Montag, 27. Februar 2012

Serhat



Sprich nicht Ser-hat, sondern Serrat. Mit türkischem R, das ihr Deutschen nicht könnt, sagt Oguzhan, als ich mir von ihm beibringen lasse, wie man den Namen seines Cousins korrekt ausspricht. Erst vor kurzem war das. Peinlich, wenn ich daran denke, wie lange ich ihn mit Ser-hat angesprochen habe, und er hat nie ein Wort gesagt deswegen.


Nahezu unmöglich, ihn ohne ein Lächeln zu erwischen. Irgendwann mal ist mir klar geworden, dass ich mir darauf nichts einzubilden brauche, wie freundlich er zu mir ist, weil so freundlich wie zu mir ist er zu jedem. Ich bin so erzogen worden, hat er neulich gesagt, als es um die zwei Leute ging, die er gerade rausgeschmissen hatte, weil krank sein, das kommt vor, aber anrufen und sagen, ich bin krank, und dann auf der Hauptstraße gesehen werden, als wäre nichts, da ist es vorbei mit freundlich und das ist das Problem: Weil er so freundlich ist, denken die Leute, sie können machen mit ihm, was sie wollen, kommen an und bitten und betteln darum, im Kaiser Kiosk arbeiten zu können, weil sie ganz dringend Geld brauchen, aber wenn sie dann zum ersten Mal ihre 1000 Mark bekommen haben, dann fangen sie an zu kränkeln, werden unpünktlich, kümmern sich nicht richtig um die Kunden, weil sie mit ihrer Freundin reden müssen, die ständig im Laden herumhängt, und glauben, sie können sich alles erlauben, weil Serhat ist so lieb und so nett, der lässt das mit sich machen. Und dann ist das Staunen groß, wenn er ihnen sagt, wie gerade neulich den beiden Frauen, der einen im Kaiser Kiosk, der anderen in der Akazienstraße 2: Geht so nicht. Aus!  Weil er an den Laden denken muss, an seine Kunden, an das Geschäft, an die Leute, die davon leben und denen gegenüber er verantwortlich ist. – Da solltest du eben von vornherein deinen Mitarbeitern zeigen, was für ein harter Hund du sein kannst, wenn es ums Geschäft geht, damit sie erst gar nicht auf die Idee kommen, sie könnten dir auf der Nase herumtanzen, sage ich. Als wäre er da nicht selbst schon drauf gekommen und würde das nicht längst so machen, wenn er wüsste, wie das gehen soll? Denn wie soll er den Leuten die Härte zeigen, solange es keinen Grund dafür gibt? Soll er von vornherein unangenehm sein zu ihnen, nur damit sie seine Gutartigkeit nicht ausnutzen? Dazu müsste er sich schon sehr verstellen und schauspielerisches Talent haben bei der Erziehung zur Freundlichkeit, die er genossen hat.  


Als wir über all das sprachen, sagte er: Ich erzähl dir jetzt mal was, weil du ein loyaler Typ bist. Da habe ich mir was drauf eingebildet und gefreut darüber habe ich mich auch. Weil er das bestimmt nicht zu jedem sagt. Und weil es mal einer erkannt und ausgesprochen hat. Allerdings: Ich bin es nicht gegenüber jedem.