Pegasus
Empfang anlässlich der Berlinale 2011
Wir laden Sie
(handschriftlich) Wolfgang Gensheimer
Herzlich ein
am Freitag, den 11. Februar 2011. 17-19 Uhr
in das Sachs,
Knesebeckstraße 29, 10623 Berlin
Jedes Jahr wieder frage ich mich, wie die Zeitangabe 17 – 19 Uhr zu verstehen ist. Denn der Empfang dauert doch immer viel länger – und ist es nicht so: die Leute bleiben so lange, wie es ihnen gefällt, und die meisten alleine schon deshalb nicht so lange, weil sie noch zu einer anderen Party gehen müssen, wie gestern zum Empfang des Verbandes der Drehbuchautoren, der im Anschluss an den Pegasus-Empfang stattfand? – Weil ich später kam (gegen 18.20 Uhr) und anders als sonst länger als bis 19 Uhr blieb, erhielt ich endlich eine Antwort auf meine Frage, obwohl ich sie gar nicht gestellt hatte, sondern nur eine Cola light bestellen wollte. – Darauf sagte der Barkeeper: Aber das kostet. – Ich: Wie? – Barkeeper: Ab 19 Uhr muss für die Getränke bezahlt werden. – Ich: Verstehe. – Vorher war ich gleich beim Hereinkommen von Steffen freundlich willkommen geheißen worden. Ich hatte mich nach Anja umgeschaut und gedacht, dass es auch sein könnte, dass sie schon wieder weg ist, oder dass ich sie in dem Gedränge übersehen werde; was sehr schade wäre, denn hauptsächlich ihretwegen, um sie zu treffen, war ich gekommen. Darauf hatte ich am Buffet gestanden und etwas gegessen. Ein gutaussehender Mann Mitte 30, wahrscheinlich ein Münchner - die gutaussehenden Leute aus der Film- und Fernsehbranche sind fast immer Münchner -, ein gutaussehender Mann hatte mich gefragt, wie die Mini-Buletten sind, und ich hatte geantwortet, dass ich das nicht sagen kann, da ich sie noch nicht probiert habe. – Aber Sie werden sie gleich probieren? – Ja. – Dann warte ich so lange, weil Sie sehen so aus, als würden Sie auf Qualität achten. – Geschmeichelt habe ich darauf eine noch warme Mini-Bulette in die dafür gedachte Curry-Soße gedippt, sie gekostet und dem gutaussehenden Münchner empfehlen können. – Ob er zufrieden war mit meiner Empfehlung habe ich nicht mehr mitgekriegt, da ich neben mir den Kollegen bemerkte, den ich vom Pegasus-Sommerfest im Michelberger kannte, bei dem ich Anja kennengelernt hatte. Wir waren damals ins Gespräch gekommen, nachdem er gezögert hatte, ein Mineralwasser zu bestellen, weil er sich nicht sicher war, ob die Getränke frei sind. Mit Namen vorgestellt hatten wir uns damals nicht. Trotzdem redeten wir jetzt gleich wie alte Bekannte. Er redete, ich stellte ihm Fragen. Immer wieder eine neue Frage, um ihn davon abzuhalten, mir Fragen zu stellen, da die Erfolglosigkeit, in der meine Karriere als Drehbuchautor geendet hatte, mir auch im Nachhinein noch peinlich ist. Nach etwa zehn Minuten wusste ich so viel über ihn, dass ich sofort als sein Agent hätte tätig werden können: Er hat nach einem Studium der Literaturwissenschaft erst als Kameramann gearbeitet und darüber kam er zum Drehbuchschreiben. Er ist 50 Jahre alt. Zum ersten Mal, seit er als Autor arbeitet, schreibt er jetzt ein Drehbuch, bei dem er freie Hand hat und bei dem ihm nicht ein wichtigtuerischer hasenfüßiger Produzent oder eine ehrgeizige hasenfüßige TV-Redakteurin in seine Arbeit hineinreden (meine Adjektive). Die Idee zu dem Buch ist von seiner Frau, die TV-Regisseurin ist und mit dem Buch ihren ersten Kinofilm machen möchte. Die Chancen für das Projekt stehen gut, weil ein namhafter, sehr namhafter Darsteller darin eingebunden ist. Später sagt er mir, wer der Darsteller ist – denn ich werde es ja wohl kaum weiter erzählen, meint er. – Das mache ich auch nicht. Schade. Sehr schade. Sehr, sehr namhafter Darsteller. Kein deutscher Schauspieler. Genug. – Mit der Regisseurin ist der Kollege verheiratet; sie haben eine Tochter, die ist 16 Jahre alt. – Ich gratuliere und frage, ob das nicht schwierig ist, als Paar zusammenzuarbeiten. – Er gibt darauf die interessante Antwort, dass sie bei der Arbeit noch nie Schwierigkeiten miteinander hatten. Sonst gab es selbstverständlich schon Krisen. Da habe sich jedoch die gemeinsame Arbeit immer als ausgleichend und stabilisierend ausgewirkt. – Schließlich erkundige ich mich nach seinem Namen - er heißt Frank - und nenne ihm meinen Namen. Daran, wie er meinen Namen aufnimmt, erkenne ich, dass er schon neugierig ist, wer ich bin, und mir gerne Fragen zu meiner Person stellen würde. Inzwischen fühle ich mich so vertraut mit Frank, dass ich ihm die auch gerne beantworten und ihm die ganze seltsame Geschichte meines Misserfolgs als Drehbuchautor erzählen würde. Doch nach all den Minibuletten mit Curry-Soße, die ich unterdessen gegessen habe, muss ich mir dringend etwas zu trinken besorgen und danach will ich nach draußen gehen, um eine Zigarette zu rauchen. Bis zum nächsten Mal, Frank. Hat mich sehr gefreut. – Nachdem ich – siehe oben – auf die Cola light verzichtet habe, weil ich kein Geld ausgeben will, schaue ich mich nach Anja um, kann sie aber nirgendwo entdecken. Draußen steht Fabian und raucht. Fabian raucht? Bei unserem kurzen Begrüßungs-Smalltalk erklärt er, dass er nur gelegentlich raucht und ich sage zu ihm sinngemäß, wenn er nicht süchtig ist, dann soll er es besser lassen. Ich zünde mir eine Zigarette an, habe Durst und überlege, ob es das vielleicht schon gewesen ist für dieses Jahr und ob ich mich nach der Zigarette auf den Nachhauseweg machen soll. Da sehe ich drei junge Frauen, die gerade vom Rauchen kommen, nach drinnen gehen. Offenbar Schauspielerinnen. Und eine von den Dreien - ich erkenne sie sofort wieder - ist Anja, die mich nicht bemerkt hat, obwohl sie ganz dicht an mir vorbei gegangen ist. – Fortsetzung folgt.