Sonntag, 2. Dezember 2012
Für Steffen
Der Freund eines berühmten Fernsehclowns ist Medienanwalt und deshalb muss ich vorsichtig sein, wenn ich die Geschichte erzähle, weil es kann natürlich noch eine Reihe anderer Gründe geben, warum der Mann, der einmal einen Fernsehsender geleitet hatte und auch jetzt bei diesem Mittagessen in einer Entscheiderrolle saß und hinterher die Rechnung beglichen hat, die ganze Zeit mit seinem rechten Bein wackelte und immer weiter wackelte, auch noch, nachdem er meine entgeisterten Blicke bemerkt hatte. Mein Agent, dem ich bald darauf von dem Restless-Legs-Syndrom des ihm nur aus der Zeitung bekannten Mannes erzählte, konnte nichts dabei finden. Wenn er und seine Frau abends zusammen am Tisch säßen, dann würden sie auch jeder mit einem Bein wackeln, sagte mein Agent und ich wusste nicht, ob er das vielleicht nur sagte, weil er meine Geschichte von dem Mittagessen mit dem namhaften Mann unterwandern wollte. Agenten können schon sehr große Spielverderber sein. Sie haben aber auch einen sehr harten Beruf, deshalb einen Humor, bei dem nicht jeder lachen kann, und schließlich: Kann es nicht sein, dass der Agent und seine Frau tatsächlich abends an ihrem Küchentisch sitzen, jeder wackelt mit einem Bein und es ist deshalb so entspannend, weil sie es zusammen tun? Beneidenswert! – Als mir eine Freundin vor ein paar Wochen erzählte, dass sie gerade das Prozac-Genericum (Wirkstoff: Fluoxetin) absetzt, das sie über drei Jahre lang genommen hatte, weil sie die Nebenwirkungen nicht mehr ertrug, zum Beispiel nachts nicht schlafen konnte wegen Restless-Legs-Syndrom, da fiel mir sofort der Termin mit dem Fernsehmann ein, von dem ich mir nicht viel versprochen hatte, ihn mehr als Gelegenheit sah, den namhaften Mann kennenzulernen, und dann hatte der die ganze Zeit mit seinem rechten Bein gewackelt und jedes Mal, wenn ich mich daran erinnerte, war ich wieder fassungslos, bis mir die Freundin, Jahre später, von den Nebenwirkungen des populären Antidepressivums erzählte. Warum ich dabei sofort an den namhaften Fernsehmann und nicht auch an den Agenten und seine Frau dachte, kommt daher, dass mein Agent nie versucht hat, witzig zu sein und gute Laune zu verbreiten, jedenfalls nicht in meiner Gegenwart, und es hätte mich auch gewundert, weil er das nicht nötig hat. Der namhafte Fernsehmann hingegen hat, als er das Restaurant betrat, in dem wir verabredet waren, übermütig seine Aktentasche geschwenkt und ein Lied angestimmt, das auf das Thema des Projektes anspielte, über das wir verhandeln wollten, und er hörte nicht eher auf, als bis er die erste Strophe des Liedes zu Ende gesungen hatte, so dass es mir und einer dritten anwesenden Person schon unbehaglich wurde. Da ist mir dann eingefallen, wie gut er mit einem berühmten Fernsehclown befreundet sein soll. Das anschließende Gespräch hat er mit einer so wohltuenden Professionalität geführt, dass mir schnell klar wurde, warum er es in seinem Geschäft so weit gebracht hatte, und es gar nichts machte, dass er sich offenbar nur mit uns getroffen hatte, um uns unser Projekt auszureden. Irritierend war nur ein beständiges rhythmisches Quietschen, dessen Herkunft ich mir erst nicht erklären konnte, bis ich sah, dass es von der Gummisohle des Schuhes am restless leg des namhaften Mannes kam. Wobei ich noch einmal, alleine schon aus rechtlichen Gründen, darauf hinweisen will, wie viele mögliche Ursachen für Restless-Legs-Syndrom es gibt. Kann es zum Beispiel nicht auch sein, dass der namhafte Mann sich bei uns so entspannt gefühlt hat, dass er vor Wohlbehagen mit seinem Bein gewackelt hat und deshalb gar nicht mehr damit aufhören wollte?
Zum ersten Mal gepostet am 11. Mai 2012.