Freitag, 24. August 2012

Fuc off


Der alte Burberry-Mantel, der in der Kommunalen Galerie in Wilmersdorf an einer Kette von der Decke hängt. Die Kutte in einer Pariser Galerie und andere Textilarbeiten, die Ingrid Luche dort ausstellt. Oder die stark überarbeitete Sportswear bei Cabinet in London. So wie die einen derzeit das Thema Mobiliar bespielen - denkt an Marcel Frey -, so andere das Thema Kleidung. Die mit der Kleidung interessieren mich mehr. Aber wer richtig gut ist, der braucht keinen Trend. Der nimmt ihn vorweg. Und wenn der Trend da ist, dann ist er, der richtig Gute, schon wieder ganz woanders.


Johannes hat 2000 seinen Job als Fashion Designer aufgegeben und drei Jahre lang nur Kunst gemacht. Die Container-Arbeiten  sind damals entstanden, mit denen hatte er Erfolg. Dann kam die Wirtschaftskrise, vielleicht wollte die Welt auch nicht noch mehr Container-Bilder von Johannes haben. Zum Geldverdienen ging er zurück in seinen ehemaligen Beruf. Entwarf Kollektionen, beriet Firmen, blieb aber der Künstler Henry Anno, zu dem er in der Zwischenzeit geworden war; das andere war Bread-and-Butter und er war einfach darüber hinaus. Zehn Jahre lang brauchte er, bis er kapiert hatte, dass es kein Zurück gibt, auch kein halbes - wenn man etwas gefunden hat, was besser zu einem passt. 2006 entwarf er seine letzte Kollektion. Über 60 Einzelstücke: Rock, Hose, Bluse, Jacke, ... , Mantel. Als alles fertig war, ließ ihn der Auftraggeber im Stich. Ein weiteres Zeichen für Johannes, dass es für ihn nichts mehr zu gewinnen gab in der Modeindustrie. Ganz ausgestiegen ist er jedoch erst vier Jahre später. Und da, 2010 war das, fielen ihm eines Tages beim Aufräumen der Garage Reststücke der Kollektion von 2006 vor die Füße. Zwei Stoffbahnen, die hat er bemalt. Und der Mantel in dem Zitronengelb, den hat er zu einem Manifest seines endgültigen Ausstiegs gemacht: Fuc  off und die Umrisse einer Pistole hat er darauf gedruckt.


Aber so schön in Falten gelegt, wie der Mantel da hängt, und auch gehängt werden muss (ihn anzuziehen, wäre banausisch, doch warum nicht banausisch sein?), sieht man ihm nicht gleich den Zorn an und die Radikalität, mit der ein Bruch vollzogen wird. Dazu muss man ihn von der Wand nehmen und ihn drehen und wenden und es hilft außerdem noch, wenn man seine Geschichte kennt. Weil sich dann erst die ganze Eleganz dieser Arbeit zeigt: darin, wie das elementare Verfahren von Henry Anno  - die Wiederverwertung - hier zur autobiografischen Erzählung wird, zur Künstlererzählung.



Henry Anno
Fuc  off
2010
Acryl on fabric
1.200 Euro
Kontakt über:  biestzubiest@t-online.de

Kunst: © Henry Anno
Fotos:  © w.g.