Samstag, 3. März 2012

Ungeküsst

Es gibt keinen Februar-Text (für Das Biest soll sterben). Dass er misslungen ist, war schon Mitte des Monats klar: Rückfall in vergangenes Schreiben. Was mache ich denn da? Trotzdem wollte ich ihn retten und lesbar machen als Dokument. Mittwochabend habe ich das Ergebnis der Überarbeitung in den Blog Editor kopiert, noch einmal durchgelesen und gesehen - warum habe ich das denn nicht vorher gemerkt? - das ist schlecht, das ist schlimm, das soll niemand lesen! Deshalb betrübt gewesen. Am nächsten Tag will ich mir den Text noch mal anschauen, bevor ich ihn versenke im Archiv. Schade um den ersten Teil, in dem alles stimmt, und im zweiten hakt es im Grunde nur an einer Stelle. Die müsste ich hinkriegen. Da habe ich schon mit dem Umschreiben begonnen. Es läuft gut und am Nachmittag habe ich wieder einen Februar-Text, denn den dritten Teil kriege ich bestimmt auch noch hin am nächsten Tag. Gestern dritter Teil. Im Unterschied zu den ersten beiden Teilen ist hier alles ausgedacht, was die von realen Personen abgeschauten Akteure tun: eine 29jährige Journalistin, die sich in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit beschwert über einen jungen Mann, der sie nicht küssen wollte, eben dieser junge Mann sowie sein Freund, mit dem er nach Indien reist, und ein grauhaariger älterer Mann (in Hamburger Journalistenkreisen bekannt als der alternde Bohemien), mit dem die 29jährige zusammen ist, als die beiden Freunde aus Indien zurückkommen. Indienreise, die Verbindung Journalistin und alternder Bohemien, das habe ich erfunden (wenn auch nicht aus der Luft gegriffen). Allerdings fühle ich mich nicht ein in den alternden Bohemien, wie zu erwarten, sondern in den jungen Mann, der die 29jährige nicht küssen wollte. Der ganze Februar-Text ist nichts anderes als die plausible Erklärung dafür, warum der junge Mann die junge Frau nicht geküsst hat. Zu dieser Erklärung gehört auch noch der dritte Teil, in dem es bei Ikea zu einem zufälligen, doch keineswegs unwahrscheinlichen Zusammentreffen der Journalistin und des alternden Bohemiens mit den beiden Freunden kommt. In der Küchenabteilung von Ikea; sowohl die beiden Männer als auch das Paar wollen sich eine Einbauküche kaufen. In meiner Begeisterung über den Schauplatz und sein dramaturgisches Potenzial ist mir die Geschichte dann entglitten. Der von mir in Szene gesetzte erotische Surrealismus,, von dem ich mir so viel versprochen hatte, war am Ende nur derb und vulgär. Und die überraschende Wendung, dass die junge Frau und der junge Mann sich zu guter Letzt doch noch kriegen, nämlich infolge des erotischen Surrealismus, diese Wendung war nicht überraschend, weil schon auf Seite 2 des Textes steht, dass die beiden heiraten und zusammen unglücklich sein werden. Und weil das wie in Stein gehauen da steht, weshalb ich den Satz auch nicht streichen konnte, hatte ich keine Chance, etwas wirklich Überraschendes passieren zu lassen. Die Geschichte war wie zombieisiert von diesem Satz und so trottete sie stumpf und dumpf immer tiefer in ihr Elend, bis ich es gestern endlich geschafft habe sie aufzugeben. Wie leicht das dann war! Wie gering das Bedauern! Schade um die Zeit? Ach ja. Ich habe schließlich auch was gelernt dabei: Schreibe nicht über das Ungeküsstsein von anderen, wenn du von deinem Ungeküsstsein erzählen willst. 


Loving A Band That Doesn´t Want Your Love