Wenn er kopuliert, dann im Rhythmus der David Bowie-Zeile: Wham bam thank you maam! Und mit der gleichen Hast und Heftigkeit masturbiert er auch. Er masturbiert öfter als er kopuliert und so selten kopuliert er gar nicht. Er ist sexsüchtig. Zum Abendessen vom Chinese Takeaway guckt er auf seinem Laptop Hardcore Pornos, ohne dabei allerdings Hand an sich zu legen; er hat gerade keine frei. Es könnte eine Screwball Comedy sein, aber dann dürfte Michael Fassbender nicht mitspielen und der ganze Film nicht so die Arschbacken zusammenkneifen vor Wichtigkeit und Stylishness. Warum man in Filmen über Süchte, egal welche, immer nur das elende Ende ausgemalt kriegt und nie die beglückenden Anfänge? Wegen den Zensurbehörden. Aber so verallgemeinerbar ist das nicht. Es gibt bessere Filme über Sucht als Shame. Es gibt bessere Filme über Sexsucht. Es gibt bessere Filme über das Leben im frühen 21. Jahrhundert. Es gibt bessere Filme, die in New York spielen. Der Film ist nicht mesmerising (Trailer). Es ist mir beim Ansehen von Shame (DVD von Video World) so langweilig geworden, dass ich wie ein kleiner Junge zu quengeln anfing (Ich will, dass die jetzt aufeinander schießen!) und ich mir nach zwanzig Minuten zum ersten Mal überlegt habe, ob ich abschalten soll. Gut, ich habe mit dem Rauchen aufgehört. Aber im Idealfall könnte ein Film mich ja auch ablenken von der inneren Leere. Shame konnte es nicht mit seinen Charakteren (überkonzipiert) und auch nicht mit seinem Plot (vorhersehbar). Es war die Musik, wegen der ich dann doch bis zum Ende der Credits ausgeharrt habe: Bach, Blondie, Coltrane, Chic und Bach, Bach und noch mal Bach. Da muss man erst mal drauf gebracht werden, wie ideal Bachs Goldberg Variationen und seine Fugen und Präludien (alles in Einspielungen von Glenn Gould) sich mit den Bildern aus der Stadt des Sinatra-Songs verbinden, den es übrigens auch noch gibt in Shame. Gesungen von der anrührend lebendigen Carey Mulligan, ohne die es noch schwerer zu ertragen wäre, was der methodisch unterspielende Michael Fassbender aus seiner Rolle macht. Gegen Ende kriegt er mal seine kantige Fresse poliert, ich hätte mir gewünscht, sein Gegner hätte sich mehr Zeit dafür genommen.
Angucken oder nicht angucken? - Ich weiß, ich spinne: Angucken! Und zwar wegen einer einzigen Szene - wenn Brandon (Michael Fassbender) die Tür seines Appartements öffnet und das Licht ist eingeschaltet und in Disco-Lautstärke läuft der Club-Remix von I Want Your Love. Panisch schnappt er sich einen Baseballschläger, um die Einbrecher zu stellen. Aber es sind keine Einbrecher in der Wohnung. Das Chic-Album hat eine Frau aufgelegt, die seine Liebe will, verzweifelt. Es ist keine Frau, mit der er etwas hatte oder mit der er etwas haben wird. Aber sie wird sein Leben verändern. Wenn so der ganze Film wäre wie diese Szene!