Biest zu Biest: Titin 2

Soaring Couple Oil and auto lack on canvas 150 x 200 cm 2011

Let Go I Oil on canvas 95 x 115 cm 2011

Tijana ist sehr geschickt in der Wahl ihrer Titel: Pieces of Heaven. Besser kann man es nicht sagen, dass alle Lust Ewigkeit will, tiefe, tiefe Ewigkeit, aber sie nicht kriegt aus Gründen, die der Welt bekannt sind. Der Himmel, der ein Abgrund ist, das ist mir noch eingefallen. Mehr Feuilleton brauche ich nicht, braucht niemand. Und hört bloß auf mit dem Geraune von der Nähe von Sex und Tod! Ach ja, le petit mort, wie ein Franzose einmal gesagt hat oder war es eine Französin? Und alle haben es sich gemerkt und ist damit nicht alles gesagt? Der kleine Tod als Synonym für Orgasmus, eine Metapher, streng genommen Sprachmissbrauch, jedoch allemal gestattet, weil es gerade so schön war, dass wir glaubten, gleich schwinden uns die Sinne. Doch tatsächlich schwanden sie uns nicht, denn sonst hätten wir es nicht bemerkt, dass sie uns beinahe schwanden. Es ist auch nur ein kleiner Tod. Aber den Tod gibt es in klein nur in der Sprache. Das ganze Tod-und-Erotik-Gehampele gibt es nur in der Sprache. Mord als sexuelle Praktik gibt es, von uns - zum Glück mehrheitlich - verabscheut. Und was die Schwarze Witwe mit ihrem Spinnenmännchen macht, nachdem sie hat, was sie von ihm wollte, das hat nichts, gar nichts zu tun damit, was Laura Zusemann mit Florian gemacht hat, nachdem Laura einen multiplen Orgasmus hatte und Florian behauptete, sein Orgasmus sei nur vorgetäuscht gewesen. Eine Überschreitung (Transgression) ist nicht wie die andere. Es gibt keine Nähe von sexueller Lust und Tod so wie es multiple Orgasmen gibt und vorgetäuschte Orgasmen und wie es die Totenköpfe in Tijanas Bild Obscure Swinging gibt, das sie als das Schlüsselbild der Serie Pieces of Heaven bezeichnet. Die Totenköpfe müssen da sein. Keine Frage. Sie sind die Zuschauer, das Publikum, welches das Paar beobachtet, das versunken ist in seiner Ekstase. Die Meisterschaft Tijanas: wenn wir wissen wollen, was das Paar tut, wenn wir ganz genau hinschauen, dann erkennen wir es mit pornographischer Anschaulichkeit. Wenn wir das Bild als Ganzes erfassen, sehen wir in seinem Zentrum die Gestalt eines ineinander verschlungenen nackten Paares, werden erfasst von einem visuellen Sog, verlieren uns so wie ich mich gerade verliere, erleben sehend, was sie uns zeigen will, die äußerste Steigerung des Lebens im sexuellen Akt, und der äußerste Gegensatz dazu sind diese Totenschädel, und deshalb müssen sie da sein. Weil es sie gibt, die Schädel und die Toten, und weil das Paar auch einmal tot sein wird wie wir alle.

Obscure Swinging Oil on canvas 40 x 50 cm 2010

Die Zuschauer. Das Paar. Und die Künstlerin? – Sie sieht sich mal beim Paar, mal bei den Zuschauern, sagt sie. Die Farben wechseln mit ihren Stimmungen. Und als ich Kitsch sage, da tut Tijana nicht so, als wüsste sie nicht, was ich meine. Ich sage es, als sie mir ihr Selbstporträt aus der Serie Elemente zeigt.

Die anderen drei Bilder: Luft, Wasser, Feuer sind nicht gelungen, aber Erde, das ist schon ein geistreicher Einfall, Erde, Erdung so zu verbildlichen und dennoch denke ich: Kitsch. Um mich als nächstes zu fragen: Ist es wirklich Kitsch oder ist es nur so, dass es hat, was Kitsch hat, dass es aber macht, was Kitsch nicht vermag: zu verblüffen. Hier, zu verblüffen, in den Pieces of Heaven, den schönsten Moment hinunter zu ziehen in den Abgrund, den der schönste Moment sich selbst schafft durch seine Entrücktheit. Von Fallhöhe sprechen die Dramaturgen. Fallhöhe des Paares. Und Fallhöhe der Künstlerin. Ja, sie geht bewusst an die Grenze zum Kitsch, sagt sie. Das ist es, das Wagnis, das sie eingeht. Vor ein paar Jahren hat Tijana in Paris im Musée d´Orsay die Darstellung eines Sonnenuntergangs gesehen. Sonnenuntergang! Was für ein Klischee! Was für ein Kitsch! Aber dieses Bild war überhaupt nicht kitschig, sagt sie. So ins Risiko zu gehen und nicht abzustürzen. Das hinzukriegen. Diese Kunst. Dieses Wagnis eingehen. Das will sie und das kann sie.