Dienstag, 28. Februar 2012

Einseitig

Mail von der Frau, mit der ich mich am Freitag getroffen habe. Ich habe ihr das Link zu Augenbrauen geschickt und zu Eilig und kühl. Sie schreibt zurück, dass sie das alles nicht interessiert und nichts angeht. Aber warum regt sie sich dann so auf? Weil das eine Zumutung ist, in die Rolle einer Frau gedrängt zu werden, die so tut, als wäre sie eine Unbekannte, aber in Wahrheit ist sie die mittlerweile weltberühmte Contessa aus dem Stadtbad Schöneberg. So berühmt, dass sie sich dort nicht mehr blicken lassen kann, sonst reißen ihre Fans ihr den Badeanzug in Fetzen vom Leib. Die Empörung, mit der die Frau reagiert, mit der ich mich am Freitag getroffen habe und die mir jetzt schreibt, dass sie in meinem Blog nicht mehr vorkommen will, mithin auch in meinem Leben nicht, sie zeigt mir, in was für einem Wahn ich lebe und wie ich anderen Menschen zur Last falle mit meiner Projektion. So habe ich den Wahn immer genannt selbstkritisch, so nennt sie ihn jetzt vorwurfsvoll, außer sich, böse auf mich. Verständlich wegen der Zumutung, aber auch übertrieben, wenn man berücksichtigt, dass ich mit meinem Wahn bei dem Treffen am Freitag mehr unterhaltsam war als aufdringlich. So wenig aufdringlich war ich, dass ich sie sogar ihren koffeinfreien Cappuccino und ihr Mozzarella-mit-Tomate-Baguette habe selbst zahlen lassen und damit für eine peinliche Irritation gesorgt habe bei ihr und dem Kellner. Trotzdem habe ich, während ich ihre Mail lese, das wachsende Scheißgefühl, mich falsch verhalten zu haben. Das hört auch so schnell nicht wieder auf und ich bin nun zu 95 Prozent sicher, dass sie nicht die Contessa ist, für die ich sie hielt. Und was täte ich nicht alles dafür, um die verbleibenden fünf Prozent auch noch zusammenzukriegen. Aber dann schreibt sie in ihrer Mail schon wieder Comtessa mit m, obwohl sie das Wort in diesem Blog sicher mehrfach gelesen hat in korrekter Schreibweise: Co-n-tessa. Will jemand es da ganz besonders gut machen beim Sich-Verstellen? Ach was, sie schreibt ja auch verreisen wie vereisen in einem Gedicht, in dem sie nach Wien will. Hätten wir uns noch einmal getroffen, hätte ich sie darauf hingewiesen; jetzt eben so. Kleines Dankeschön für den Tipp: den Tipp anbei, mir einmal die Einseitigkeit der Geschichte vor Augen zu halten, meiner Geschichte mit der Contessa, kann sie damit nur meinen. Als wäre mir diese Einseitigkeit der Geschichte nicht schon längst klar geworden. Schreibt sie mir das als die Frau, die ich für die Contessa halte, die es aber nicht ist, dann ist der Tipp entweder hämisch oder dämlich. Wenn sie jedoch die ist, für die ich sie halte, und sich nur so verstellt, dass es bizarr und nicht sehr sympathisch ist, dann wäre das endlich mal eine klipp und klare Aussage, und dann hätte sie sich damit verraten. Worauf es nun aber auch nicht mehr ankommt, nachdem sie sich so unsympathisch dargestellt hat und ich die Einseitigkeit der Geschichte längst kapiert habe. So dass ich gar nicht weiß, was sie noch wollte mit ihrem Auftauchen vor dem Rathaus und bei Videoworld. Wenn sie die ist, für die ich sie halte. Das die fünf Prozent Unsicherheit, die ich meinte. Doch wenn es darum geht, diese Geschichte zu beenden, die beste Version. Und es geht darum, diese Geschichte zu beenden, wenn sie zu nichts anderem gut ist als zu Aufregung, Verstellung, Einseitigkeit.