Montag, 13. Februar 2012

Phoenix

Nach einer halben Stunde möchte ich ihn erschlagen und es ist mir egal, ob er wirklich ein sein Leben ruinierender Kiff- und Kokskopf ist oder ob er das alles nur gespielt hat, um seine kaputte Geschichte über Berühmtheit zu erzählen und ein Lehrstück abzugeben für die Deppen, die glauben, Reality TV sei real. Dass es ein Kamerateam gibt, das ihn dokumentarisch begleitet, lässt annehmen, dass sein Absturz gespielt ist. So abgerockt und gequält wie er in einigen Szenen ist plus die widerliche Wampe, die er sich nicht in ein paar Wochen angefressen haben kann, lassen es jedoch zweifelhaft erscheinen, dass diese 108 Minuten Autobiopic nur hoax = Jux und Täuschung sind, wie er am Ende behauptet hat – was er auch getan hätte, wenn er nach seinem Absturz wieder halbwegs zur Besinnung gekommen wäre. Joaquin Phoenix aka Leaf Phoenix. Er war der Bösewicht Commodus in Gladiator  und Johnny Cash in Walk the Line. Bruder von River Phoenix, der jung genug gestorben ist, um nicht so ein Arschloch wie Joaquin werden zu müssen. – Echt oder nicht-echt? Und warum nur habe ich mir den Film bis zum Ende angeguckt, obwohl ich mich zu allem auch noch aggressiv gelangweilt habe? Die zweite Frage ist leicht zu beantworten: Vorher hatte das Netzgerätkabel meines Samsung-Laptops zu kokeln und zu qualmen angefangen und weil ich mir nicht ausmalen wollte, was jetzt an Umständen und Kosten auf mich zukommt, habe ich mich abgelenkt, indem ich auf dem klapprigen Sony Laptop I`m Still Here zu Ende geguckt habe (plus: ich hatte mich wochenlang bemüht, die DVD bei Videoworld zu bekommen). Zur Klärung der Frage echt/nicht-echt lese ich auf Wikipedia die Artikel über Joaquin Phoenix und I´m Still Here und finde einen Text von Roger Ebert, der erst meint, alles echt: Der Film ist nur ein weiterer Sargnagel für Joaquin Phoenix, schreibt er, kommt dann allerdings auch ins Grübeln, als er die Entstehung des Films durchspielt. Mockumentary? Documentary? So oder so: Ebert hat nur Mitleid für Joaquin Phoenix. Ich nicht. Um das zu verstehen, muss man den Film sehen. Was ich allerdings niemandem empfehlen möchte. 



Im Wikipedia-Artikel über Joaquin Phoenix steht, dass er Anfang April 2005 einen Alkoholentzug gemacht hat und im Januar 2006 einen schweren Autounfall hatte. Er war von einer kurvenreichen Straße abgekommen und sein Wagen hatte sich überschlagen. Unfallursache war nicht Alkohol, sondern Bremsversagen. Nach dem Unfall ist Phoenix aufgewühlt und völlig durcheinander. Da hört er neben sich eine Stimme, die sagt: Just relax. – Joaquin Phoenix kann den Mann nicht sehen und antwortet: I´m fine. I am relaxed. – Der Mann erwidert: No, you´re not, und hält ihn davon ab, sich eine Zigarette anzuzünden, da Benzin ausläuft und sich im Wageninneren ausbreitet. Jetzt erkennt Joaquin Phoenix am unverwechselbaren deutschen Akzent, dass der Mann der Regisseur Werner Herzog ist (in den USA inzwischen bekannter als hier). Herzog hilft ihm aus dem Autowrack heraus, indem er die Heckscheibe einschlägt. Danach will Phoenix sich bei Herzog bedanken, doch der spielt das Ganze herunter und geht zurück in sein Haus.

David Lynch hat Werner Herzog zu dem Vorfall befragt. Das Interview gibt es auf YouTube, aber es ist gesperrt für Deutschland. Vielleicht hat jemand anders mehr Glück bei der Suche als ich; hier der Tweet, in dem David Lynch auf den Clip verweist.

Nachdem ich die Anekdote mit Herzog gelesen hatte, war ich nicht mehr ganz so angewidert von Joaquin Phoenix. Und gestern Abend, das war nur ein Kabeldefekt! Neues Kabel bei Conrad: 9.95 Euro.