Samstag, 23. Juni 2012

Überstürzt 2


Das Objekt in der Mitte des Raumes, das mal ein Regal war. Marcel Frey zeigt mir, wie er es bei einer früheren Ausstellung, in der Städtischen Galerie Karlsruhe, aufgebaut hat. So, dass es noch wie ein Regal aussah. Während es jetzt ein für sich selbst stehendes Gebilde ist, an keine bekannte Form erinnernd, zu nichts zu gebrauchen, als hier zu stehen und als ein objet d´art angesehen zu werden. Frage an ihn nun: Was hat ihn geleitet dabei, die Steckmodule so und nicht anders zusammenzusetzen, als wir sie hier zusammengefügt sehen zu diesem Gebilde, das, wenn es einen Mund hätte, ihn weit aufreißen und ununterbrochen schreien würde: KUNST! KUNST! KUNST! - Ich will ihm diese Frage gerade in einer vereinfachten Version stellen: Was leitet Sie, wenn Sie so ein Gebilde arrangieren? Just in dem Moment sieht er jemanden, den er eben mal begrüßen will. Das ist schnell geschehen, doch dann kommt es zu einem längeren Dialog mit dem Mann, der eine modisch knallfarbige Jeans trägt wie er, und gleich danach hat er einen noch längeren Dialog mit einer älteren Frau, die mit Schweizer Akzent spricht, sowie einer jüngeren Frau, die seine Freundin sein könnte, denke ich erst, komme aber wieder davon ab. Vertreibe mir die Wartezeit damit, dass ich ihn fotografiere, ohne dass mir ein brauchbares Foto gelingt, weil ich darauf bedacht bin, ihm nicht zu nahe zu kommen, da ich nicht aufdringlich erscheinen will. Ha-ha! Denn nun geht er in den mittleren Raum zurück und spricht dort mit einem hageren Mann über das zweckentfremdete Regal. 


Zum wiederholten Male höre ich, wie Marcel Frey Inszenierung sagt, und wenn ich es richtig verstehe, dann ist Inszenierung nicht gut: bloß keine Effekte! Das ist so klar, dass er es nicht zu erläutern braucht. Aber was leitet ihn, wenn es nicht eine Wirkung ist, die er erzielen will, würde ich ihn gerne fragen und er könnte mich auch einbeziehen in das Gespräch mit dem hageren Mann. Aber anscheinend will er gerade das nicht. Kein Drumherumgerede. Der junge Künstler ist mir von Anfang an unangenehm gewesen und da brauche ich mich nicht zu wundern, wenn ihm das hinter meiner routinierten Freundlichkeit nicht verborgen geblieben ist und ich ihm auch unangenehm bin. Aber das sagt er nicht, als er sich an mich wendet. Er sagt: Dass es ihm unangenehm ist, dass ich ihn andauernd fotografiere. Ich möge doch bitte damit aufhören. Und ich sage nicht, dass ich unser Gespräch von vorhin fortsetzen möchte und ihn nur aus Langeweile fotografiere, denn ich will kein Foto von ihm in meinem Blog haben, weil sein Gesicht mir nicht gefällt. Ich sage: Mir ist es auch unangenehm. Wie er mit mir redet, meine ich damit. Der hagere Mann will vermitteln: Daran werden Sie sich jetzt gewöhnen müssen, sagt er zu ihm. Fotografiert zu werden als der Jungstar, der Marcel Frey jetzt ist, meint er damit. Aber darum geht es nicht. Es war ihm unangenehm, dass ich fortwährend in seiner Nähe geblieben bin, und da es für ihn anscheinend ausgeschlossen war, das Gespräch mit mir fortzusetzen, konnte er mich nur bitten, endlich zu verschwinden. Er wiederholt, dass es ihm unangenehm ist, andauernd von mir fotografiert zu werden, und erklärt, dass es möglich sein muss, das zu sagen. Statt ihm zu entgegnen, dass ich gar nicht so viele Fotos von ihm gemacht habe (acht), murmele ich, dass er schwer zu fotografieren ist. Was stimmt. Darauf sage ich noch mit leiser Stimme: Das war grob. Dann wende ich mich beleidigt ab und verlasse die Galerie. Während ich durch die Potsdamer Straße gehe, bin ich immer noch beleidigt, weiß aber nicht, was ich damit anfangen soll. Ihm habe ich nichts vorzuwerfen; er ist, wer er ist. Und an seiner Kunst hat es nicht gelegen; über die hätten wir reden können. Also hat es an mir gelegen. Ach, wäre ich doch lieber zu dem Musik- und Mal-Ereignis von Boris Duhm nach Kreuzberg gegangen, denke ich. Doch nicht mal diesen Seufzer des Bedauerns kann ich mir durchgehen lassen. Denn wäre ich Marcel Frey nicht begegnet, hätte ich nicht diese Geschichte zu erzählen gehabt.

Marcel Frey
Post Function
Bis 4.08.2012

Galerie Thomas Fischer
Potsdamer Straße 77-87, Haus H

Kunst:  Ó Marcel Frey
Foto: Ó w.g.