Sonntag, 16. September 2012

Unberücksichtigt




Nichts wird besser durch Nacherzählung.

Ob die Jury des Deutschen Buchpreises den Roman Johann Holtrop von Rainald Goetz deshalb nicht aufgenommen hat in die engere Auswahl von sechs Titeln, die an der Endausscheidung des Literaturwettbewerbs teilnehmen? - Hier ist sie: die Jury.  Und hier in Die Welt: die empörte Reaktion eines Fans. Während der Autor der Neuen Zürcher Zeitung, dessen Rezension am gleichen Tag erschienen ist, sicher nicht überrascht war von der Nicht-Berücksichtigung des Goetz-Romans, den er in seiner Kritik als  Dokument einer literarischen Anmassung bezeichnet hat. Und Goetz selbst?  - Als ich mich gestern so intensiv beschäftigt habe mit ihm in Gedanken auf dem Nachhauseweg von der Hugendubel-Filiale, die es nicht mehr gibt, wusste ich noch nicht, wie prompt und empfindsam er reagiert hatte auf die Entscheidung der Jury (siehe unten, Gefeuert). Aber warum hat er sich diesem Verfahren und dieser Jury überhaupt gestellt? - Weil er mit dem Betrieb mehr zu tun hat, als er zugibt? Weil es ihm, egal worum es ihm sonst noch geht, immer auch ums Exzellieren geht. Weil seine Literatur immer auch Streberliteratur, Rechthaberliteratur war / ist. Und das hat er jetzt davon. Aber wie er auf die Niederlage reagiert, mit dem preußischen Schneid eines Urbayern, das würde einer, der kein Streber ist, gar nicht erst versuchen. Und das verbindet ihn mit seinem Titelhelden, den er dem Überflieger-Manager Thomas Middelhoff abgeschaut hat, und mit all den anderen Kameraden, die er aufmarschieren lässt, um ihnen seine Verachtung zu zeigen - von denen er also nur erzählt, um sich über sie zu erheben.

Was diese Zeiten menschlich so finster macht, ist nicht die Gier allein (siehe oben, Lesung zur Longlist), da  gibt es noch etwas anderes und da ist Rainald Goetz und der Gestus seines Erzählens ein Teil davon. Das bei aller Verehrung, ohne den Roman gelesen zu haben, nach dem Eindruck der beiden Lesungen hier.



Mehr Videomaterial hier: Johann Holtrop - Sonderseite zum neuen Roman von Rainald Goetz