Montag, 21. Februar 2011

Stimmung

Habe mal einen Mann gekannt, der hat drei Jahre lang seine Post vom Finanzamt nicht aufgemacht. Eines Tages hat seine Frau den Stapel ungeöffneter Briefe gefunden und sie mit wachsendem Schrecken gelesen. Die Sache ging gut aus. Ein befreundeter Rechtsanwalt hat sich der Post angenommen und mit dem Finanzamt verhandelt. Der Mann, der die Briefe nicht geöffnet hatte, musste seine Steuerschuld selbstverständlich zahlen, aber bei den ins Horrende gehenden Säumnisgebühren konnte der Anwalt einen Vergleich aushandeln. Die Briefe hat der Mann jedoch nie gelesen. Er wollte sich von ihnen nicht die Stimmung verderben lassen. Das hat er geschafft. Dafür musste er den Ärger mit seiner Frau durchstehen. Doch an den war er gewöhnt. Mit dem konnte er besser umgehen als mit den Mahnbescheiden des Finanzamtes.
Keine Frau. Kein befreundeter Rechtsanwalt. Und schon wieder ein Brief von der GEZ. Der liegt hier seit Dienstag letzter Woche. Ungeöffnet. Nachdem die GEZ 14 Tage nicht auf meinen letzten Brief reagiert hatte, habe ich dank meiner positiven Grundeinstellung schon geglaubt, sie lassen mich jetzt in Ruhe mit ihren Zumutungen: obwohl ich zum dritten Quartal des letzten Jahres gekündigt hatte, wollten sie Gebührengeld für das dritte und vierte Quartal und verlangten von mir einen Nachweis, dass ich kein betriebsbereites Fernsehgerät besitze. In meinem letzten Schreiben an die GEZ habe ich bezweifelt, dass es eine Rechtsgrundlage gibt für die Forderung eines solchen Nachweises. Doch ich ahnte schon, dass es dazu bestimmt eine Verordnung aus dem vergangenen Jahrhundert gibt - aus einer versunkenen Epoche, in der es nur zwei Fernsehprogramme gab und auch ich mir noch nicht ein Leben ohne Tagesschau um 20.00 Uhr vorstellen konnte. – Ich werde mich also weiter mit ihnen herumplagen und noch warten müssen mit dem, was ich am liebsten schon längst gemacht hätte: zur Polizei zu gehen und die GEZ anzuzeigen. Wegen Nötigung? - Das werden die bei der Polizei dann schon wissen. Wenn sie mich auf dem Revier nicht gleich zum Kontaktbeamten für verwirrte ältere Bürger schicken. – Das wird sich dann zeigen. Doch noch ist es nicht so weit. Erst mal den Brief lesen. – Jetzt ... . – Gelesen. Den Brief hätte ich mir auch letzte Woche schon geben können. Dann hätte ich mich wahrscheinlich mehr gefreut als heute, da meine Stimmung so ist, dass sie auch durch eine gute Nachricht nicht besser wird: Sie teilen mir mit, dass sie die Abmeldung des Fernsehgeräts zum 1.07.2010 vorgenommen haben. – Endlich sprechen wir die gleiche Sprache. Eine Rechtsauskunft bekomme ich auch; es ist so, wie ich es mir gedacht habe; voriges Jahrhundert. (*). Und nun habe ich rückwirkend zum 1.Juli 2010 nur noch Gebühren für Radio und neuartiges Rundfunkgerät zu zahlen. Neuartiges Rundfunkgerät = PC oder Laptop oder Handy mit Internetzugang. Auch wieder so was, dass sie dafür Gebühren erheben wollen – nur, weil es die prinzipielle Möglichkeit gibt, mit diesen Geräten auf das Programm-Angebot von ARD und ZDF zuzugreifen (inklusive deren Websites und Apps; bitte mal unter diesem Aspekt beachten, wie die Sender mit diesen kostenfreien Angeboten einen Vorwand schaffen, um ihren Gebührenanspruch bei internetfähigen Geräten zu begründen). Aber das nehme ich vorläufig hin. Darum sollen sich Frauen und Männer kümmern, die mit Anwälten befreundet sind. Ich bin jetzt erst mal irritiert, dass auch mal was geklappt hat, und erleichtert. 

(*) Solange Rundfunkgeräte zum Empfang bereit gehalten werden, sind diese gebührenpflichtig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Geräte tatsächlich genutzt werden. Ein Rundfunkgerät wird dann zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunk, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt empfangen werden kann. (§ 1 Abs. 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag).