Was ist ein szenisches Symptom? – Szenisches Symptom ist die lange gesuchte Bezeichnung dafür, was ich bislang umständlich den Solaris-Effekt in meinem Leben nenne, umständlich deshalb, weil die wenigsten den Film Solaris von Andrei Tarkowski kennen und ich jedes Mal, wenn ich Solaris-Effekt sage, erst lange erklären muss, dass es in dem Film einen Planeten gibt, der bedeckt ist mit einer psychoplastischen Suppe, aus der sich Vorgänge im Bewusstsein der Raumfahrer materialisieren, die in einer Raumstation auf dem Planeten leben. Die Sorte von Idee, auf die irgendwann einmal einer kommen musste, es war Stanislaw Lem. Wie gut, dass Science Fiction inzwischen so mausetot ist wie das Western-Genre, und so hätte ich den Film schon längst vergessen, wenn es mir in meinem Leben nicht so erginge wie den Raumfahrern in Solaris.
Gestern notiere ich: Als ich es das letzte Mal an einem Ort nicht mehr ausgehalten habe, dachte ich, wenn ich nicht bald von hier abhaue, bringe ich noch einen um. Dieses Mal denke ich, dass ich umgebracht werden könnte. - Ich beschließe, das heute zu posten. Das und nicht mehr, weil ich heute mal fünf, sechs Seiten am Stück runterschreiben will, um endlich in die Geschichte reinzukommen, an der ich schon seit über einer Woche vormittags rummache und jeden Tag schreibe ich einen anderen Anfang und ich finde es uninteressant und ich will mit dem Sujet nichts mehr zu tun haben - Hacker und Pornografie -, denn die Pornografie macht mich schwermütig und die beiden Hacker gehen mir auf den Sack. Weg, weg davon! Aber anders, als indem ich diese Geschichte schreibe, kriege ich die Hacker nicht los, habe ich mir eingeredet, und die Pornografie könnte auch Komödienstoff sein und das wäre doch gut. Dann kriege ich heute Morgen eine Mail, die hat damit überhaupt nichts zu tun, aber mit den beiden Sätzen, die ich heute zu posten vorhabe, denn in der Mail steht: Mord. Mord, R u f m o r d sei das, was ich geschrieben habe über sie, schreibt mir eine Frau und fordert, alles muss weg, was ich über sie geschrieben habe, alles streichen, löschen, Text, Bilder, Links und was ich geschrieben habe über ein öffentliches Ereignis, an dem sie beteiligt war, das auch gleich noch weg, streichen, löschen und danach bitte – 50 Jahre Rolling Stones – suicide right on stage, im anderen Fall rechtliche Konsequenzen droht sie mir an. Nein, das stimmt nicht, dass ich Selbstmord begehe hier im Blog vor meinen Lesern, das hat sie noch nicht verlangt. Aber sonst keine Übertreibung, so ihre Anklage, so ihre Forderung, so ihre Drohung: wenn ich nicht mache, was sie will, dann lässt sie mich fertig machen juristisch von ihrem Anwalt. Und damit habe ich nun erst mal zu tun und denke immerzu, was für einen heimtückischen kleinen Humor die psychoplastische Suppe hat, indem sie mir jetzt diese Frau materialisiert, kann aber nicht lachen darüber und an die fünf, sechs Seiten ist nun nicht mehr zu denken, weil ich nun erst mal der Frau zurück mailen muss in wohlgesetzten Worten und danach die Konzentration weg ist, verloren gegangen bei den Gedanken an die Frau, was das für eine ist und was sie bewogen haben mag, so lange Zeit nach Veröffentlichung der Texte auf einmal R u f m o r d zu schreien und den Konflikt mit mir loszutreten, bei dem ich vor einem oder zwei Jahren mich gefreut hätte, dass ich über den nun schreiben kann, jetzt jedoch quält es mich nur, weil es mich ablenkt, und ich frage mich, könnte die psychoplastische Suppe sich nicht auch einmal nützlich machen in meinem Leben? Und das tut sie jetzt. Als ich an dem Vormittagsprojekt rumschreibe, wird daraus natürlich nichts, weil ich alles andere im Kopf habe, nur nicht die Pornografie und die Hacker. Doch dann erhebt sich aus der Suppe auf einmal die Vorstellung einer psychischen Geschlechtskrankheit, die natürlich albern ist, doch um sie zu beschreiben, komme ich auf die Formulierung szenisches Symptom, und als die da steht, bin ich zum ersten Mal seit Tagen glücklich, weil es könnte sein, dass ich damit einen Dreh gefunden habe, der mir dabei hilft, aus dem Pornografie/Hacker-Stoff eine Geschichte zu machen. K ö n n t e sein.