Samstag, 13. Oktober 2012

Im Arsch


Nachdem ich in der Bibliothek drei Stunden auf meinem Krampf im Arsch gesessen habe, kommt mir auf der Hauptstraße ein Typ entgegen, der so geht, so schleppend mit seinem unnatürlich abgespreizten rechten Bein, wie ich gehen müsste mit meinem Krampf im Arsch. Kommt vielleicht noch. Und bei ihm ist es am Ende was ganz anderes, was mit dem Knie oder ein Furunkel.

Greiser Mann mit einem Knabengesicht, den ich oft gesehen habe im Hallenbad, stolzer und vitaler Mann, eines Tages sehe ich ihn auf der Hauptstraße mit so einer Beinhaltung wie der Typ heute, nur dass er beide Beine so weggespreizt hatte, dass zu erkennen war, wie weh ihm jeder Schritt tat. Wenige Wochen später habe ich ihn noch einmal beobachtet mit diesem Gang. Es war jetzt deutlich zu erkennen, dass er nicht mehr lange leben wird. Danach habe ich ihn nicht mehr wiedergesehen.

Der Tod sitzt im Arsch. (Volksmund) - Heißt es nicht: im Darm? Der Tod sitzt im Darm?

Der Typ heute mir bekannt. Aber selbst, wenn er keine Schmerzen gehabt hätte und nicht in Begleitung einer Freundin, Bekannten oder Betreuerin gewesen wäre, er hätte mich nicht bemerken wollen. Denn das war heute unsere erste Begegnung, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen habe und danach was geschrieben über ihn, was ich sehr treffend fand, er hingegen so beleidigend, dass er mich deswegen nie mehr angucken wird. Künstler. Kann was. Aber immer das Gleiche: 80er Jahre-Anmutung wie der Geruch von Mottenkugeln, sage ich, und so angepasst!, sagt die Kollegin, dass sie sich fragt, warum ist so einer Künstler geworden. Da kann der noch so eine zynische Fresse ziehen, seine Kunst ist ein einziges Sich-lieb-Kind-machen, andererseits wie soll man leben? Und in der Frage kennt die Kollegin schließlich auch keine Hemmungen.