Montag, 5. November 2012

Schläger


Maulhau auch schon älter. Deshalb immer wieder der Satz: Das hat es früher nicht gegeben, wenn einer am Boden gelegen hat, dass dann weiter reingetreten wurde. Wenn es entschieden war und der andere am Boden lag, hat man aufgehört und ihm vielleicht sogar noch aufgeholfen. - Das hätte ich mal sehen wollen, wie Maulhau einem aufhilft, den er gerade eben niedergeschlagen hat. Wenn er da steht, noch den Gorilla im Gesicht und sich am liebsten mit der Faust gegen die Brust hämmern würde triumphierend über den anderen, den Drang dazu jedoch unterdrückt und einfach nur abwartet, ob da noch was kommt, der andere zurückschlagen will oder wiederholt die Widerworte, für die er eine verpasst gekriegt hat von ihm mit der Rückseite der Hand. Doch da kommt nichts mehr. Dazu ist der andere viel zu verblüfft, dass der Maulhau ihn geschlagen hat und wie schnell das alles gegangen ist. Den Schlag gespürt, bevor er ihn kommen sah. Und als er wieder auf den Beinen steht, da ist es schon vorbei. Denn er wird sich hüten, zum Maulhau noch mal etwas zu sagen.

Maulhau meint, dass es am Fernsehen liegt, dass sie heute erst aufhören, wenn einer tot ist. An Film und Fernsehen liegt es, will er damit sagen, am Actionfilmgucken, mit dem sie aufgewachsen sind, die jungen Schläger und Treter, und das ist normalerweise ein dumpfer Satz, aber nicht, wenn er von einem erfahrenen Schläger kommt wie Maulhau. Er meint nämlich nicht, dass die so viel Gewalt sehen und dann machen sie es eben auch, weil sie denken, so ist die Welt und wer soll es machen, wenn nicht wir. Der Maulhau sieht es technisch und zusammen sehen wir es dann ästhetisch, filmästhetisch. Die meisten Schlägereien im Leben laufen so ab, dass es ganz schnell einen Sieger gibt und einen Besiegten. Dabei verkürzt das Eingreifen von Schlichtern den realen Gewaltakt noch zusätzlich. Ehe man sich versehen hat, ist es auch schon wieder vorbei. Während es im Kino nun erst richtig losgeht - Drama im Drama: Prügeleien mit dem langen epischen Atem des Trojanischen Krieges. Artistik, Comedy-Einlagen. Das wollte irgendwann niemand mehr sehen, so wie niemand mehr eine Autoverfolgungsjagd sehen wollte. Realismus! Brechende Rippen, platzende Augenbrauen und Lippen, Gesicht schrammt über die Bordsteinkante. Aufprall eines Baseballschlägers auf dem Schädel eines Verräters. Einmal Zuschlagen genügt nicht, zu Matsch soll der Schädel werden. Wegen der Wut des Mobsters mit dem Baseballschläger. Wegen der Zuschauer, damit sie was davon haben. So lange, bis auch der letzte Träumer den Finger aus der Muschi seiner Freundin nimmt und sich nur noch graust. Timing, Inszenierung. Gewalt im Kinofilm braucht Zeit. Und das ist es, womit die jungen Schläger und Treter aufgewachsen sind und was sie nachahmen: diese Zeit, die sich das Kino nimmt für die Gewalt. Wie schnell liegt so ein Kerlchen am Boden. Hab ich ihn nur mal geschubst, da hat er sich schon gekrümmt auf der Erde. Und das soll schon alles gewesen sein? Ich bin jung, ich will was erleben.