Noch von gestern. Carl-Zuckmayer-Brücke. Somewhere Over the Rainbow. Akkordeon und Saxofon. Mutter und Tochter. Sie sitzen auf einer Bank. Zu Füßen der Mutter zwei durchsichtige Plastikbecher mit Orangensaft, exakt gleich eingeschenkt. Arnim deutet auf den Mann, der links hinter der Bank an der Brüstung lehnt. Das muss der Vater der jungen Frau sein, so wie die ihm ähnlich sieht, sagt Arnim. Ich schaue nach rechts, wo ich zwei Frauen bemerke, die ich beide schon beleidigt habe hier im Blog. Die eine hat ein langes weißes Kleid an und macht Tanzbewegungen. Die andere scheint auch ganz beglückt zu sein von der Musik. Sie trägt eine kurze Jacke in einem Gelb, wie ich es noch nie gesehen habe: Gelb an der Grenze zu Grün, sehr exquisit, sehr edel. Es ist zu warm für eine Jacke. Sie trägt die Jacke nur, um gut darin auszusehen. Das gelingt ihr. Die Saxofonistin trägt Rot. Als das Stück zu Ende gespielt ist und es Beifall gibt, merke ich, dass sie blind ist. Solange sie spielte, waren ihre Augen auf ihr Instrument gerichtet. Jetzt finden die Augen keinen Halt mehr, sie guckt nirgends hin. Die Frau im langen weißen Kleid hat es kaum erwarten können, ein Geldstück in das dafür neben der Bank aufgestellte Gefäß zu werfen. Die andere ist weg, als ich in die Richtung schaue, wo sie eben noch stand. Über die Frau im weißen Kleid hatte ich mich einmal lustig gemacht, wegen eines Flugblatts, das sie verfassen wollte, um für die Rechte der Raucher einzutreten, wie sie sagte. Zu der anderen bin ich grob, zu grob gewesen. Sie kann nichts für das viele Zahnfleisch, das sie zeigt, wenn sie lächelt. Und dass ihr Lächeln aufgesetzt und seelenlos ist, dafür kann sie am Ende ebenso wenig. Jedenfalls bedauere ich es, sie beleidigt zu haben, und bei der Frau im weißen Kleid bedauere ich es nicht. Ich überlege, ob ich die beiden Musikerinnen auf der Bank fotografieren soll, und entscheide mich es nicht zu tun aus Rücksichtnahme auf die Blindheit der Saxofonistin. Als nächstes Stück spielen sie Michelle. The Beatles, Rubber Soul (1965). Arnim summt mit. Ich muss los.
Montag, 9. Juli 2012
Rubber Soul
Noch von gestern. Carl-Zuckmayer-Brücke. Somewhere Over the Rainbow. Akkordeon und Saxofon. Mutter und Tochter. Sie sitzen auf einer Bank. Zu Füßen der Mutter zwei durchsichtige Plastikbecher mit Orangensaft, exakt gleich eingeschenkt. Arnim deutet auf den Mann, der links hinter der Bank an der Brüstung lehnt. Das muss der Vater der jungen Frau sein, so wie die ihm ähnlich sieht, sagt Arnim. Ich schaue nach rechts, wo ich zwei Frauen bemerke, die ich beide schon beleidigt habe hier im Blog. Die eine hat ein langes weißes Kleid an und macht Tanzbewegungen. Die andere scheint auch ganz beglückt zu sein von der Musik. Sie trägt eine kurze Jacke in einem Gelb, wie ich es noch nie gesehen habe: Gelb an der Grenze zu Grün, sehr exquisit, sehr edel. Es ist zu warm für eine Jacke. Sie trägt die Jacke nur, um gut darin auszusehen. Das gelingt ihr. Die Saxofonistin trägt Rot. Als das Stück zu Ende gespielt ist und es Beifall gibt, merke ich, dass sie blind ist. Solange sie spielte, waren ihre Augen auf ihr Instrument gerichtet. Jetzt finden die Augen keinen Halt mehr, sie guckt nirgends hin. Die Frau im langen weißen Kleid hat es kaum erwarten können, ein Geldstück in das dafür neben der Bank aufgestellte Gefäß zu werfen. Die andere ist weg, als ich in die Richtung schaue, wo sie eben noch stand. Über die Frau im weißen Kleid hatte ich mich einmal lustig gemacht, wegen eines Flugblatts, das sie verfassen wollte, um für die Rechte der Raucher einzutreten, wie sie sagte. Zu der anderen bin ich grob, zu grob gewesen. Sie kann nichts für das viele Zahnfleisch, das sie zeigt, wenn sie lächelt. Und dass ihr Lächeln aufgesetzt und seelenlos ist, dafür kann sie am Ende ebenso wenig. Jedenfalls bedauere ich es, sie beleidigt zu haben, und bei der Frau im weißen Kleid bedauere ich es nicht. Ich überlege, ob ich die beiden Musikerinnen auf der Bank fotografieren soll, und entscheide mich es nicht zu tun aus Rücksichtnahme auf die Blindheit der Saxofonistin. Als nächstes Stück spielen sie Michelle. The Beatles, Rubber Soul (1965). Arnim summt mit. Ich muss los.