Mittwoch, 5. September 2012

Gruselig


Als kleines Kind hätte ich mir lieber die Hosen vollgemacht, als auf diese Toilette zu gehen.


Herrentoilette in der Mittelpunktbibliothek Schöneberg in der Hauptstraße. Die Urinale im vorderen Raum haben sie abmontiert, weil die so gestunken haben, dass es an manchen Tagen noch vor der Tür in der Eingangshalle der Bücherei zu riechen war. Auf der Damentoilette soll es nicht viel besser aussehen und auch ohne Urinale stinken, erzählt mir eine Bibliothekarin. Schon vor der Renovierung des Gebäudes vor fünf Jahren hatten die Mitarbeiter der Bibliothek ihre Vorgesetzten in der Verwaltung auf den unerträglichen Zustand hingewiesen. Vergeblich. Nun im August war die Bibliothek wegen Modernisierungsmaßen und Umbauten wieder für mehr als drei Wochen geschlossen. Gute Gelegenheit, endlich die Toiletten zu sanieren. Immer wieder haben die Mitarbeiter es zur Sprache gebracht bei den Treffen mit ihren Vorgesetzten. Sie haben sie genervt damit, beschworen, angefleht, händeringend, nichts ausgelassen. Nun wissen sie nicht mehr, was sie noch machen sollen. Denn es ist wieder nichts geschehen. Das Geld, das im August verbaut und in Anschaffungen investiert worden ist, das war Geld aus mehreren Töpfen. Zweckgebundenes Geld. Einen Topf für die Sanierung gruselig heruntergekommener, stinkender Toiletten scheint es nicht zu geben. Keiner weiß, was passieren muss, damit aus einem anderen Topf Geld fließt, und welcher Topf das sein könnte. Die Mitarbeiter der Bibliothek sind wütend, aber sie wissen nicht, wohin mit ihrer Wut. Denn es ist nicht Gleichgültigkeit, weswegen ihre Vorgesetzten sie hängen lassen. Es ist auch keine Vorne-hui-hinten-pfui-Mentalität, wie ich erst vermutet habe. Es ist Armut. Armut. Armut.