Dienstag, 7. Februar 2012

Moralisten

Kritik annehmen fällt oft schwer. Empfehlung: Kritik an sich heran lassen. Doch merkt man, dass der Kritiker einen nur klein machen will, seinen Tadel ignorieren. – Daraus folgt umgekehrt: Beim Kritisieren von anderen prüfen, ob und wo man sie nur klein machen will. Die darauf zielenden Elemente der Kritik weglassen oder auf die Kritik ganz verzichten. Und schafft man das nicht, weil man das braucht, den anderen klein zu machen, oder weil er schon lange reif ist für eine Abreibung oder weil die Gelegenheit gerade so günstig ist, sich nicht wundern, wenn der andere die Kritik ignoriert, weil er erkennt, dass sie nur darauf zielt, ihn klein zu machen. Aber wie ist es, wenn wir jemand der Lüge überführen? Wenn der Lügner dann so klein dasteht, wie er sich selbst klein gemacht hat durch seine Lügerei? Sollen wir darauf verzichten, ihn der Lüge zu überführen, um es ihm zu ersparen, so klein dazustehen? Und uns damit um das Beste bringen an der Lüge? Um das, was uns die Lüge über den Lügner erzählt. Wenn es uns um die Erzählung in der Lüge geht und wenn wir uns nicht um Moral kümmern, müssen wir den Lügner nicht klein machen. Auf seine Kooperation können wir dabei trotzdem nicht zählen. Der Lügner kümmert sich selbst nämlich sehr um Moral. Er lügt aus moralischen Gründen und er leugnet aus moralischen Gründen. Die Lügner sind die letzten Moralisten. Die Verlogenheit ist das, was von der Moral geblieben ist. Und ab morgen schreibe ich Aphorismen. Ist nicht wahr. Eine Geschichte verfolge ich gerade, in der es vielleicht um Lüge geht und auf jeden Fall um Heuchelei. Junge Autorin. Hamburger Presse. Artikel in Die Zeit. Fake-Journalismus. - Gibt es auch einen anderen? - Keine Medienkritik. - Suche nach der Erzählung in ihrem Fake, in ihrer Verstellung, in ihrer Lüge, wenn es eine ist. Gerade erst angefangen damit. Kann mir jeden Tag zerbröseln die Geschichte, wenn es überhaupt eine ist.