Nicht loskommen von etwas, auch wenn schon alles dazu gesagt ist, alle Lehren gezogen sind. Dann rufe künftig vorher an, wenn du zum ersten Mal in eine Galerie zu einer Vernissage gehst. Frage, ob du fotografieren darfst, und wenn sie Nein sagen, brauchst du gar nicht erst hinzugehen. Aber wann kommt das schon mal vor? Das war jetzt zum allerersten Mal, dass dir das passiert ist. Einmal hat einer gesagt, den Raum ja, aber die Exponate nicht. Da habe ich mich schon aufgeregt. Und jetzt bloß keine Mutmaßungen über Schwanzlängen! Verpasst habe ich auch nichts. Angebote für Leute, die schon alles haben. Könnte ebenso gut in der Eingangshalle vom KaDeWe stehen, was die Kuratorin, die zum ersten Mal als Künstlerin auftritt, zusammengestellt hat. Eine Installation, die eine Ausstellung ist. Ausstellung einer Ausstellung. Ausstellung als Werk, als Exponat. So habe ich es verstanden im Galerietext. Schon nicht blöd. Und hätte ich mich drauf eingelassen, hätte sich der Eindruck von Eingangshalle im KaDeWe schnell verlieren können. Andererseits, habe ich mal zu Uliane gesagt: Wenn ich in eine Galerie reinkomme, sehe ich mit einem Blick, ob die Kunst da was taugt. Aber gilt das auch bei Halbdunkel wie dem gestern Abend? – So und noch viel mehr der Bewusstseinsstrom auf dem Rückweg von der Galerie König. Dessauer Straße. Nächste rechts rein, Bernburger Straße. Unentschlossen, ob zurück über den Potsdamer Platz oder den Mendelssohn-Bartholdy-Park. Vorn an der Ecke, wo ich mich gleich entscheiden muss, ob rechts oder links, hält ein Taxi. Aussteigt eine blonde Frau, aus zehn Meter Entfernung deutlich jünger als sie es aus der Nähe sein wird. Die repräsentative Blondine, wie jeder sie gerne mal haben würde, obwohl ich mir vorstelle, wenn ich eine sehe, dass sie in den Momenten, in denen es drauf ankommt, langweilig ist. Diese repräsentative Blondine jetzt wird in Empfang genommen von einem Mann, der noch ein paar Jahre älter ist als ich, einen eleganten braunen Anzug trägt er, weißes Hemd, keine Krawatte, Kragen offen und ein lustiges gehäkeltes Käppchen hat er auf dem Kopf. Der Mann überreicht der repräsentativen Blondine einen Strauß dunkelrote Rosen (kurzstielig). Die beiden küssen sich zur Begrüßung, ich weiß gar nicht mehr, ob auf den Mund. Es ist jedenfalls nicht ihr erstes Treffen. Eine Selbstverständlichkeit und eine Vertrautheit gibt es aber auch noch nicht zwischen ihnen. Ich stelle mir vor, dass der Mann in der Straße seine repräsentative Wohnung hat und dass die Frau da heute Abend zum ersten Mal sein wird, und wenn nichts Krasses passiert, die ganze Nacht. Das schließe ich aus der Größe der Tasche, die sie bei sich hat. Während die beiden die Straße überqueren, sehe ich, dass er jetzt die Blumen wieder in der Hand hat, weil sie ihre beiden Hände braucht, um sich eine Zigarette anzuzünden. Als ich ebenfalls die Straße überquere, mich nach rechts wende, weil die beiden nach rechts gehen, und sie dabei überhole, da sehe ich, dass die repräsentative Blondine einen Raucherteint hat und viel älter ist, als es aus der Entfernung schien. Das ändert jedoch nichts daran, dass sie eine sehr aparte, hübsche Frau ist und die beiden ein Paar sind, das ich gerne fotografieren würde, um das Foto hier zu zeigen. Ohne viele Worte, wie ich sie jetzt machen muss, weil ich nicht auf sie zugegangen bin, um sie zu fragen, ob ich sie fotografieren darf für meinen Blog. Schnell bin ich weiter gegangen und habe so die Chance vergeben, mich abzulenken von meinem Ärger. Denn auch, wenn die beiden Nein gesagt hätten, und sie hätten nach der ersten Verblüffung sehr wahrscheinlich entschieden Nein gesagt, auch dann hätte ich mehr erlebt mit ihnen, als in der Galerie um die Ecke, wenn ich den ganzen Abend dort geblieben wäre.