Mittwoch, 23. Februar 2011

Diffus

Nicht noch mal über die FAZ. – Schade eigentlich, höre ich die Freundin sagen, die mir jahrelang gegenüber gesessen hat am Frühstückstisch; sie im Wirtschaftsteil blätternd, ich mit dem Politikteil oder schon mit dem Feuilleton, damit sie nicht so lange darauf warten muss. – 27 Jahre hatte ich die FAZ abonniert. Die Höhepunkte: Berichterstattung von Karl Heinz Bohrer aus Großbritannien; Vorabdruck von Patrick Süskind, Das Parfum; Berichterstattung von - wenn ich den Namen noch wüsste (er war zu Anfang vierter fester Teilnehmer beim Literarischen Quartett) - seine Reportagen vom Barschel-Untersuchungsausschuss in Kiel; der frühe Patrick Bahners; der Offene Brief von Angela Merkel (ganz unscheinbar auf Seite 2), mit dem sie Kohl abgeschossen hat, und anfing zu werden, was sie jetzt ist; und dann, schon zum Ende des Abonnements hin: als Florian Illies die Berliner Seiten gemacht hat. - Schön war die Zeit. Und trotzdem ist heute alles besser. 40 wollte ich nicht noch mal sein. Die späteren Jahre tun mir gut. – Schade eigentlich, höre ich gleich noch mal die Freundin von damals sagen. - Warum? – Weil das Alter, das mir so gut tut, mich auch umbringen wird. Langsam, aber sicher. – Zweiter Teil. Im Brief an Claudia heute, dass ich immer noch ein starkes Über-Ich habe; nicht wegzukriegen. Aber dass ich die alten Götter, die darin hausten, vertrieben und selbst die Macht übernommen habe. Jetzt muss ich nur noch mir selbst gefallen. Nicht immer einfach. Aber immerhin meine Party. – Und wo sind die Gäste? – Dem Peter gesagt, er soll sich bei Facebook registrieren; ist sein Ding, wird er sehen. – Er: Mache ich, wenn du dich endlich bei Skype anmeldest. – Wozu, Peter? Mit wem soll ich da kommunizieren? Habe doch auch so schon niemand, mit dem ich reden kann? Und das bei meiner Kommunikativität. Einkaufen gehen muss ich, damit ich mit Leuten reden kann. – Ihre Kollegin ist aber schneller als Sie. – Kollegin: Sie macht das gerade mal seit zwei Stunden. – Oh, dann ziehe ich die Bemerkung zurück. Aber dann habe ich es doch ganz richtig beobachtet. – Und jetzt auch noch ein Zwanzigeuroschein für die Backwaren im Wert von 54 Cent. Habe es nicht kleiner. Und die Anfängerin hat auch beim Geldherausgeben noch keine Routine. – Im Weggehen: Viel Spaß bei der neuen Arbeit! – Den wird sie haben, sagt die Kollegin. – Wie hat sie das gemeint? – Der Spaß daran, freundlich zu sein. Gelingt allerdings nur, wenn die anderen mitmachen. – Dann noch die Stiche in der Leistengegend (links). Und die Angst. Angekrochen gekommen so gegen 14 Uhr. Im schönsten Sonnenschein. Nicht wegen der Stiche; die hatte ich schon mal, die gehen wieder weg. – Existenzangst? – Begründet wäre sie. Aber da müsste ich vom Aufwachen bis zum Einschlafen Angst haben. Diffuses Angstgefühl? Wegen Libidostau? Bei Freud gelernt und nie vergessen: Angst ist gestaute Libido. – Es hilft, das zu wissen und es sich zu sagen. Wenn es diffuse Angst ist. – Es hat geholfen. Dafür Stich in der Leistengegend vorhin an der Schmerzgrenze. – Und wie heißt jetzt der FAZ-Mann, der über den Barschel-Untersuchungsausschuss berichtet hat? Der dabei von Tag zu Tag, von Artikel zu Artikel immer mehr von seinem CDU-Glauben abgefallen ist? – Ihn mal im Café Einstein gesehen; einen Kriminalroman hat er gelesen, während er auf eine Frau wartete, mit der er verabredet war. Gedrungene Gestalt. Bauerngesicht. Feines Bauerngesicht. – Busche! Jürgen Busche. – Sicher kein Vergnügen für einen Leser, so einen Text zu lesen. Nicht zu ändern. Ich habe das heute gebraucht.

Noch was mit Angela Merkel. Traum vergangene Nacht. Sie, ich und ein mir unbekannter Typ, mit dem ich aber vertraut umgegangen bin. Situation … . – Nein, das mache ich jetzt nicht. – Doch! – Aber nur, wenn jedem klar ist, dass ich nicht denke, dass das etwas zu bedeuten hat. - Situation: sie soll nur mal probehalber mit einem – improvisierten - Golfschläger einen Golfball in ein auf der Seite liegendes Glasgefäß putten. Aus kurzer Distanz. Doch das Glas liegt nicht ebenerdig, sondern erhöht auf einem Regalbrett etwa einen Meter über dem Boden. Sie macht mit dem Schläger rum. Setzt an. Peilt. Lässt es wieder. Macht wieder mit dem Schläger rum. – Sie wird es nicht schaffen. Nicht schlimm. Ist eigentlich auch nicht zu schaffen. Sie soll ihren Versuch machen und dann gut. – Der andere Typ und ich verlieren inzwischen das Interesse; wir unterhalten uns. Dabei sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sie wieder ansetzt, jetzt aber durchzieht mit dem Schläger und, nicht zu fassen: der weiße Ball - plopp - landet in dem Gefäß! – Der Typ und ich, wir sagen nichts, schütteln nur den Kopf, verdrehen die Augen. Jetzt hat sie das auch noch hingekriegt! – Später fragt mich der Typ, wo sie ist. Er befürchtet, dass sie eingeschnappt ist, weil wir sie nicht gelobt haben. – Ich sage, und dazu muss man wissen, dass das am Wannsee stattfindet, ich sage: Sie ist unten am See und übt auf dem Wasser zu gehen. – Meine das aber als Witz. Denn ich weiß auch nicht, wo sie gerade ist. – Erstes Mal, dass ich von Angela Merkel geträumt habe. Claudia hat mal in dessen besten Zeiten von Helmut Kohl geträumt. Da habe ich mich Jahre später noch darüber lustig gemacht.

Rückweg vom Einkaufen. Am Bolzplatz vorbei. Ruf eines kleinen Jungen: Geh aggressiver rein! - Hat anscheinend schon einmal an einem Fußballtraining in einem Verein teilgenommen. Oder dabei zugeschaut.