Vor drei Wochen war der Galerist da, der sie seit ihrem Studium an der UDK beobachtet. Er wollte sie schon seit längerem besuchen, um sich aktuelle Arbeiten von ihr anzuschauen. Doch für sie war jetzt erst der Zeitpunkt gekommen. Das hat dem Galeristen imponiert, weil er es nur so kennt, dass die Künstler, wenn er ihnen einen Atelierbesuch anbietet, sich fast überschlagen und sagen, sofort, jederzeit und gerne auch schon gestern, selbst wenn sie gar nichts Neues vorzuweisen haben. Er hat dann auch gleich gesehen, was für einen Riesensprung Tijana gemacht hat mit den sieben Bildern, die sie ihm gezeigt hat, und ihr in Aussicht gestellt, dass er sich von nun an um Ausstellungen für sie kümmern wird.
Als ich im April Tijanas Bilder bei der Ausstellung in Prenzlauer Berg gesehen habe, dachte ich, sie müsste jetzt mal weiter gehen. Das Paar-Thema abschließen. Einen ganz neuen Ansatz finden. Wenn sie nur nicht die verdammte Sklavenarbeit machen müsste für ihren Lebensunterhalt. Aber dann ist leider keines ihrer ausgestellten Bilder verkauft worden. Sie musste weiter so oft jobben, dass ihr nur die Wochenenden blieben für ihre Malerei. Und sie dachte gar nicht daran, von dem Paar-Thema zu lassen. Weil sie noch lange nicht fertig ist damit. Weil sie jetzt erst zu seinem Kern vordringt. Wo vorher zarte Andeutung und Stilisierung war, da ist nun durchgearbeitete Körperlichkeit, atmendes Fleisch, ein kräftiger Realitätseffekt und trotzdem ist das, was Tijana uns jetzt zeigt, viel mehr Malerei, reine Malerei als zuvor in ihrer Serie Pieces of Heaven.
In zwei der neuen Bilder sind sie noch mal zu sehen, die Totenköpfe – Zitat, Markenzeichen – , aber sonst ist alles Allegorische nun weg. So wunderschön eine Arbeit wie Obscure Swinging bleibt (durch dieses Bild bin ich auf Tijana Titin aufmerksam geworden), von den neuen Arbeiten aus gesehen, erscheint sie wie ein Jugendwerk voller Ideen (Abgrund-, Tod- und Vaginasymbolik), die das Mädchen brauchte zur Absicherung, aber die Frau, die sie jetzt ist, braucht sie nicht mehr, sie findet ihre Sicherheit nun in sich selbst. Deshalb verstehe ich gar nicht, warum sie hören will, was ich denke. Sie weiß doch schon alles über ihre Bilder. Aus Höflichkeit, um nicht nur maulfaul gaffend rumzustehen in ihrem Atelier, sage ich dann doch etwas: dass ich mir wünsche, dass sie noch weiter in Richtung reiner Malerei arbeitet. Und wenn jemand die Voraussetzungen dafür hat, dann sie mit der klassischen Akademieausbildung, die sie in Novi Sad bekommen hat. Mit dem Pfund musst du wuchern, sage ich und bin froh, dass sie es intuitiv versteht, da ich nicht gewusst hätte, wie ich das Englisch hätte sagen sollen.
Und dann habe ich noch eine Meinung zum Titel für die Serie der sieben neuen Bilder: Wie willst du sie nennen, Tijana, habe ich sie gefragt. – Beyond the Clouds. Wegen des Antonioni/Wenders-Films, sagt sie und ich verkneife mir die abfällige Bemerkung über Wenders und weiß schon, dass sie diesen Titel auch wörtlich meint: Wenn ihre Paare zuvor sich im Himmel wähnten, schwebten sie, ohne es zu wissen, über dem Abgrund des Todes und der Bataille-Lektüre (Witz). Jetzt gibt es keinen Abgrund mehr, jetzt schweben die Paare in ihrem Gefühl und das ist nach wie vor himmlisch, so himmlisch, dass es schon jenseits der Wolken ist, aber das ist mir immer noch zu allegorisch. Nenne die neue Serie doch einfach nur Beyond, schlage ich vor. In dem einen Wort ist alles drin: der Entwicklungssprung, den du gemacht hast, das Darüberhinaus über das Allegorische und das Jenseits, in dem die Paare sind in ihrer Lust. – Darauf ist Tijana noch nicht gekommen. Sie will es sich überlegen. Und schon tut es mir leid, dass ich ihr reingeredet habe. Sie ist sehr gut mit Titeln, ich, von Ausnahmen abgesehen, nicht. Niemand braucht ihr etwas zu sagen. Sie weiß schon. Und was sie noch nicht weiß, darauf wird sie von selbst kommen. In ihrer Malerei.
Kunst: Ó Tijana Titin