km gelaufen in dem Spiel“, sagt Rethy. Viertelmarathon sozusagen. Maradona ist nicht zu Scherzen aufgelegt. Den Tränen nahe. Und dann auch noch der katzenhafte Özil aus dem Fußgelenk auf Klose, der das 14. WM-Tor seiner Karriere erzielt.  Merkel verausgabt sich völlig. Fehlt nur noch, dass sie von einem Fuß auf den anderen hüpft. Auch das würden die südafrikanischen Würdenträger mittlerweile mild lächelnd hinnehmen. Denn das muss man sich mal vorstellen: 4:0! Gegen Argentinien! „Der Mythos Maradona ist zerstört“, sagt Rethy.  Und Messi hat bei der ganzen WM kein einziges Tor geschossen. Er heult gleich. Maradona nimmt ihn tröstend in den Arm. Es sieht nicht so aus, als ob das helfen würde. Der Marathonläufer Müller ist auch traurig, weil er im Halbfinale gesperrt ist wegen zu vieler gelber Karten.  Auf Bild.de steht, dass Merkel in der Kabine Schweinsteiger umarmt hat.  Auf FAZ.NET wird sie zitiert mit der Bemerkung:  “Deutschland hat hier heute etwas Wunderbares geschafft. Das war eine tolle Sache.” - Deutschland, sagt sie, hat hier heute etwa Wunderbares geschafft. Voodoo.

Samstag, 3. Juli 2010

Marathon

Bitte das Maradona-Zitat von heute Früh beachten. Morgen mein Fernsehzuschauerbericht über das 4:0 der deutschen Marathonnationalmannschaft gegen die argentinische Fußballnationalmannschaft. Häme? - Wenn man im Moment auf Bild.de geht, spielen sie dort die ersten Takte von Don´t Cry for Me Argentina.  Schöner Song. Wirklich. Keine Häme.

Argentina

Diego Armando Maradona: "Ich mache mir wegen Deutschland keine Sorgen. Wenn wir einen Marathon laufen müssten, würde Deutschland dank Müller gewinnen. Aber im Fußball geht es ja nicht nur ums Laufen. Wenn wir gleichviel Ballbesitz haben, dann sind wir im Vorteil, weil wir den Ball besser kontrollieren können." (Bild.de)

Freitag, 2. Juli 2010

27 °

Die Schwimmmeisterin ist gar keine Schwimmmeisterin. Sie ist Badewärterin. Und sie hat extra noch mal mit dem Chef geredet und der hat ihr bestätigt, dass die Wassertemperatur im Hallenbad im Heidelberger Platz immer schon 27 Grad betragen hat. Den Chef kann ich nicht sprechen, der ist heute krank und Ende des Monats geht er in den Ruhestand. Die Schwimmmeister, die mir etwas anderes gesagt haben (Temperatursenkung von 28 auf 27 Grad wegen Energiesparen) haben keine Ahnung, weil sie alle aus anderen Hallenbädern kommen und nur vertretungsweise am Heidelberger Platz im Einsatz sind. Wie zum Beispiel auch der entspannte Schwimmmeister, mit dem ich danach spreche und der sich das alles nun so erklärt: Dass wir Badegäste vor vierzehn Tagen einen deutlichen Temperaturrückgang verspürt haben, kommt wohl daher, dass die Filteranalage defekt war, infolge dessen das Wasser abkühlte und es dann Tage dauerte, bis der Soll-Wert von 27 Grad wieder erreicht war. Das geht nämlich nicht so schnell, eine solche Wassermenge aufzuheizen. Das dauert mehrere Tage. Genau so wie es mehrere Tage dauert, eine solche Wassermenge in ein Becken zu füllen von der Größe des Schwimmbeckens am Heidelberger Platz. Auf meine Nachfrage räumt der entspannte Schwimmmeister ein, das mit den 28 Grad  nur unterstellt zu haben, weil im Paracelsusbad, wo er bislang beschäftigt war, da haben sie konstant 28 Grad Wassertemperatur.  Von Energiesparmaßnahmen kann nun keine Rede mehr sein. Auch  zum Phänomen des sinnlosen Abstreitens von Tatsachen gibt es keine neuen Erkenntnisse,  weil es sich hier nicht um einen solchen Fall handelte, sondern um einen Fall von Unwissenheit und mangelhaften Informationsaustausch.  Auf jeden Fall aber hat es sich gelohnt, so hartnäckig gewesen zu sein und so lange Fragen zu stellen, bis sie alle beantwortet waren. Demnächst mehr. Dann vielleicht auch mal zu einem Thema, für das sich auch andere interessieren.

Verwandlung

Ganz besonders beeindruckend ist von hier aus gesehen, wenn er im Wohnzimmer, ich sag mal, figuriert, um zu zeigen, dass er da ist und dass ich endlich Ruhe geben soll, weil er da ist und deshalb nichts zu holen ist für mich. Alles seins. Weg da, du da drüben!  -  Er scheint mich in solchen Momenten schon zu erwarten. Das heißt, er steht nicht zufällig da, wo er steht, er hat da Aufstellung genommen, weil er weiß, dass ich gleich auftauchen werde. Sieht er mich und kann sich sicher sein, dass ich ihn sehe, dreht er sich um, und geht dann ganz langsam weg. Breitbeinig, nehme ich an; ich kann das aufgrund der Sichtverhältnisse nicht so genau erkennen. Was ich deutlich sehen kann und worauf es ankommt, das ist, wie langsam er geht, und was für ein breites Kreuz er dabei macht. Das ist das Eindrucksvolle, wie er das hinkriegt, sich so  zu morphen, dass er plötzlich dieses enorm breite Kreuz hat. Wie ein Football-Spieler in seiner Kluft oder wie die Gorilla-Männchen in dem sehr schönen Film mit Sigourney Weaver,  Gorillas in the Mist (mist = Nebel), der dem Lebenswerk von Dian Fossey  gewidmet ist und von den Umständen ihres frühen Todes erzählt, den nicht etwa Gorillas verschuldet haben, sondern Wilderer, die Dian Fossey davon abhalten wollte, die Gorillas auszurotten. -  Was jetzt eine Abschweifung war, die ohne Belang ist für die Verhältnisse hier. Für die Verhältnisse hier nun die Vorstellung, dass der auch sonst so ist wie mit dem breiten Kreuz. Dass das so eine Art Subtext seines Verhaltens ist, immer gegenwärtig wie eine aura seminalis, oder wenigstens ein Bestandteil seines Verhaltensrepertoires, auf den er jederzeit zugreifen kann. Daran anknüpfende Vorstellung, dass sie ihn sich irgendwann mal ausgesucht hat, oder wenigstens sein Werben sich hat gefallen lassen. Denn mit dem Lasso wird er sie nicht eingefangen haben und sie seither gegen ihren Willen festhalten. Obwohl ich mir das manchmal einzureden versuche, dass er sie irgendwie in der Hand hat und sie nicht freiwillig bei ihm ist. Doch das ist eine Art Idealisierung. Realistisch ist die Annahme, dass er ihr irgendwann mal gefallen hat und wenn nötig noch immer gefällt  so wie er nun mal ist. also auch mit seiner Eigenschaft, sich wie beschrieben so morphen zu können, dass er diese Imponier-Rückenansicht hat.  Was wiederum bedeuten könnte, dass unsere Geschichte ein einziges Missverständnis ist und von Anfang an ein Missverständnis war, weil ich zwar der Typ bin, der von einem solchen Morphing, zu dem er fähig ist, sich nicht einschüchtern und abhalten lässt, weil ich aber selbst zu einem solchen Morphing nicht in der Lage bin und auch nicht bestrebt bin es zu sein. Womit mal wieder viel gesagt und gar nichts  gewonnen ist. Denn es macht unsere Geschichte nicht weniger schmerzhaft. Nur noch aussichtsloser, als sie es ohnehin schon ist.