Junge! Kommwieder! Öl auf Leinwand 139 x 159 cm 2009 |
Geboren 1974 in Rostock. DDR-Biografie und was für eine. Mit 14 DDR-Jugendmeister im Eisschnelllauf (Mehrkampf). Wäre die Geschichte anders gelaufen, hätte er die legendären kleinen blauen Pillen nicht nur gesehen, dann hätte er sie geschluckt und wäre vielleicht mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger geworden. Aber dann haben sie seinen Vater eines frühen Morgens abgeholt und eingesperrt wegen Republikflucht. Der Vater hatte in angeheitertem Zustand vom Rübermachen in die BRD gefaselt und als Beweismittel galt eine bei der Hausdurchsuchung gefundene Kneifzange, mit der er den Stacheldraht an der Grenze hätte durchtrennen können, wenn ihn die Schäferhunde der Grenzpolizei nicht zuvor zerfleischt oder die Grenzer ihn nicht abgeknallt hätten. Gerit ist kein DDR-Nostalgiker. Nach der Verhaftung des Vaters war klar, dass er nie ins westliche Ausland würde reisen dürfen, die internationale Sportkarriere war damit geknickt und Abitur durfte er auch nicht mehr machen. Dann kam 1989, er hat das Abitur nachgemacht und angefangen sich an Kunstakademien zu bewerben. Das hat so lange nicht geklappt, dass er schon anfing Agrarwissenschaften zu studieren, aber trotzdem nicht aufgeben wollte. Weiter hat er seine Mappen eingereicht, weiter wurde er abgewiesen, bis er in einer Krisensitzung mit anderen Abgewiesenen den Namen Uliane Borchert aufgeschnappt hat. Schon nach dem zweiten Anlauf mit ihr wurde er angenommen in Weißensee, Abschluss mit Meisterschülerprüfung 2009. Da war er also schon 35. Aber dann ging es auch gleich richtig los. Mit der Ausstellung in Salzburg - bei HangART-7 - noch im gleichen Jahr und 2010 mit einer eigenen Koje, mit der ihn die Galerie Schuster bei der Art Basel Miami Beach präsentierte. Eine Frau hat er, die er während des Studiums kennengelernt hat, Bildhauerin. Zwei Kinder: Oskar Linus und Johann Conrad. Conrad wegen Joseph Conrad; Lieblingsroman: Der Nigger von der Narcissus. Zurück zu Uliane: Sie hat ihm nicht nur beigebracht, wie man sich an der Kunsthochschule bewirbt. Sie hat etwas geweckt in ihm, den Sinn für die Feinheiten der Malerei. Schatten sind nicht schwarz. Ein Schatten hat immer eine Farbe. Sieh genau hin! Welche Farbe hat dieser Schatten? So, und das male. Feinheiten. Da oben auf dem Dachfirst, da ist nicht nur das Rotbraun der Ziegel im Kontrast zum Blau des Himmels, da ist ein feiner rosa Streifen dazwischen. Feinheiten. Die Dunkelheit in den Gemälden Rembrandts, wenn man genau hinschaut, dann sind da immer noch Farben wahrzunehmen im Dunkeln. Bei Rembrandt glüht die Dunkelheit, sagt Gerit.
falsches Pferd Öl auf Leinwand 159 x 139 cm 2009 |
Noch mal: Was passiert in Gerits Bildern? Was macht er? – Reagieren auf geschaffene Tatsachen, sagt er. Arbeiten vorwiegend mit gefundenem Bildmaterial oder mit selbst Fotografiertem. Schon auch Malen aus der Imagination: (die schwebenden Bretter in Falsches Pferd). Aber er würde nie anfangen mit etwas Imaginiertem. Am Anfang muss ein Bildelement stehen, das er gefunden hat – das es schon gibt außerhalb des Bildes, gab vor dem Bild. Das setzt er, damit fängt er an, dann beginnt er mit dem Reagieren – in großer Freiheit, aber es ist immer ein Reagieren auf Tatsachen. – Was ist das für eine Haltung, was ist das für eine Strenge? Ich komme nicht dahinter mit meinen Fragen in dem zweieinhalbstündigen Interview, das ich mit ihm mache. Dann gehe ich weg und an der nächsten Ecke weiß ich es: Realismus. Es ist eine dem Realismus verpflichtete Grundhaltung. Ein pragmatischer Realismus. Ein Realismus im Handeln. – Und wie stimmt das zusammen mit dem Surrealismus, zu dem er sich bekennt? Der ist ein Reflex. Seine Art, mit den Tatsachen umzugehen. Kein vordergründiger Surrealismus des Phantastischen, Seltsamen, Bizarren. Sein Surrealismus kommt aus der vollkommenen Freiheit des Gestaltens im Bild – es ist ein Surrealismus des Schöpferischen. Keine gemalten Träume oder so tun, als wären es gemalte Träume. Keine Scharlatanerie des Tiefgründigen und den Betrachter für dumm verkaufen wollen damit. Keine Träume, keine Emanationen des Unbewussten. Pure, ehrliche Bildlichkeit.
Seine Bilder erzählen Geschichten. Sie haben Witz. Sie sind pointiert, geistreich. Sie haben eine Frische und eine beiläufige Eleganz. Aber all das beeindruckt mich nicht. Weshalb ich mir meine saalartigen Räume, wenn ich sie hätte, vollhängen würde mit Koglins hat einen anderen Grund. Gerits Bilder leuchten. - Vorsicht Feuilleton! - Doch dieses Leuchten ist kein Lichtereignis. Es ist ein Leuchten so wie Augen leuchten. Augen leuchten vor Freude. Es ist die Freude an der Malerei, die Gerits Bilder zum Leuchten bringt. Leuchten Augen auch im Moment höchster Lust? Es ist die pure Lust an der Malerei, die in Gerits Bildern zum Ausdruck kommt.