Gleich neben dem Haus, wo einmal das Kino Arsenal war. Ich fotografiere die schlapp vom Mast hängenden Fahnen, da ich schon ahne, dass ich das Bild brauchen werde nach dem Spiel gegen Italien. Die Fahnen gehören zu dem Laden, der Tische und Stühle rausgestellt hat. An einem der Tische sitzt eine blonde Frau Mitte Vierzig mit zwei Männern im etwa gleichen Alter, beide glatzköpfig und beide haben sie die gleiche bleiche Gesichtsfarbe, die auch die Farbe ihrer kahlen Schädel ist. Einer der beiden ist ein Schweizer und erklärt mit lauter, durchdringender Stimme gerade, warum die Deutschen überall in der Welt so unbeliebt sind. Es hat etwas damit zu tun, dass ein Deutscher, wenn er in eine Bäckerei kommt, einfach nur sagt: Ein Weißbrot! Während ein Schweizer noch alles mögliche andere sagt, wenn er ein Weißbrot will. Ich höre nicht richtig hin. Ich warte darauf, dass der leichte Wind, der von der Motzstraße her kommt, die Fahnen aufbläht, damit ich auch ein Foto habe für den Fall, dass das deutsche Team wider Erwarten gewinnt. Ganz weghören kann ich aber auch nicht von dem Gespräch am wenige Meter entfernten Tisch. So kriege ich nun mit, wie der andere Mann, ein Deutscher, erzählt, dass er einmal in Tel Aviv war, und da hat er mit einer Frau so ein Ich-habe-gesagt-und-dann-hat-sie-gesagt-Erlebnis gehabt und danach hat er sich gedacht: Du dumme Bitch, du! Und jetzt, wenn er sich daran erinnert, muss er es gerade noch mal sagen: So eine blöde, dumme Bitch war das! Worauf der Schweizer sagt, er habe mehrere Juden kennengelernt in Zürich, da gäbe es ja genug von ihnen. Und dann erzählt er, dass das bei Hochzeiten war, dass er in Zürich Juden kennengelernt hat, und dabei wird sein Schweizer Tonfall so abfällig und verächtlich, dass ich lieber weggehe, statt weiter auf den Wind zu warten und mir anzuhören, was der Mann von seinen Erlebnissen mit Juden auf Hochzeiten in Zürich berichtet.
Dass die beiden Männer ein Paar sind, habe ich auf dem Rückweg gesehen. Da sind sie vom Tisch aufgestanden und haben sich herzlich von einer älteren Frau und einem älteren Mann am Nebentisch verabschiedet; die blonde Frau mit dem kleinen Hund war nicht mehr da. Und als sie weggegangen sind, hat der deutsche Mann einen Arm um die Hüften des Schweizers gelegt und der Schweizer hat dem Deutschen einen Kuss auf die Wange gegeben. Wenn Verliebtheit gezeigt wird, dann immer nur bei attraktiven Menschen, wo doch bei hässlichen Menschen die Liebe das viel größere Wunder ist.