Montag, 14. Februar 2011
Filmfestspiele 3
Nachdem ich gestern gerade mal 20 Minuten draußen war - um Zigaretten zu kaufen und einen Film auszuleihen (The Social Network) - , heute zu Fuß zum Potsdamer Platz. Berlinale-Betrieb gucken. Vor dem Berlinale Palast eine großflächige Video-Projektion. Zu sehen: eine attraktive alte Frau präsentiert sich den Fotografen. – Wer ist das? Kenne ich doch. Pina Bausch - gestern im Film von Wim Wenders zu sehen (Pina) – kann es nicht sein. Wer ist das denn? Tolle alte Frau. Ich komme einfach nicht drauf. - 50 Meter weiter. Gedränge hinter einer Absperrung. – Auf wen warten die Leute? frage ich zwei Polizisten. Der Witzige sagt: Würden wir auch gerne wissen. – Der Korrekte sagt: Da kommen nachher die Teilnehmer der Pressekonferenz raus. – Weiter zum Ticket-Verkauf in den Arkaden. Nur mal gucken. Überschaubare Schlangenbildung an den beiden Kassen. Eintrittspreise 8 bis 12 Euro. In einem Kino 59 Euro!– Was? – Ach so: Kulinarisches Kino. Was immer das ist, da gibt es was zu essen. Ein Stück weiter, vorbei an der Ausstellung von alten Filmkameras, eine Sitzlandschaft mit Regalen, auf denen das Berlinale Journal mit dem Festival-Programm ausliegt. Ich schlage eines auf, irgendwo in der Mitte. Auf der rechten Seite: Gedenk-Anzeige für Bernd Eichinger. Erinnerung an die Filme, die er beim Berliner Festival präsentiert hat: Fräulein Smillas Gespür für Schnee (1997) und Elementarteilchen (2006). Und 2007 hat er auf dem Berlinale Talent-Campus voller Energie mit dem internationalen Filmnachwuchs diskutiert. Weiter im Text: Oh ja, Bernd Eichinger brachte immer den Rock´n´Roll ins Filmgeschäft, schön laut, schön sinnlich und mit ganzer Kraft. Dass seine Musik jetzt verstummen soll, kann ich nicht so recht glauben. Rock´n´Roll will never die. Bernd Eichinger auch nicht. – Wer ist ich? – Dein Dieter Kosslick (Festivaldirektor). So sieht er aus. Rock´n´Roll. – Mein Rock´n´Roll führt mich jetzt auf die andere Straßenseite zum Sony Center. Unterwegs, vor dem Überqueren der Potsdamer Straße, ein neuer beiger BMW mit bulliger, protziger Karosserie, aber irgendwie gut futuristisch aussehend, biegt vom Festival-Areal kommend um die Ecke. Am Steuer eine Frau. Münchner Nummernschild. Im Berliner Alltag sehe ich solche Autos nicht. Wer hier so ein Auto hat, der lässt es lieber zu Hause. – Auch im Sony-Center eine Video-Projektion. Die tolle alte Frau sitzt jetzt auf dem Podium einer Pressekonferenz neben ihrem Regisseur. Und sie ist Vanessa Redgrave. Jetzt, da ich sie sprechen höre, dieses klare, distinguierte Englisch, erkenne ich sie. Der Film, um den es geht, ist um 12 Uhr im Wettbewerb im Festival Palast gelaufen, die englische Produktion Coriolanus. Regie: Ralph Fiennes. Darsteller: Ralph Fiennes, Gerald Butler, Vanessa Redgrave, Brian Cox. – Coriolanus von William Shakespeare. – Eine junge Journalistin fragt Frau Redgrave, wie es für sie war, das Shakespeare-Englisch zu sprechen. Frau Redgrave antwortet, dass sie als kleines Mädchen in die Kirche gegangen ist. Da wurde sie vertraut mit der Sprache der King James Bible. Und die Sprache Shakespeares sei keine andere als die Sprache der King James Bible. – Das ist nun nicht so spannend, dass man deshalb wie angewurzelt in der Kälte inmitten des zugigen Sony Centers stehen müsste. Trotzdem stehe ich – ich weiß nicht mehr wie lange - da wie angewurzelt und starre fasziniert hoch auf die Video-Projektion. Fasziniert vom schönen Gesicht der alten Frau und ihrer gelassenen Lebhaftigkeit. Leinwandgöttin gab es mal als Begriff. - Nachdem es mir doch zu kalt geworden ist, komme ich auf dem Weg nach draußen an einer jungen Frau vorbei, die rauchend vor dem Sony Style Shop steht. Da steht im Pullover, Arme vor der Brust verschränkt, um sich vor der Kälte zu schützen. Eine Verkäuferin aus dem Sony Shop? Sie schaut hoch zur Video-Projektion; immer noch Vanessa Redgrave groß im Bild. Ist die junge Frau so fasziniert wie ich es gerade war? - Erst später erinnere ich mich an meine neue Rolle des leutseligen älteren Mannes und dass ich sie danach hätte fragen können.