Mittwoch, 29. Februar 2012

Kodak

Why am I wasting my time elaborately copying things when I could use a camera?
Cindy Sherman


Young girl taking a Kodak picture of her doll, 1917
Foto: Library of Congress

Dienstag, 28. Februar 2012

Einseitig

Mail von der Frau, mit der ich mich am Freitag getroffen habe. Ich habe ihr das Link zu Augenbrauen geschickt und zu Eilig und kühl. Sie schreibt zurück, dass sie das alles nicht interessiert und nichts angeht. Aber warum regt sie sich dann so auf? Weil das eine Zumutung ist, in die Rolle einer Frau gedrängt zu werden, die so tut, als wäre sie eine Unbekannte, aber in Wahrheit ist sie die mittlerweile weltberühmte Contessa aus dem Stadtbad Schöneberg. So berühmt, dass sie sich dort nicht mehr blicken lassen kann, sonst reißen ihre Fans ihr den Badeanzug in Fetzen vom Leib. Die Empörung, mit der die Frau reagiert, mit der ich mich am Freitag getroffen habe und die mir jetzt schreibt, dass sie in meinem Blog nicht mehr vorkommen will, mithin auch in meinem Leben nicht, sie zeigt mir, in was für einem Wahn ich lebe und wie ich anderen Menschen zur Last falle mit meiner Projektion. So habe ich den Wahn immer genannt selbstkritisch, so nennt sie ihn jetzt vorwurfsvoll, außer sich, böse auf mich. Verständlich wegen der Zumutung, aber auch übertrieben, wenn man berücksichtigt, dass ich mit meinem Wahn bei dem Treffen am Freitag mehr unterhaltsam war als aufdringlich. So wenig aufdringlich war ich, dass ich sie sogar ihren koffeinfreien Cappuccino und ihr Mozzarella-mit-Tomate-Baguette habe selbst zahlen lassen und damit für eine peinliche Irritation gesorgt habe bei ihr und dem Kellner. Trotzdem habe ich, während ich ihre Mail lese, das wachsende Scheißgefühl, mich falsch verhalten zu haben. Das hört auch so schnell nicht wieder auf und ich bin nun zu 95 Prozent sicher, dass sie nicht die Contessa ist, für die ich sie hielt. Und was täte ich nicht alles dafür, um die verbleibenden fünf Prozent auch noch zusammenzukriegen. Aber dann schreibt sie in ihrer Mail schon wieder Comtessa mit m, obwohl sie das Wort in diesem Blog sicher mehrfach gelesen hat in korrekter Schreibweise: Co-n-tessa. Will jemand es da ganz besonders gut machen beim Sich-Verstellen? Ach was, sie schreibt ja auch verreisen wie vereisen in einem Gedicht, in dem sie nach Wien will. Hätten wir uns noch einmal getroffen, hätte ich sie darauf hingewiesen; jetzt eben so. Kleines Dankeschön für den Tipp: den Tipp anbei, mir einmal die Einseitigkeit der Geschichte vor Augen zu halten, meiner Geschichte mit der Contessa, kann sie damit nur meinen. Als wäre mir diese Einseitigkeit der Geschichte nicht schon längst klar geworden. Schreibt sie mir das als die Frau, die ich für die Contessa halte, die es aber nicht ist, dann ist der Tipp entweder hämisch oder dämlich. Wenn sie jedoch die ist, für die ich sie halte, und sich nur so verstellt, dass es bizarr und nicht sehr sympathisch ist, dann wäre das endlich mal eine klipp und klare Aussage, und dann hätte sie sich damit verraten. Worauf es nun aber auch nicht mehr ankommt, nachdem sie sich so unsympathisch dargestellt hat und ich die Einseitigkeit der Geschichte längst kapiert habe. So dass ich gar nicht weiß, was sie noch wollte mit ihrem Auftauchen vor dem Rathaus und bei Videoworld. Wenn sie die ist, für die ich sie halte. Das die fünf Prozent Unsicherheit, die ich meinte. Doch wenn es darum geht, diese Geschichte zu beenden, die beste Version. Und es geht darum, diese Geschichte zu beenden, wenn sie zu nichts anderem gut ist als zu Aufregung, Verstellung, Einseitigkeit.

Academy

Die Freundin in München schaut sich alle relevanten Kinofilme an. Hat sie The Artist gesehen? Wenn, dann soll sie bitte einmal in ein paar Sätzen ihre Eindrücke schildern, schreibe ich ihr. Denn ich kann mich nicht dazu überwinden, den Film anzugucken. Das Projekt, der Hype, der Trailer, der sympathische Hauptdarsteller, der sympathische Regisseur, die vielen Franzosen auf der Bühne bei der Oscar-Preisverleihung, das alles ist so uninteressant.

Die Organisatoren der Veranstaltung haben das Votum der gerontokratischen Academy of Motion Picture Arts auf ihre Art kommentiert, indem sie den zwergwüchsigen Tom Cruise den Oscar für den besten Film übergeben ließen. Gerontokratisch heißt, die Academy ist zu über zwei Dritteln mit weißen Männern über 65 besetzt. Das ist normal für eine Akademie und es ist doch auch so: Wenn es bessere Filme gegeben hätte im vergangenen Jahr, dann hätten die Senioren der Academy ihnen nicht einen schwarz-weißen Stummfilm vorgezogen, der mit Digital-Tricktechnik aus Los Angeles und mit Darstellern aus Frankreich realisiert wurde, die, wenn man ihnen einen Oscar in die Hand gibt, sagen: I love your country.


Montag, 27. Februar 2012

Serhat



Sprich nicht Ser-hat, sondern Serrat. Mit türkischem R, das ihr Deutschen nicht könnt, sagt Oguzhan, als ich mir von ihm beibringen lasse, wie man den Namen seines Cousins korrekt ausspricht. Erst vor kurzem war das. Peinlich, wenn ich daran denke, wie lange ich ihn mit Ser-hat angesprochen habe, und er hat nie ein Wort gesagt deswegen.


Nahezu unmöglich, ihn ohne ein Lächeln zu erwischen. Irgendwann mal ist mir klar geworden, dass ich mir darauf nichts einzubilden brauche, wie freundlich er zu mir ist, weil so freundlich wie zu mir ist er zu jedem. Ich bin so erzogen worden, hat er neulich gesagt, als es um die zwei Leute ging, die er gerade rausgeschmissen hatte, weil krank sein, das kommt vor, aber anrufen und sagen, ich bin krank, und dann auf der Hauptstraße gesehen werden, als wäre nichts, da ist es vorbei mit freundlich und das ist das Problem: Weil er so freundlich ist, denken die Leute, sie können machen mit ihm, was sie wollen, kommen an und bitten und betteln darum, im Kaiser Kiosk arbeiten zu können, weil sie ganz dringend Geld brauchen, aber wenn sie dann zum ersten Mal ihre 1000 Mark bekommen haben, dann fangen sie an zu kränkeln, werden unpünktlich, kümmern sich nicht richtig um die Kunden, weil sie mit ihrer Freundin reden müssen, die ständig im Laden herumhängt, und glauben, sie können sich alles erlauben, weil Serhat ist so lieb und so nett, der lässt das mit sich machen. Und dann ist das Staunen groß, wenn er ihnen sagt, wie gerade neulich den beiden Frauen, der einen im Kaiser Kiosk, der anderen in der Akazienstraße 2: Geht so nicht. Aus!  Weil er an den Laden denken muss, an seine Kunden, an das Geschäft, an die Leute, die davon leben und denen gegenüber er verantwortlich ist. – Da solltest du eben von vornherein deinen Mitarbeitern zeigen, was für ein harter Hund du sein kannst, wenn es ums Geschäft geht, damit sie erst gar nicht auf die Idee kommen, sie könnten dir auf der Nase herumtanzen, sage ich. Als wäre er da nicht selbst schon drauf gekommen und würde das nicht längst so machen, wenn er wüsste, wie das gehen soll? Denn wie soll er den Leuten die Härte zeigen, solange es keinen Grund dafür gibt? Soll er von vornherein unangenehm sein zu ihnen, nur damit sie seine Gutartigkeit nicht ausnutzen? Dazu müsste er sich schon sehr verstellen und schauspielerisches Talent haben bei der Erziehung zur Freundlichkeit, die er genossen hat.  


Als wir über all das sprachen, sagte er: Ich erzähl dir jetzt mal was, weil du ein loyaler Typ bist. Da habe ich mir was drauf eingebildet und gefreut darüber habe ich mich auch. Weil er das bestimmt nicht zu jedem sagt. Und weil es mal einer erkannt und ausgesprochen hat. Allerdings: Ich bin es nicht gegenüber jedem. 

Sonntag, 26. Februar 2012

Afrobeat


Bucco  "Portal CXXXV"    Marmor    2009

Finissage what makes you white? what makes you black?  im Verein Berliner Künstler.



Thabo Thindi Dokumentation des Projekts "Verbindliche Offenheit"
Video  2012

Afrikanische Künstler, deutsche Künstler, deutsche Künstlerinnen. 

Ina Lindemann  Dynamik der Wünsche
Mischtechnik/Leinwand   2011

Helga Ntephe. Von Ina erfahre ich, wie man den Namen ausspricht: En-tefe, und dass sie mit einem Afrikaner verheiratet war. Ich könnte mich auch mit ihr bekannt machen lassen von Ina. Obwohl das nicht nötig ist, da ich keine Scheu vor fremden Menschen habe. Aber ich will nicht mit ihr bekannt werden. Weil ich nicht weiß, worüber ich mit ihr reden soll. Als ich mir ihre Arbeiten angeschaut habe, da habe ich auch die biografische Notiz dazu gelesen. Sehr persönlich verfasst. Der Text ist besser als alles, was ich aus ihr herauskriegen könnte. 


So sieht sie aus: Helga Ntephe. Die Frau in der Mitte neben Ina Lindemann (links). 


Und das ist eine neuere Arbeit von ihr. Aus dem Projekt deutsch:Land, nehme ich an. Darüber würde ich gerne einmal mit ihr reden, aber nicht heute. 

Helga Nthephe  "Gestühl der Erinnerung"  digital art
Vintage-Pigmentdruck   2011



Verein Berliner Künstler 
Schöneberger Ufer 57
10785 Berlin - Mitte


Kunst: Ó die ausstellenden Künstler
Fotos: Ó w.g.

Rosemary



Was ist das?


Rosemary? Und ihr Baby?


Sie kennt den Film nicht und verdunkelt hat sie den Kinderwagen, weil sie schläft. Denn, wenn die Sonne sie – wie soll sie sagen? – Ich weiß es jetzt gerade auch nicht: Wenn sie zu viel Sonne abkriegt? – Ja, dann wacht sie auf.

Später fällt mir ein, dass sie entweder sagen wollte: wenn die Sonne ihr ins Gesicht sticht, oder: wenn die Sonne sie blendet. Letzteres, nehme ich an. Denn dass die Sonne ins Gesicht sticht ist eine alte Ausdrucksweise, noch viel älter als der Polanski-Film Rosemary´s Baby. Sie sagte aus Höflichkeit, sie will sich den Film einmal angucken. – Unbedingt, habe ich gesagt, aber hinterher gedacht: a) wo soll sie den Film zu sehen bekommen? Und b) der Film ist so alt, dass seine Filmsprache sie am Ende gar nicht mehr erreicht. Und dann habe ich noch gedacht: Alt zu sein ist überhaupt kein Problem. Man sollte sich nur von jungen Menschen fern halten oder wenigstens nichts von ihnen wollen. Und mit dem im Sinn sich nun mal klar machen, wie eine stark alternde Gesellschaft sich dem Jugendwahn ausliefert. Aber das ist nun wirklich nicht mein Problem.

Samstag, 25. Februar 2012

Augenbrauen




Wenn ich sie anschaue, kann es gar nicht anders sein: Sie ist es. Wenn ich ihr zuhöre, dann ist es ganz klar, dass sie es nicht ist, und ich denke, ich sollte vermeiden, immer wieder darauf zurückzukommen, denn wenn sie es nicht ist, weiß niemand besser als sie, wie ich daneben liege und in was für einem Wahn ich lebe. Wenn sie es nicht ist. Wenn ich daneben liege.

Was noch dafür spricht, dass sie es ist: dass wir mit einer Vertrautheit miteinander umgehen, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Tun wir ja auch – wenn sie es ist: vor etwas mehr als drei Jahren haben wir zum ersten Mal miteinander gesprochen und dann lange nicht mehr. Wenn sie es nicht ist, dann ist es einer der seltenen und deshalb kostbaren Fälle von Verständnis ab dem ersten Satz. Was nicht heißt, dass man mit allem einverstanden ist und alles wird gut. Mit Martina aus Hamburg hatte ich vor mehr als zehn Jahren auch so ein Verständnis, aber nur, weil wir uns auf das Verständnis beschränkt und alles andere gelassen haben. Martina ist Jahrgang 1971, inzwischen - Kontakt zu ihr verloren - ist sie also 40. Zur Contessa hat es mal die Information gegeben, sie sei gar nicht so jung, wie ich annahm, sie sei geboren am 11. September 1971. Wegen der Quelle, aus der das kam, hätte es auch eine absichtliche Fehlinformation sein können. Sonst aber hätte es schon gepasst zu dem, was ich mit ihr erlebt und nicht erlebt habe, und manches daran erinnerte mich an Martina. So wie mich auch an der Frau, mit der ich gestern im Café Sur verabredet war, manches an Martina erinnerte. Als ich sie fragte, wie alt sie ist, sagte sie, sie sei 37. Damit wäre sie allerdings so alt, wie ich die Contessa ursprünglich geschätzt hatte.

Wir waren also verabredet gestern. Ich kam etwas früher und habe daran gedacht, wie oft ich auf die Contessa vergeblich gewartet hatte an Plätzen wie dem Café Sur. Aber da sah ich sie auch schon mit ihrem Fahrrad die Straße überqueren und als sie herein kam, habe ich zu ihr gesagt: Dass du zu unserer Verabredung kommst, ist ein weiteres Indiz dafür, dass du nicht die Contessa bist. – Denkst du das denn immer noch? fragte sie lachend und das war einer der Momente, wo es völlig klar war, dass sie nicht die Contessa ist. – Ich habe mir das so lange in den Kopf gesetzt, dass du es bist, so schnell komme ich da nicht weg davon, sagte ich um ihr Verständnis bittend. Später fragte sie mich, weshalb ich die Frau aus dem Hallenbad Contessa genannt habe. Ich habe ihr darauf von Hemingway, seinem Venedig-Roman und dem kurzen Glück erzählt, das ein alter Oberst und eine sehr junge venezianische Contessa in dem Roman zusammen erleben. Ich habe ihr  jedoch nicht von dem zweiten, dem entscheidenden Grund erzählt: von dem contessenhaften Gebaren, mit dem sie oder die Frau, die ihr so ähnlich sieht, mich fast verrückt gemacht hat, so hingerissen war ich von ihr. Danach haben wir lange über sie und ihre Lebensumstände gesprochen. Darüber Stillschweigen. Nur, dass es dabei auch mal um Fotografie ging. An der Stelle habe ich meine Kamera hervorgeholt und sie vor mich hingelegt, unter dem Vorwand, ihr die Fotos zeigen zu wollen, die ich am Vorabend bei Peter gemacht hatte. Die haben wir dann auch zusammen angeguckt. Ihr haben die gleichen Bilder gefallen wie mir, und als sie die Fotos von I. L. sah und ich sie die überwältigende I.L. genannt habe und erzählte, wie sie mich aufgefordert hat, mit ihr vor die Tür zu gehen, weil da das Licht besser ist für ihr Gesicht, da hat sie auf das Display der Kamera gedeutet und gesagt: Die hat tätowierte Augenbrauen. Nachdem ich ihr alle Bilder gezeigt hatte, fragte ich sie, ob ich sie fotografieren darf, und sagte schnell dazu: nur für mich, ich zeige die Fotos ohne dein Einverständnis nicht im Blog. – Sie: Nein. – So entschieden das Nein, dass ihre Erklärung, dass sie sich auch sonst nur ungern fotografieren lässt, überflüssig war. Ohne Murren habe ich meine Kamera weggesteckt, doch  als ich mich heute Morgen nach dem Aufwachen daran erinnert habe, da dachte ich, dann können wir alles weitere vergessen, wenn sie sich nicht fotografieren lässt, dann ist sie für den Blog durch und damit auch für mich. So grimmig wie nach dem Aufwachen sehe ich es inzwischen nicht mehr. Jetzt ärgere ich mich nur noch darüber, dass sie meinen kleinen schlauen Plan durchkreuzt hat mit ihrem Nein. Die Contessa hat ihre Augenbrauen so gezupft, dass nur zwei dünne Striche übrig blieben. Sie – die nicht die Contessa ist oder doch? – hat ebenfalls gezupfte, aber natürlich geformte Brauen. Das Programm heißt GIMP, ist Freeware, bietet alle Möglichkeiten von Photoshop, und damit wollte ich die Fotos von der Frau, mit der ich gestern verabredet war, retuschieren, indem ich ihr die Augenbrauen der Frau aus dem Hallenbad verpasse. Gleich wie das Experiment ausgegangen wäre, es wäre ein starker Beweis gewesen. Hatte sie das mit ihrem entschiedenen Nein verhindern wollen? – Glaube ich nicht. Sie hat Nein gesagt, weil sie so zimperlich ist wie viele andere auch, wenn es ums Fotografieren geht. Sonst ist sie gar nicht so zimperlich. Als wir aus dem Café Sur herausgekommen sind, ist sie dann allerdings gleich auf ihr Fahrrad gestiegen und losgefahren, statt das Fahrrad neben sich her zu schieben und noch ein Stück mit mir zu gehen. Doch das hatte nichts mit Zimperlichkeit zu tun, sondern sicher damit, dass sie sich mit mir nicht so wohl gefühlt hat wie ich mich mit ihr. 

Foto: Roger und Renate Rössing, Porträt einer jungen Frau mit gemalten Augenbrauen, Leipzig 1953; Quelle: Deutsche Fotothek via Wikimedia Commons.

Freitag, 24. Februar 2012

Apollo&Daphne


Das Eingangs-Ensemble: Links Sommerhoff. Rechts Lindenberg. Rechts unten der Lorbeer: Der Subtext der viertägigen Ausstellung mit Papierarbeiten von Evelyn und Peter im Atelier von Peter, das jetzt ganz anders aussieht als bei seiner Ausstellung im Januar, aber wieder sehr gut.


Er Apoll? Sie Daphne?



Der Subtext: Wie das scheinbar Unvereinbare doch zusammenkommt. In der Welt und in dieser Ausstellung. Apoll hat sich lustig gemacht über die Liebe, die Beruf und Berufung ist von Eros aka Amor. Der rächt sich an Apoll, indem er ihn sich verlieben lässt in eine der unnahbarsten Frauengestalten  der griechischen Antike: Daphne. Sie will nicht nur von Apoll nichts wissen, sie will überhaupt nichts mit Männern zu tun haben, und als Apoll sie allzu sehr bedrängt, da verwandelt sie sich in einen Lorbeerbaum:
Ihren zarten Busen umschließt weiche Rinde, in Blätter verwandelt sich ihr Haar, in Äste die Arme. Ihr Fuß, eben noch so flüchtig, stockt, von zähen Wurzeln gehalten. Ein Wipfel verbirgt ihr Gesicht. Nichts bleibt zurück als die glänzende Schönheit.
So auch liebt sie Apollo, und als er die rechte Hand an den Stamm legt, fühlt er noch unter der frischen Rinde das Herz schlagen.
Er umschlingt mit seinen Armen die Zweige, als ob er Daphne selbst an seine Brust drückte, und bedeckt das Holz mit Küssen - aber selbst das Holz weicht vor den Küssen zurück. 

Doch dann passiert etwas sehr Schönes, Berührendes. Apoll erklärt den Baum zum heiligen Baum, mit dessen Zweigen künftig die Helden gekränzt werden sollen. Das ist noch nicht das Schöne, Berührende. Das kommt jetzt erst, als Apoll geendet hat. Da mit eben entstandenen Zweigen nickt ihm der Lorbeer Beifall zu, und gleich einem Haupt scheint sich der Wipfel zu neigen. (Ovid, Metamorphosen, Kapitel 6 )














Paperback
Arbeiten auf Papier von
Evelyn Sommerhoff
und
Peter Lindenberg
Bis Sonntag, 26.02.2012, 15 - 19 Uhr
Genthiner Str. 11 (Außentreppe links)
10875 Berlin
Kunst: Ó Lindenberg und Sommerhoff
Fotos: Ó  w.g.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Gucci



Es scheint sich nicht zu lohnen im Februar. 


Der Keramikladen in der Eisenacherstraße. Die Figuren werden immer größer. Aber die Schaufensterscheibe werden sie der Töpferin ihretwegen nicht einschmeißen.


Obst&Gemüse-Laden gut&teuer gegenüber der Apostel-Paulus-Kirche. Imad im schönen Libanon, wo auch seine Frau lebt. 


Schönebag, der Laden von Norbert. Er ist bekennender Urlauber. Vom 4. Februar bis 10. März in Thailand oder so. Kathrin, die ihn im Laden vertritt zu den reduzierten  Öffnungszeiten, weiß es nicht, wo er Urlaub macht. Ich staune immer wieder, wie wenig neugierig andere Leute sind. Entweder sie interessieren sich nur für sich selbst oder sie haben mit ihrer Neugier so ungute Erfahrungen gemacht, dass sie sie aufgegeben haben: zu oft enttäuscht worden in ihrer Neugier, Wunder weiß was erwartet und dann war es dermaßen fad, was sich herausgestellt hat, dass sie beschlossen haben, sich nur noch für sich und ihren nächsten Urlaub zu interessieren.



Die Tasche, die sich Kathrin umgehängt hat, kostet 69, 90 Euro, ist gefertigt aus LKW-Plane und die LKW-Plane ist bedruckt mit verschiedenen Mustern oder Motiven. Die Motive sind Schöneberger Motive: 




Manche Leute stören sich an dem Schönebag-Etikett, sagt Kathrin. Aber erstens kann man das entfernen, wenn man will. Und zweitens: wenn man sich eine Gucci-Tasche kauft, dann steht auf der ja auch Gucci. 


Schönebag
Akazienstraße 8
10823 Berlin
030 454 18 36


Schönling

Oguzhan freut sich, endlich wieder im T-Shirt im Laden stehen zu können. Und ich hätte es nicht für möglich gehalten: Die neue Bäckerei, obwohl keine 100 Meter von der Back-Factory entfernt, scheint gut zu laufen.
Weißt du, was die an Miete zahlen?
 Sag!
4000 Euro. 
Nä!  
Doch. 
Ich dachte erst, das sind Türken. 
So blöd sind keine Türken, dass sie 4000 Euro Miete zahlen für so einen Laden.
Könnte sein. 
Hast du mal gesehen, wie klein der Laden ist? 
Ja. Hast du die Fotos, die ich von dir gemacht habe, mal anderen gezeigt? 
Nein.
Warum nicht? 
Weil sie mir nicht gefallen.
Du solltest dich damit abfinden, wie du aussiehst. Du bist nun mal kein Schönling. 
Nee, nä?
Aber wer will das auch sein? Du bist ein Charakter. Und das schon mit 22. Andere brauchen  da ein ganzes Leben für und wie viele schaffen es nie.
Wann fotografierst du mich wieder?
Ähm … weiß ich jetzt gerade nicht. Im Frühling?  

Mittwoch, 22. Februar 2012

Homs

Marie Colvin Killed in Syria ...



These are twenty-eight thousand civilians, men, women and children, hiding, being shelled, defenseless. That little baby is one of two children who died today, one of the children being injured every day. That baby probably will move more people to think, “What is going on, and why is no one stopping this murder in Homs that is happening every day?



Marie Colvin 1956 - 2012

Dienstag, 21. Februar 2012

Vorübergehend

Um sechs Uhr drehe ich mich noch mal auf die Seite und sie sagt, die Texte, die ich über sie geschrieben habe, sind anders als die übrigen Texte. Sie sagt das als Vorwurf und sagt es immer wieder. Ich erwidere, dass ich das gerade gut finde: das Diskontinuierliche des Blogs, nenne ich es und behaupte schließlich, das Diskontinuierliche sei Absicht. In dem Keller sind Bauarbeiten im Gang. Ein Flachkran streckt seine Fühler durch das Kellerfenster; die Fühler haben die Form einer Stimmgabel. Es ist besser, wenn wir uns in den hinteren Teil des Kellers zurückziehen. Wir setzen uns auf eine Bank und küssen uns. Ihre Zunge fühlt sich so an, wie ich es mir vorgestellt habe. Eine Frau, die hinter mir sitzt und die ich aus Heidelberg kenne, bittet um Entschuldigung dafür, uns stören zu müssen. Als ich mich zu ihr umdrehe, sehe ich auf der Wanduhr, dass es schon zehn nach sieben ist. Viel zu spät, um es noch zum Frühschwimmen zu schaffen. Tatsächlich ist es aber erst halb sieben. Wenn ich sofort aufstehe, schaffe ich es noch so zeitig ins Hallenbad zu kommen, dass ich eine ganze Stunde schwimmen kann (zum Frühtarif). Etwa eine Stunde brauche ich für 2000 Meter und 2000 Meter müssen es sein, denn die anti-depressive Wirkung des Schwimmens stellt sich bei mir nur noch bei 2000 Metern ein. Als ich über den Parkplatz auf das Bad zugehe, ist die Schwimmhalle so schwach beleuchtet, wie ich es noch nie gesehen habe. Als ich den Haupteingang erreiche, ist da gar kein Licht. Nur mit Mühe kann ich lesen, was auf dem Zettel steht, der hinter der Glasscheibe klebt. Das Hallenbad ist vorübergehend geschlossen. Wir bitten um Verständnis. 6.55 Uhr. Was heißt vorübergehend? Heute nicht und morgen wieder?

Rückweg. Nachher Matthias Oloew anrufen, den mir bekannten Pressesprecher der Berliner Bäderbetriebe. Und im Blog heute darüber berichten? Besser, wenn es nichts zu berichten gibt und morgen ist wieder offen. Dann heute die Prozac-Nebenwirkungen-Anekdote bloggen oder über die Frau mit dem hellblauen Mantel, dem sonnengebräunten Teint und den braunen Schuhen oder über den Aufwachtraum von vorhin? Es ist klar, wer das war in dem Traum. In der Realität ist es nicht klar, wer die Frau aus dem Traum ist. Ich habe eine Tendenz zu schwierigen Frauen. Die letzte war so schwierig, dass ich sie nie kennengelernt habe. – Tendenz? – Trend? –Neigung? – Ich habe eine Neigung zu schwierigen Frauen. Meine letzte Frau war so schwierig, dass ich sie nie kennengelernt habe.

Als ich Matthias Oloew anrufe, weiß er nichts von einer Betriebsstörung im Stadtbad Schöneberg. Er fragt gleich mal nach, was da los ist. Halbe Stunde später ruft er zurück. Es waren nicht genug SchwimmmeisterInnen da für einen ordnungsgemäßen Badetrieb. Sie mussten vom Sachsendamm einen Schwimmmeister anfordern und das hat eine gute Stunde gedauert, bis der eintraf. – Wie viele Schwimmmeister müssen es sein im Stadtbad? – Drei? – Und kommt einer mal nicht, dann ist gleich das ganze Bad geschlossen? – Personaleinsparungen. Arme Stadt. Nicht zu ändern, sagt der Pressesprecher. Wir sind uns einig, dass wir beide das anders gemacht hätten heute Morgen: Bad geöffnet. Badebetrieb eingeschränkt auf das große Becken. Obwohl zu berücksichtigen ist, dass einige Frühschwimmer auch kommen wegen des Außenbeckens, gibt Matthias Oloew zu bedenken.  Doch über die kann ich mir jetzt nicht auch noch Gedanken machen. Ich will an meiner Februar-Geschichte weiter schreiben, von der ich bereits jetzt weiß, dass sie nichts geworden ist. Es geht darin um einen Kuss, der nicht gegeben wird. Nicht mir, einer Frau nicht gegeben wird. Von einem Mann nicht gegeben wird, der nicht ich bin, in den ich mich aber so gut hineinversetzen kann, dass ich die Geschichte schreibe, die immer kürzer wird und in der es längst nicht mehr ums Küssen geht, sondern um die surrealistische Überschreibung meiner Seifenoper-Phantasie, wenn es mir gelingt, wenn mir wenigstens das gelingt. 

Montag, 20. Februar 2012

Verpasst



Am Dienstag treffe ich Julie August, als sie gerade aus dem Blumenladen in ihrer Nachbarschaft kommt, wo sie eine Valentinstag-Blume für ihre Tochter gekauft hat. Wir verabreden, dass ich zu ihrer nächsten Ausstellung einen Vorbericht machen werde und sie dazu vorher besuche. Aber jetzt bin ich erst mal gespannt auf das Künstlerinnengespräch, das sie am 18. mit den beiden Künstlerinnen der aktuellen Ausstellung machen wird, mit Janina Wick und Katrin Connan. Gespannt, wie Julie das aufziehen wird, wie sie mit den beiden redet. Mal erleben, wie jemand anderer fragt und ob Julie mehr herauskriegt als ich in meinen Interviews. Mit Janina habe ich beim ersten Termin der Vor-lauter-Purpur-Ausstellung schon gesprochen. Katrin Connan war damals nicht dabei. Sie lerne ich dieses Mal kennen, werde sie und Janina dann zusammen erleben und kann die beiden danach fragen, was mir im Januar nicht klar geworden ist: weswegen sie zusammen ausstellen. Was ist eure Gemeinsamkeit? könnte ich sie erst mal ganz platt fragen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen nach dem Künstlerinnengespräch mit Julie. Eine halbe Stunde soll es etwa dauern, hat sie in ihrer Mail-an-alle am Donnerstag geschrieben. Um 18 Uhr öffnet sie, gegen 19 Uhr soll das Künstlerinnengespräch beginnen. Ich bin etwas spät dran. Es ist schon nach halb sieben, als ich zu Hause losgehe. Fünf Minuten bis zur Akazienstraße 30. Gegenüber dem Hauseingang stehen zwei Frauen im Alter der beiden Künstlerinnen und unterhalten sich. Wollen die auch rein? Ich läute. Eine der beiden Frauen hat einen Schweizer Akzent. Wieso wird die Tür nicht geöffnet? Ich habe noch nie zweimal läuten müssen bei der 18m Galerie. Hat das Künstlerinnengespräch schon begonnen und keiner der BesucherInnen übernimmt es, den Türöffner zu betätigen? Ich läute ein zweites Mal. Ich blicke zu den beiden Frauen am Rand des Bürgersteigs, von denen die eine einen wirklich schönen Schweizer Akzent hat. Nichts. Warum rührt sich denn da nichts, frage ich mich und die Antwort kommt prompt von mir selbst, denn in diesem Augenblick fällt es mir ein: Weil heute der 19. ist, das Künstlerinnengespräch war gestern. Nein! Doch, gestern war der 18.! Nachdem ich mir das klar gemacht habe, ist mein erster Gedanke: Wie stehe ich jetzt da vor dem Blog? Sonst ist es einfach nur eine Dämlichkeit, die passieren kann. Ich denke nicht, dass das der Beginn eines Demenz-Schicksals ist. Ich glaube in diesem Fall auch nicht an ein Spuken meiner tieferen Bewusstseinsschichten. Es ist nicht einmal eine dumme Geschichte. Ich habe mich vertan, kein Drama. Schade ist es. Und erzählt habe ich es nur wegen der paar Leute, die sich am Samstag vielleicht gefragt haben, warum ich nicht da war.  

Sonntag, 19. Februar 2012

Roboter


Zsusza Klemm   Ballon
Öl auf Leinwand  210 x 180 cm  1998

Auf dem Hinweg ruft mich eine Freundin aus Heidelberg an. Sie geht mit ihrem Hund spazieren - entweder am Neckar oder auf dem Philosophenweg. Ich habe es sie nicht gefragt. Ich kam nicht dazu, denn ich musste erst ihre Frage beantworten, wie es mir geht. Das hat etwa eine halbe Stunde gedauert. Bis ich den Mehringdamm erreichte und es zu laut wurde zum Telefonieren. Danach war ich so leer, dass ich agiert habe wie ein Roboter und mich auf die Bilder gar nicht richtig einlassen konnte.


Die Bilder sind von Zsusza Klemm. Ich habe die Bilder bei Peter auf dem Bildschirm seines PC gesehen. Jetzt will ich mir die Originale anschauen. Ausgestellt im Entrée des Gebäudes Friedrichstraße 200 zusammen mit Arbeiten von Frank Sanderink




Letzte Tage der Ausstellung. Am 8. März eröffnet schon die nächste. Der Ausstellungsraum, das Entrée, wird kuratiert von Peter Lindenberg.

Zsusza Klemm  Umkleiden 5
 Öl auf Nessel  210 x 160 cm 1998

Zsusza Klemm Umkleiden 1
Öl auf Nessel  210 x 180 cm  1998

Zsusza Klemm Umkleiden 2
Öl auf Nessel  210 x 180 cm  1998


Dass wir mit Peter Lindenberg einen gemeinsamen Bekannten haben und ich mich höflich für das Video interessiere, das der Pförtner über das Hängen der großformatigen Bilder gedreht hat, ändert nichts an der Verschlossenheit des Mannes, die eine professionelle Verschlossenheit ist und früher einmal Zugeknöpftheit genannt wurde. 


Wie er sich die Auskünfte aus der Nase ziehen lässt und hinterher weiß ich es immer noch nicht in Uhrzeiten von-bis! Ich fasse meine Ermittlungsergebnisse zusammen: Der sehr schöne Ausstellungsraum in der Friedrichstraße 200 ist geöffnet von Arbeitsbeginn in den Büros, die im Gebäude untergebracht sind, also von etwa 8 Uhr an, bis zum Büroschluss gegen 20 Uhr. An Wochenenden ist der Ausstellungsraum nur geöffnet, wenn L`Oréal geöffnet hat, heißt: wenn es am Wochenende eine Veranstaltung gibt in der L´Oréal-Akademie, die sich im Erdgeschoss befindet. Was das für eine Akademie ist, frage ich lieber nicht, stattdessen versuche ich die Öffnungszeiten am Wochenende einzugrenzen: 
Morgens ab 10 Uhr? 
Der Pförtner antwortet mit einem wohlwollenden Brummen.
Und bis wann ist abends offen?
Na, so bis Sonnenuntergang.
Wäre ich nicht unterwegs gewesen wie ein Roboter, ich hätte die Geduld für den Mann nicht aufgebracht. - Auch im Ausstellungsraum, dieses Werbebanner von L`Oréal: 




Rückweg über den Potsdamer Platz. Vorbei an der Neuen Nationalgalerie:



Und was war in der 18m Galerie am Samstag? – Oh je! 

Kunst: Ó Zsusza Klemm und Frank Sanderink
Fotos: Ó w.g.