Von ihm hätte ich das am allerwenigsten erwartet: Das sind keine weißen Gestelle. Das sind Weihnachtsbäume, korrigiert mich Norbert, als würde ich die Absicht nicht erkennen und mit der habe ich überhaupt kein Thema. Aber dass jetzt fast jeder Laden in der Akazienstraße so ein Gestell neben der Tür stehen hat, bei manchen sind es auch zwei Gestelle, das war trotzdem ein Schock, als ich es dieses Woche zum ersten Mal bemerkt habe und klar war, dass ich mir diese Scheußlichkeit jetzt mehr als vier Wochen lang ansehen muss. - Dass es so viele Läden sind! Und darunter auch solche, die ich für zu geschmackssicher oder zu snobbish gehalten hätte, um sich den Schund vor ihre Türen zu stellen. Sind die verschenkt worden, die Dinger? Und in wessen Auftrag? Hast du die Gestelle verteilt? frage ich Norbert. Nicht ernst gemeint, andererseits er muss auch leben und wie soll das gehen nur von Motiv-Umhängetaschen, Ansichtskarten und Tand? - Nein, er hat mit der Verbreitung der Gestelle nichts zu tun. Aber er hat selbst so ein Gestell im Keller. Und das sagt er so, dass klar ist, dass er es morgen pünktlich zum ersten Advent vor seine Ladentür stellen wird. - Tu es nicht! Bleib du selbst, sage ich mit schwacher Stimme und dann überlege ich: Wenn er so ein Gestell im Keller stehen hat, dann hatte er das letztes Jahr schon, dann hat er das auch letztes Jahr schon im Einsatz gehabt. Dann haben vermutlich auch die anderen Läden ihre Gestelle letztes Jahr schon im Einsatz gehabt. Nur damals habe ich dran vorbei geguckt. Die Scheußlichkeit hat mir nichts getan. So wie jetzt, wo ich ihr hilflos ausgeliefert bin. Ich höre auf, bevor es zu ernst wird. Aber sage trotzdem, was ich sofort dachte, als ich ich die weißen Gestelle zum ersten Mal sah diese Woche. Lady Gaga, habe ich sofort gedacht. Die Hässlichkeit der platinierten Lady Gaga. Wenn Lady Gaga so erfolgreich ist (30 Millionen Fans folgen ihrem Twitteraccount), dann können auch diese weißen Gestelle gut gefunden werden. Dann ist das eine ganz andere Welt ästhetisch, als ich sie noch begreifen kann. Dann habe ich hier nichts mehr verloren oder die Klappe zu halten oder ich muss völlig anders ran gehen an alles. Denke ich auch so schon. Wird schwer. Ist vielleicht zu spät dafür. Nie zu spät. Manchmal aber doch und dann ist auch gut.
Freitag, 30. November 2012
Gestelle
Von ihm hätte ich das am allerwenigsten erwartet: Das sind keine weißen Gestelle. Das sind Weihnachtsbäume, korrigiert mich Norbert, als würde ich die Absicht nicht erkennen und mit der habe ich überhaupt kein Thema. Aber dass jetzt fast jeder Laden in der Akazienstraße so ein Gestell neben der Tür stehen hat, bei manchen sind es auch zwei Gestelle, das war trotzdem ein Schock, als ich es dieses Woche zum ersten Mal bemerkt habe und klar war, dass ich mir diese Scheußlichkeit jetzt mehr als vier Wochen lang ansehen muss. - Dass es so viele Läden sind! Und darunter auch solche, die ich für zu geschmackssicher oder zu snobbish gehalten hätte, um sich den Schund vor ihre Türen zu stellen. Sind die verschenkt worden, die Dinger? Und in wessen Auftrag? Hast du die Gestelle verteilt? frage ich Norbert. Nicht ernst gemeint, andererseits er muss auch leben und wie soll das gehen nur von Motiv-Umhängetaschen, Ansichtskarten und Tand? - Nein, er hat mit der Verbreitung der Gestelle nichts zu tun. Aber er hat selbst so ein Gestell im Keller. Und das sagt er so, dass klar ist, dass er es morgen pünktlich zum ersten Advent vor seine Ladentür stellen wird. - Tu es nicht! Bleib du selbst, sage ich mit schwacher Stimme und dann überlege ich: Wenn er so ein Gestell im Keller stehen hat, dann hatte er das letztes Jahr schon, dann hat er das auch letztes Jahr schon im Einsatz gehabt. Dann haben vermutlich auch die anderen Läden ihre Gestelle letztes Jahr schon im Einsatz gehabt. Nur damals habe ich dran vorbei geguckt. Die Scheußlichkeit hat mir nichts getan. So wie jetzt, wo ich ihr hilflos ausgeliefert bin. Ich höre auf, bevor es zu ernst wird. Aber sage trotzdem, was ich sofort dachte, als ich ich die weißen Gestelle zum ersten Mal sah diese Woche. Lady Gaga, habe ich sofort gedacht. Die Hässlichkeit der platinierten Lady Gaga. Wenn Lady Gaga so erfolgreich ist (30 Millionen Fans folgen ihrem Twitteraccount), dann können auch diese weißen Gestelle gut gefunden werden. Dann ist das eine ganz andere Welt ästhetisch, als ich sie noch begreifen kann. Dann habe ich hier nichts mehr verloren oder die Klappe zu halten oder ich muss völlig anders ran gehen an alles. Denke ich auch so schon. Wird schwer. Ist vielleicht zu spät dafür. Nie zu spät. Manchmal aber doch und dann ist auch gut.
Donnerstag, 29. November 2012
Scheitern
Passend zum Regentag das dreiseitige
Interview mit Rainald Goetz in der Zeit. Und auf Zeit Online gibt es eine ungekürzte, also noch längere Fassung des Gesprächs, das
Iljoma Mangold und Moritz von Uslar mit dem Autor führten. Das
kriege ich aber heute Früh auf perlentaucher nicht mit, sondern
erst, nachdem ich 4 Euro 20 zum Fenster rausgeworfen habe für den
dicken Packen Papier der neuen Ausgabe der Zeit. Am Ende habe ich das
Interview zweimal gelesen. Erst Wort für Wort auf Papier. Später
noch mal auf die Schnelle in der Online-Version, um die gekürzten
Passagen zu finden. Warum sie die nicht auch noch übernommen haben
in die Printfassung, bei der es auf die zusätzliche Überlänge nun
auch nicht mehr angekommen wäre?
Worum geht es? - Offenbar immer noch
darum, dass der im Herbst erschienene Roman Johann Holtrop von der
Literaturkritik der Feuilletons nicht so geschätzt wurde, wie
Rainald Goetz es sonst gewohnt ist, dass seine Schriften geschätzt
werden, und auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises hat er es
auch nicht geschafft. Andererseits am nächsten Tag die Lesung in
Wien, nächste Woche die Lesung in Hamburg. Er hat sein Publikum, das
will ihn sehen, das will ihn vorlesen hören, das kauft auch sicher
bei diesen Gelegenheiten das eine oder andere Exemplar des
Holtrop-Buchs. Und heute in der Zeit dieses dreiseitige Interview mit
den zwei ihm ergebenen Gesprächspartnern, einer (von Uslar) nebenbei selbst Romanautor! Also was hat er denn? Was will er denn noch? - Wenn ich
es richtig verstanden habe: Verständnis und Lob für sein Scheitern.
Anerkennung der Komplexität oder der Grandiosität seines
Scheiterns. Das ist ihm verwehrt geblieben. Weil die Normalos, nennt
er sie, in den Kulturredaktionen keinen Begriff vom Scheitern haben
als die Angestelltenexistenzen, die sie sind und als solche stumpf
und dumpf dem Gelingen verpflichtet.
Allein
das Allersimpelste, Normale beim Schreiben: dass man Texte nicht
hinkriegt, das ist im Journalismus nicht vorgesehen. Ratlosigkeit
gibt es nicht im Journalismus.
Keine Kultur des Misslingens und der
Ratlosigkeit und auch keine Würdigung des hohen Künstlereinsatzes
von Rainald Goetz, der sich auch schon mal bei Gerhard Richter
anlehnt, Video, das er gesehen hat auf dessen Homepage, wo Richter sagt: Die Gemälde sind klüger als ich. Das würde er auch gerne von
seinem Roman sagen können (ich weiß ja fast nichts über den
Kapitalismus). Aber wie soll etwas oder jemand klüger sein als
Rainald Goetz? Was für ein Schicksal! Was für ein Gespreize in dem
Interview! Aber nicht dort, wo er einfach nur erzählt. Zum Beispiel,
dass er erst vor sechs, sieben Jahren angefangen hat, richtig zu
lesen. Nachdem er aufgehört hatte fernzusehen, weil es nicht mehr
wichtig war zu wissen, was geguckt wird von den vielen Leuten und
eine Meinung dazu zu haben. Wie er von da an abends Romane gelesen
hat. Zum ersten Mal in seinem Leben einen großen russischen Roman
gelesen hat: Anna Karenina, in einer Neuübersetzung, die ihm
Johanna Adorjan von der FAS empfohlen hat; augenblicklich liest er
Madame Bovary in einer Neuübersetzung und zugleich noch im Original.
Und da, es kann gar nicht anders sein, da, nicht gerade bei Tolstoi,
aber lange vor Flaubert, da muss es ihn gepackt haben, selbst einen
klassisch erzählten Roman schreiben zu wollen. Und da kann er
erzählen, was er will, was er sich alles dabei gedacht hat, das war
ein Fehler.
Mittwoch, 28. November 2012
Qual
Die Zeit schleicht durch die Nacht.
Müsste es nicht heißen: kriecht? Denn sie vergeht so quälend
langsam, will ich damit sagen. Schlechte Poesie und Schlaflosigkeit.
So müde bin ich, dass ich beim Lesen die Augen kaum noch offen halten kann. Aber
wenn ich das Buch weglege und die Augen schließe, kein Schlaf. Bis ich nicht mehr kann, mich anziehe und hinausgehe in die Nacht. Vorbei am
Schöneberger Rathaus, die Turmuhr zeigt 4 Uhr 50. Vorbei an der
Landesbank in der Badenschen Straße, vorbei an dem Fitness-Laden dort. Vorbei an den
ersten Fußgängerinnen des Morgens, eine hinter Glas. Und nachdem
ich die gesehen habe, kehre ich um und zu Hause lege ich mich noch
einmal ins Bett und kann eineinhalb Stunden so tief schlafen, dass es
sogar noch für einen Traum gereicht hat. Ich war also nicht unterwegs, um
Pfandflaschen zu sammeln, wie Leser von Early Birds vielleicht gedacht haben wegen des Assoziationsflusses in dem Text. Ich werde auch nie Pfandflaschen aus Abfallkörben
sammeln. So weit wird es nicht kommen. Das kann ich ab heute mit
Bestimmtheit sagen und das ist keine gute Nachricht.
Dienstag, 27. November 2012
Early Birds
McFit. McHübsch. Ein Körper, wie die
Fortsetzung des auf und ab wippenden Pferdeschwanzes. Auf und ab wippemd im Rhythmus des
Ausdauertrainings an einer der Laufmaschinen direkt am Schaufenster.
Wenn man die Badensche Straße hochkommt das erste, was man sieht von
dem nach beiden Seiten den Blicken von außen sich offen darbietenden Fitness-Laden. Mit den beiden Schaufensterflanken ragt er wie ein Keil in die Mündung der Badenschen in die Berliner Straße. Nighthawks-Anmutung, aber die führt zu nichts. 24 Stunden geöffnet und trainiert wird unter den Blicken der Passanten. Die Kunden sind Werbeträger. Der ganze McFit-Laden
vollgestellt mit Laufmaschinen wie der am Fenster mit der McHübschen. Eine andere Frau hat ihr
Training beendet. Handtuch um den Hals. Sieht man schon von weitem,
dass die nicht so hübsch ist und bestimmt auch nicht so fit wie die
mit dem Pferdeschwanz und dem gut ausgesuchten kirschförmigen Gesicht aus dem
Katalog. Bloß nicht auffallen! Auch deshalb das frühe Training?
Kurz nach 5 Uhr. Der einzige Passant, der um die Ecke streicht, ist ein
älterer Mann in einem grünen abgewetzten Barbour: ich und ich interessiere mich viel
mehr für die junge Frau, die eben vor mir die Badensche Straße überquert und
das Gebäude der Landesbank betreten hat. Wie jeden Morgen um diese
Zeit? Jedenfalls wird sie so vom Portier begrüßt. Was die jetzt
gleich macht, wenn sie ihren Rechner eingeschaltet hat? Kaffee
trinken und dann internationaler Devisenhandel? Oder Tüfteln an einem Algorithmus, mit dem sie zur reichsten Frau der Eurozone wird, wenn es keinen Euro mehr gibt und wenn ihre Kollegen, die sich jetzt gerade noch einmal von einer Seite auf die andere wälzen in ihren warmen Betten, wenn ihre Kollegen Pfandflaschen aus Abfallkörben sammeln werden. Putze ist die Frau, die eben in die Landesbank gehuscht ist, jedenfalls nicht. Und nur wenig älter ist sie als die fitte Hübsche, die ich gleich danach sehen werde im Schaufenster. Nur Frauen zu Fuß unterwegs um diese Zeit. Eine Fußgängerin hinter Glas.
Montag, 26. November 2012
Rückzug
Nach dem Grüßen schaue ich schnell wieder weg. Und wenn ich sie rechtzeitig bemerke, gehe ich den Leuten gleich aus dem Weg, um sie nicht anschauen zu müssen.
Sonntag, 25. November 2012
Geborgenheit
Auf einmal fehlt Geborgenheit, die auch vorher nicht da war, doch jetzt wird sie vermisst. Nicht mal in meinen Bookmarks finde ich sie: Was hat sich denn da angesammelt? Wo ist das kuschlige bunte Leben hin? Das bin doch nicht ich, denke ich beinahe täglich, wenn ich meine gespeicherten Links aufrufe. Mit Abstand noch am ergiebigsten Vice Mag, sowohl in der deutschen als auch in der US-amerikanischen Variante. Aber was für eine harte Welt! Die Wende war im August, als ich den Browser neu runtergeladen und dabei die Lesezeichenliste neu eingerichtet habe, nur die Standards übernommen und alles andere sollte neu und anders sein. Damals habe ich auch das Blog von James Deen entdeckt und angefangen, es täglich zu lesen (intelligenter Hardcore Porno-Darsteller bloggt über sein Arbeitsleben). Das Lesezeichen habe ich immer noch, aber das Blog lese ich schon lange nicht mehr. Dazu bin ich nicht mehr hart genug (HA!HA!).
Keine Geborgenheit in den Lesezeichen. Dafür heute im Verlauf. Gestern kurze Recherche zu Diedrich Diederichsens Buch über The Sopranos, weil ich mich am Nachmittag auf der Treppe nach oben gefragt habe: Hat der nichts Besseres zu tun, als ein Buch über eine Fernsehserie zu schreiben? Auch wenn sie so epochal ist nicht nur für das Fernsehen, sondern für das Erzählen in der westlichen Welt überhaupt? Das für mich charakteristische pingelige Denken und die Antwort hätte ich mir selbst geben können: Der DD hat noch nie über was anderes als über sowas wie die Sopranos geschrieben. Nur dass es in der Vergangenheit Popsongs waren, mit denen er uns unser Lebensgefühl erklärt hat. So genial, wie wir (wenn wir ehrlich sind) es nie für möglich gehalten hätten, dass wir kleinen Pisser und Mitzucker dazu einen Anlass geben könnten.
Aber das Entscheidende an dem er uns Anteil haben lässt, ist nicht die Genialität, die Brillanz und die popkulturelle Belesenheit, das Um-die-Ecke-Denken. Es ist die Kreation eines Wir. Und das geht so: Interview darüber, wie TV-Serien wie The Sopranos mit einem Mal Popkultur wurden.
Niemand kann es genau sagen, aber es gab eine Zeit, in der wir alle nicht mehr ausgegangen sind.
Wer wir ist bleibt unerläutert, muss auch nicht erläutert werden. Denn diejenigen, die es angeht, die wissen sofort, wie es gemeint ist, wenn er hinzufügt:
Zwei, drei Jahre später haben wir auf einmal gemerkt, dass wir alle dasselbe getan haben.
Dasselbe: Auf DVD und das heißt im Original mit Untertiteln die epischen Serien des Pay TV-Senders HBO gucken. The Sopranos. Six Feet Under. The Wire. Für andere sind es Lost oder Sex in the City oder Mad Men gewesen. Aber für das Wir macht das keinen Unterschied. Und ich muss jetzt auch nicht erklären, was das mit Geborgenheit zu tun hat.
Samstag, 24. November 2012
Strickerin
Beim Kunststraßenfest Pohlposition
habe ich sie barfuß vor einem Baum stehen und stricken gesehen. Ich
habe lange mit ihr geredet, war dann jedoch froh, als ich weg war,
und als ich zurück kam, hat sie immer noch gestrickt, hatte immer
noch keine Schuhe an, obwohl der Asphalt an dem Septembertag schon
ziemlich kühl war - und sie strickte jetzt im Raum, wie sie es
nannte. Sie war zuvor strickend an eine Stelle gekommen, wo sie auf einmal wusste, ich muss jetzt in den Raum gehen. Als sie das sagte, da habe
ich mich an den Leguanforscher in Werner Herzogs
Wüstenfilmepos Fata Morgana erinnert. Die Mischung aus Ernst,
Besessenheit, Craziness und Demut gegenüber der gefundenen
Lebensaufgabe. Beim Leguanforscher steigert sie sich zur menschlichen
Komödie. Vor lauter Sympathie für ihn muss man über ihn lachen.
Bei der Strickerin gibt es nichts zu lachen. Ich habe mir nur Sorgen
um ihre großen knochigen Füße gemacht, und als ich mich zum
zweiten Mal von ihr verabschiedete, wusste ich schon, dass ich nichts
über sie schreiben würde. Habe mir trotzdem ihre Website angeschaut. Gesehen: Kooperation mit der Ladenkette STEFANEL. Wo auch sonst soll es hin, das textile Gestalten? Weiterhin viel Erfolg und alles Gute.
Poetisch-spielerisch
setze ich mich mit Farben, Formen, Ornamenten und Linien
auseinander. Am Anfang dieser Reise steht immer ein textiles Material
in Form von Stoffen oder Wolle.
Nach interessanten Motiven, Ornamenten und deren Beschaffenheit suche ich industriell gedruckte und gefärbte Textilien aus und spanne sie in Serien auf Keilrahmen. Anschließend trage ich Motive grafisch und malerisch zu eigenen konkreten Themen aus Bereichen der Flora und Fauna auf die Stofffläche auf. Völlig frei entstehen neue Bild - und Motivwelten. Die große Herausforderung hierbei stellt immer wieder auf ein Neues die Verschmelzung von Industriellem und Eigenem zum absoluten Unikat dar.
Nach interessanten Motiven, Ornamenten und deren Beschaffenheit suche ich industriell gedruckte und gefärbte Textilien aus und spanne sie in Serien auf Keilrahmen. Anschließend trage ich Motive grafisch und malerisch zu eigenen konkreten Themen aus Bereichen der Flora und Fauna auf die Stofffläche auf. Völlig frei entstehen neue Bild - und Motivwelten. Die große Herausforderung hierbei stellt immer wieder auf ein Neues die Verschmelzung von Industriellem und Eigenem zum absoluten Unikat dar.
Es ist nicht schwer, das zu verstehen. Doch ab dem dritten Satz muss
ich mich sehr anstrengen weiterzulesen. Da fühle ich mich in die
Szene vor dem Baum in der Pohlstraße zurückversetzt, wo ich auch
nur weg wollte und froh war, dass ich kein Feuilletonist, sondern ein Blogger bin und es mir aussuchen kann, worüber ich
schreibe. Ich muss nicht erklären, warum ich keinen Zugang finde zu Ulrike Stoltes Textilkunst. Aber als ich nun die Sammelmail von ihr
bekomme und mich an sie erinnere, wundere ich mich doch, wie gleichgültig ich über die Begegnung mit ihr und
ihren Arbeiten hinweg gegangen bin. Ich wollte einfach nichts davon
wissen.
In ihrer Mail weist sie auf Ausstellungen in Miami, Zürich und
Berlin hin, an denen sie beteiligt ist. Die Arbeiten, die sie in
Miami zeigen wird, haben eine so leuchtende Hübschheit, dass ich
mir vorstellen kann, dass sie damit herausstechen und Erfolg haben
wird bei der Red Dot Miami , einer Parallelveranstaltung zur Monstermesse Art Basel Miami Beach. Das ist aber auch schon alles, was mir dazu
einfällt. Und dann habe ich in ihrer Vita noch bemerkt, dass sie in
der ersten Hälfte ihres Lebens mit hohem Einsatz und großem Erfolg
Klavier studiert hat. Aber dann die Sehnenscheidenentzündung oder
die Erkenntnis, dass sie es zur vollkommenen Meisterschaft nie
bringen wird? Irgendetwas Einschneidendes muss passiert sein, und dann die Kunstakademie
in Dresden, die Grafik und bald schon das textile Gestalten. Wenn sie
eine von mir erfundene Figur wäre, würde ich sie jetzt wieder eine
Krise kriegen und erneut etwas ganz anderes machen lassen. Wird ihr
schon nichs passieren mit diesem mächtigen musischen Drang in sich
und wenn es mal stockt und nicht mehr weiter zu gehen scheint, dann eben Kulturförderung, dann mal wieder ein
Studienaufenthalt in Australien.
Freitag, 23. November 2012
Apotheke
Die Frau, die entweder Apothekerin ist
oder Apothekenhelferin, kommt mir vor der Apotheke entgegen, in der
sie viele Jahre gearbeitet hat, wie ich weiß.
Sie fasst mich zur Begrüßung am Oberarm und fragt: Na
du? in einem so freundlichen Ton, dass sie es im Nachhinein nicht
bereuen soll, mir begegnet zu sein.
Mal wieder zurück an alter
Wirkungsstätte? frage ich sie. Oder ist die alte auch die neue
Wirkungsstätte?
Ja, aber schon seit längerem wieder.
Ach ja, sage ich nichts sagend, weil es
dazu nicht mehr zu sagen gibt.
Du, ich muss weiter. Ich bin spät dran,
sagt sie.
Ja, ja, ist ja gut, antworte ich unwillig. Wir
haben uns ja auch sonst nichts zu sagen.
Da muss ich mich bereits
nach ihr umdrehen, weil sie schon weiter gegangen
ist. Und wenn ich jetzt noch das Schnippische weglasse, dann ist es wirklich gut.
Donnerstag, 22. November 2012
Einblick
Klarheit
und Plastizität der Bilder aus meinem Rektum. Für Privatversicherte in
3-D.
Nachrichtenwert
der Bilder für mich schwer zu beurteilen. Unerwartete Wendung oder
zusätzliche Verwirrung? Sicher nur: Als Gesunder werde ich diese
Praxis nicht verlassen. Doch das wusste ich vorher schon.
Wegen
Komplikationen bei der Darmreinigung nur der kleine Einblick. Dafür
bei wachem Bewusstsein. Keine Propofol-Narkose. Ärztin stellt
Fragen, will die Antworten jedoch gar nicht wissen. Wozu auch? Überlegenheit des bildgebenden Verfahrens. Wir starren beide auf den Bildschirm. Ich widerwillig; mir ist das alles zu deutlich. Sie zunehmend fasziniert, weil so etwas hat sie noch nicht gesehen, sagt sie. Sie nun auch schon älter, hat schon viel gesehen. Was da gewachsen ist in meinem Rektum also wirklich so ungewöhnlich? Oder gerät sie nur leicht außer sich und übertreibt gerne? Das tatsächlich einer der Gründe dafür, warum ich es so lange hinausgezögert habe, mir medizinisch helfen zu lassen: ich wollte keine Ärzte in meiner Geschichte haben und mir keine Gedanken über sie machen müssen.
Mittwoch, 21. November 2012
Schausteller
Immer brauchst du jemand anderen - als Scheusal oder um dich zu versöhnen oder einfach nur, um einer Straße ein Gesicht zu geben: Babelsberger, Babelsbergerin (*)
Das ist normal und hier
ist es das Prinzip: Biest zu Biest.
Allein aus dir heraus wäre
besser.
Rückzug? Selbstgespräch?
Texte wie dieser?
Und der Durchschaute, das
Schausal bist du.
Schausal ist gut.
Tippfehler.
Schausal ist trotzdem gut. Ein Schausal bin ich. Schausteller meiner selbst. Könnte ich kein Schausal sein, wäre ich nichts.
Und wie war dein Tag?
Seit sechs Uhr auf den Beinen. Darmreinigung. Aber daraus ist nichts geworden. Jetzt geht es nur noch darum, nicht in die Hosen zu machen. Wenn mein Darm sich nicht beruhigt, wird die Nacht zur Qual. Ohne Arzt wäre das nicht passiert.
Und wie war dein Tag?
Seit sechs Uhr auf den Beinen. Darmreinigung. Aber daraus ist nichts geworden. Jetzt geht es nur noch darum, nicht in die Hosen zu machen. Wenn mein Darm sich nicht beruhigt, wird die Nacht zur Qual. Ohne Arzt wäre das nicht passiert.
(*) die Engelbrecht tatsächlich in Potsdam-Babelsberg geboren und bei dieser Gelegenheit eine Korrektur: die Babelsberger Straße liegt nicht in Schöneberg, sondern gehört bereits zu Wilmerdsdorf.
Dienstag, 20. November 2012
Anteilnahme
Wenn ich morgen erfahre,
dass ich Darmkrebs habe, dann schreibe ich doch nicht übermorgen
ungerührt weiter an einem längeren Text über eine bucklige ältere Frau,
neben der ich gestanden habe, und ihr Mundgeruch war kaum auszuhalten.
Warum habe ich sie aber auch so nah an mich ran gelassen? Nur ein
Schritt weg von ihr und der Gestank aus ihrem Hals wäre nicht bis zu mir gedrungen und ich hätte ihre heuchlerische Anteilnahme
wahrscheinlich auch gleich durchschaut und nicht erst im Nachhinein
verstanden, dass sie mich nur quälen wollte mit ihrem Gejammer, wie schlecht ich aussähe, was denn los sei,
nicht zum Ansehen, so schlimm sei es. Oh weh, oh weh! - Jetzt hör doch mal auf! Das ist ja ekelhaft! habe ich sie unterbrochen. Und als sie sich wieder
eingekriegt hatte und mich gefragt hat, was denn mit mir sei, da habe ich
geantwortet: Krank bin ich, aber man weiß noch nicht, was es ist. -
Was hat er? hat darauf Sabrina, ihre Freundin aus der Kneipe, gefragt, die
sie zu der Vernissage mitgenommen hatte, und sie hat für Sabrina dann wiederholt: Krank ist er. Aber er weiß noch
nicht, was er hat. Das wiederholt völlig teilnahmslos, ohne weiter
die Gemütsbewegung vorzutäuschen, die sie auch vorher nicht hatte.
Ihre überschäumende Anteilnahme nichts als ein Versuch, mir
schlechte Gefühle zu machen, weil ich zuvor ihr schlechte Gefühle
gemacht hatte, nehme ich an, dass ich das tat, als ich über ihre
allzu große Leidenschaft für sich selbst geschrieben habe, die
nichts übrig lässt an Leidenschaft für ihre Kunst.
Schlagabtausch. Sie lässt sich nichts gefallen. Ich schenke ihr
nichts. Zahle es ihr gleich wieder heim, indem ich ein Foto von ihr
poste, das ich aus Rücksichtnahme auf sie sonst nie gezeigt hätte
im Blog wegen des unvorteilhaften grotesken Anblicks, den sie darauf bietet. Doch
dann, nachdem ich es in das Blog gestellt habe, in das andere, da merke ich, dass ich es in jedem Fall hätte zeigen müssen, was
mir da gelungen ist an Porträt von ihr. Das Foto zeigt sie, wie ich
sie sehe nach einem Jahr, in dem ich sie immer mehr durchschaut habe,
bis sie für mich zu dem Scheusal geworden war, das auf dem Bild zu sehen ist.
Mit meinen Augen.
Montag, 19. November 2012
Babelsberger
Glückliche Nadja Engelbrecht in ihrem
neuen Atelier in der Kreativfabrik und die befindet sich in
Schöneberg und nicht in Charlottenburg, wie man annehmen könnte
nach der Lektüre meines Textes von gestern, wenn es heißt, dass die Frau mit dem Kind vor dem Bauch den ganzen Nachmittag in
Charlottenburg unterwegs war. Das war sie, bevor sie in die
Babelsberger Straße gekommen ist. Zurück aus Charlottenburg und sie
wohnt hier bestimmt in der Nachbarschaft. Gibt bessere
Wohngegenden für eine junge Familie als diese. Aber so schlecht kann
die Gegend nicht sein, wird die
junge Frau jetzt denken, nachdem sie gestern im Innenhof Babelsberger 40/41 den Seitenflügel mit den Ateliers entdeckt hat.
Sonntag, 18. November 2012
Versöhnt
Die Frau trägt ein Baby vor dem Bauch. Schon den ganzen Nachmittag. Sie weiß auch nicht, warum sie das Kind nicht ihrem Mann mitgegeben hat, der schon mal vor, nach Hause gegangen ist. Dann könnte sie nämlich jetzt mal reingehen und einen Rundgang machen durch die offenen Ateliers. Wusste sie gar nicht, dass es hier Ateliers gibt. Aber das Kind ist ihr einfach zu schwer, nachdem sie es bereits stundenlang durch Charlottenburg geschleppt hat, kann sie es nicht auch noch durch die Ateliers schleppen, auch nicht wenn sie mit dem Fahrstuhl nach oben fährt (rechts) und nicht den Weg über die Treppe (links) wählt. Die im Erdgeschoss unbeleuchtete Treppe! Da wissen die seit Wochen, dass sie heute von 16 bis 22 Uhr einladen zu Offenen Ateliers und dann ist unten im Treppenhaus kein Licht. Aber das denke ich erst, als ich 45 Minuten später das Gebäude wieder verlasse, im Finstern tastend einen Schritt vor den anderen setzend und ich kriege den Geruch des Parfums von Nadja Engelbrecht nicht mehr aus der Nase, die ich umarmt habe zur Begrüßung. Besuch bei ihr in ihrem neuen Atelier in der obersten Etage der Grund, warum ich hier war. Anschließend schneller Streifzug durch die Etagen darunter. Etablierte Künstlerexistenzen. Saturiertheit. Den Lebensunterhalt zahlt die Rentenversicherungsanstalt oder ein Ehemann. Kunst, die niemand gesehen haben muss. Und dann ein kleines dünnes Mädchen, vorpubertär, angezogen wie eine Puppe, versunken in die Betrachtung eines der weniger albernen Bilder im Atelier von Ute Faber. So guckt das Mädchen nicht jedes Bild an. Das ist Kunstbetrachtung, was sie macht. Sie weiß, was sie sieht. Wird jetzt gerufen. In Begleitung ihrer Mutter oder ist es die ältere Frau, ihre Großmutter? Am Ausgang steht sie mir im Weg. Sie entschuldigt sich. Das ist übertrieben. Abgerichtet, das Kind? Dressiert? Oder einfach nur rücksichtsvoll? Egal. Der Ernst, mit dem das Kind das Bild betrachtet hat. Das versöhnt mich, wie schon sehr, sehr lange nichts mehr.
Samstag, 17. November 2012
Präzise
Dass Peter den über hundert Künstlern, die er in seiner Gesichter-Ausstellung zusammengebracht hat, damit ein beglückendes Gemeinschaftserlebnis verschafft hat, das sie sich nicht verdrießen lassen wollen, das war mir am Donnerstag schon klar, als ich durch die sich feiernde Menge ging und in einigen Gesprächen keinerlei Verständnis für meine Enttäuschung fand, in anderen Gesprächen hingegen plausible Erklärungen dafür, warum nichts von dem, was Peter sich versprochen hatte von seinem Experiment, passiert ist: er hatte erst chaotischer gehängt, aber dann meinte er auf einmal, ich brauche eine Ordnung, und hat dann so stur in Reih und Glied gehängt, wie es jetzt zu sehen ist, erzählte mir schließlich eine Frau Zitiermichnicht, die mit zwei Bildern an der Ausstellung teilnimmt und beim Hängen dabei war.
Das als Antwort auf eine Mail von Michel Carmantrand (*), in der er mich unter anderem belehrt, dass Kunst aus prinzipiellen Gründen immer enttäuschend ist (sie verspricht uns ein Paradies, zu dem sie gar nicht die Schlüssel in der Tasche hat), und am Ende ermahnt er mich noch, als Journalist meine Worte doch bitte moderater, präziser und vorsichtiger zu wählen. Worauf ich nur antworten kann, wie tief ins Gehirn geschissen muss jemandem sein, der solche gouvernantesken Ratschläge erteilt? Und was den Journalisten angeht, Michel Carmantrand, ich bin keiner. Ein Blogger bin ich. Radikal subjektiv ist mein Schreiben und deshalb eben gerade nicht vorsichtig oder moderat. Allerdings stets um Präzision bemüht: bei der Beschreibung meiner Eindrücke, meines Erlebens und - noch einmal - gerade deshalb das Gegenteil von vorsichtig oder moderat.
(*) Michel Carmantrand zeigt in der Ausstellung Renaissance der Gesichter die Arbeit Toto (Nr. 144, 3.600 Euro). Einen Überblick über sein Schaffen gibt es hier: michel carmantrand, paintings and papers.
Freitag, 16. November 2012
Nichts passiert
So voll war es noch nie bei einer Eröffnung in der Friedrichstraße 200, wenn Peter Lindenberg zu einer von ihm kuratierten Ausstellung eingeladen hat.
Zweiter Eindruck: Wie konventionell!
Nichts passiert an den Wänden. Die Porträts langweilig nebeneinander aufgehängt. Ordnung statt Wirkung. Keine Überraschungen. Über hundert Künstler von
überall her, einige Künstler mit zwei und mehr
Arbeiten vertreten. Starke Arbeiten, schwache Arbeiten.
Dritter Eindruck: Dass sie sich
freiwillig so inflationieren, die ausstellenden Künstlerinnen und Künstler! -
Weil sie sich mehr davon versprochen haben. - Ich mir auch.
Und da ich mittlerweile längst
nicht mehr jeden wiedererkenne, den ich kenne, bin ich auch ganz
schnell wieder weg.
Renaissance der Gesichter
Bis 11. Januar 2013
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
© die ausstellenden Künstler
Donnerstag, 15. November 2012
Unfug
Als wäre es nicht schon Ereignis genug, dass Ulrike Hansen mit ihrem Eitemperafarben-Pop in Schöneberg gastiert und zur Eröffnung ihrer Ausstellung bei Gondwana ein Publikum anzieht, das man in der Merseburger Straße sonst nicht sieht, es muss auch noch gesungen und, da er schon rumsteht, der Komzertflügel zum Klingen gebracht werden. Heißt: die Sopranistin Sabina Imhof sang Lieder von Richard Strauss und Robert Schumann, während die Gespräche ringsum gezwungenermaßen verstummten oder aus Höflichkeit nur noch im Flüsterton weitergeführt wurden. Stelle ich mir vor, denn ich war nicht da, so gerne ich Ulrike Hansen, die ich letztes Jahr kennengelernt habe, begrüßt hätte, an dem Unfug mit der ambitiösen Gesangseinlage wollte ich nicht teilnehmen.
Ulrike Hansen
Fest der Farben
Bis 21.12. 2012
Mi - Fr 14 - 18 Uhr und nach Vereinbarung
3. Advent mit Ulrike Hansen in der Galerie: Sa, 15.12. 15 -18 Uhr
Abbildung: © Ulrike Hansen
Mittwoch, 14. November 2012
Stalkerin
Feige Fotze so wie Beate Kruse oder
Adele Schieferdecker. Namen. Und der Wunsch ist, dass jemand kommt,
an ihr riecht und dass er oder sie, Mann oder Frau egal, entzückt ausruft, ah che bella figa! Die soll für immer mein sein! - Damit ich sie für immer vergessen kann und mit ihr den nicht schönen Namen, den ich ihr gegeben habe zum Schluss.
Nach ihrem Übergriff von gestern Abend, mit dem sie meinte kommentieren zu müssen, was mir gefällt, weil es ihr nicht gefallen hat. Einmischerin in mein Leben. Hör auf, meine Google-Konten und meinen Rechner zu manipulieren! Verschwinde!
Italienisch fica oder figa = die Feige (Frucht), die Fotze etc.
Italienisch fica oder figa = die Feige (Frucht), die Fotze etc.
Dienstag, 13. November 2012
Schneller Gast
Sie ist eine der vier ausstellenden Künstlerinnen - Inga, Ulrike, Ingeborg und Inga - und ihre Haare sind grau geworden in der langen Zeit, in der die vier Frauen sich schon kennen. Drei Malerinnen, eine Fotografin, befreundet und verbunden durch ihr experimentelles Verhältnis zu ihrer Kunst, während Überlegungen in Richtung Kunstmarkt nie eine Rolle gespielt haben. An ihrer Seite ihr Ehemann und hoffentlich sind nach mir noch andere Besucher gekommen, obwohl ich mir allergrößte Mühe gebe, liebenswürdig zu sein, während ich es so schnell es geht hinter mich zu bringen versuche. Mein Wichtigstes bei all dem, dass die Frau nicht aufstehen muss, denn sie ist entweder behindert oder sie leidet an den Folgen einer Verletzung. Ihre zweite Krücke lehnt an dem Heizkörper gleich neben der Eingangstür und war das Erste, was ich sah, als ich die Galerie betrat. Es fällt mir leicht, ihr Freundlichkeiten zu sagen, weil mir ihre Arbeiten noch am besten gefallen. Am meisten diese Collagen:
© Ulrike Frank |
Als ich mich verabschiede mit den Worten: ich bin ein schneller Gast, lächelt mir ihr Mann, der mich erst ablehnte, wohlwollend zu. Ich merke, dass das alles war, was ich gewollt habe. Mehr brauche ich nicht. Ich muss auch nicht darüber schreiben. Ich muss nie wieder über Kunst schreiben. Am Sonntag war das. Die Vernissage drei Tage vorher hatte ich verpasst, weil ich mich nicht wieder erfolglos um einen Blickkontakt mit Sabine Baer bemühen oder alternativ einen quälenden Dialog darüber führen wollte, warum es bei der letzten Vernissage im Kunstraum Ko nicht möglich war, so zu tun, als würden wir uns kennen, und uns zu begrüßen wie zwei Leute, die schon einmal miteinander geredet haben. Dann kenne ich die Baer eben auch nicht mehr, habe ich mir gedacht, bin zu Hause geblieben und konnte angesichts der Szenerie, die sich mir am Sonntag dargeboten hat, nachträglich nur froh sein über diese Entscheidung. Habe jetzt doch darüber geschrieben - aber nur um mich abzulenken von etwas, das mich in diesen Tagen viel mehr beschäftigt als Kunst in Schöneberger Ausstellungen.
Montag, 12. November 2012
Cherrytomaten
Es wird keine Freude sein, sie auszuziehen. Sie hat sein Essen bezahlt. Sie selbst hat nur einen halben Liter naturtrüben Apfelsaft getrunken und zwei Cherrytomaten von seinem Teller stibitzt. Er hat ihr in den Mantel geholfen. Das hat sie überrascht und sie hat ihn dafür gelobt. Vorher war sie gerührt von einer Bemerkung, die er gemacht hat. Da hat sie ihm mit der flachen Hand über das Haar gestrichen und ihn verliebt angeschaut. So wird sie auch seine sexuellen Handlungen kommentieren. Sie hat den guten Job, die große Wohnung, das Geld, das Sagen. Er ist der Mann. Wenn er sich damit zufrieden gibt, wird das was mit ihnen und schon bald wird er gar nicht mehr hinsehen, wenn er sie auszieht.
Sonntag, 11. November 2012
Gänsebraten
An den weiß gedeckten Tischen im Weyers essen sie Gänsebraten mit Knödel und Rotkohl für 23 Euro pro Person, steht draußen an der Tafel und ein Stück weiter in der Uhlandstraße erkenne ich Benjamin von Stuckrad-Barre, komme allerdings erst später auf seinen Namen. Er liest im Gehen in einem Programm- oder Comic-Heft, das er sich dicht vor die Augen hält, damit ich ihn nicht sehe oder er mich nicht sieht. Er muss auf mich aufmerksam geworden sein, bevor ich ihn bemerkt habe, und er scheint zu befürchten, dass ich ihn anquatsche. Seine Furcht ist so groß, dass er sich nun auch noch eine Zigarette anzündet. In Verbindung mit dem dicht vors Gesicht gehaltenen Programm- oder Comic-Heft, von dem er den Blick nicht abwendet, während er die Zigarette mit einem Einwegfeuerzeug in Brand setzt, ist das ganz klar zu viel und so auffällig als Verhalten, dass ich keine Chance mehr hatte, ihn zu übersehen, was sonst leicht hätte passieren können, da ich gerade über der Frage gebrütet habe, ob ich nach Alkohol und Rauchen auch noch das Essen aufgeben soll.
Samstag, 10. November 2012
Zu geschickt
In die Enge getrieben noch das:
Sie könnte mir die Karten legen. Tarot. Bloß nicht! Und da hätte ich sie mal sehen sollen, wenn sie nachts
losgezogen ist ins Far Out, um tanzen zu gehen. Ihre Galerie. Ihre Schüler. Und vorneweg ihr Lieblingsschüler. Ihre Selbstverliebtheit in vier Kapiteln. Viertes Kapitel: Schnurren und Vermischtes. Die reiche Russin haben sie sie genannt, als sie in die neue Nachbarschaft gezogen ist und den Paradiesvogel für sie gemacht hat. Aber den
künstlerischen Erfolg haben immer die anderen. Ihre Schüler, zwei, drei Künstlerinnen ihrer Generation, die sie
alle verachtet. Keine namhafte Galerie will sie ausstellen. Dennoch
verkauft sie. An einen kleinen Kreis von Sammlern und Freunden. Den
hat sie sich aufgebaut über die Jahrzehnte. Sie ist geschickt, aber es reicht nicht. Sie findet keine Anerkennung mit ihrer Kunst. Ich habe
schlechtere anerkannte Malerei gesehen. Allerdings nicht in den
Galerien, in denen sie gerne ausstellen würde. Etwas stimmt nicht an ihrer Kunst. Zu
geschickt? Zu gefällig? Zu bedacht? Zu kontrolliert? Nichts von
ihrer Besessenheit in ihren Bildern. Besessen nur von sich, aber
nicht von ihrer Malerei ist sie.
Freitag, 9. November 2012
Reingelegt
Die schlimme Nacht. Der schlechte Tag.
Geht es Ihnen nicht gut?
Nein.
Man sieht es Ihnen an.
Das auch noch.
Die Frau spricht dann vom November und dass der kein guter Monat ist. Und ich denke: wenn es so einfach wäre und nur am Monat läge.
Dass ich Biest zu Biest nun doch nicht einstelle, habe ich schon vorgestern beschlossen. Nur täglich will ich ab jetzt nicht mehr bloggen. An einem Tag wie heute muss es einfach nicht sein.
Bei alldem war ich nicht faul (sonst hätte ich den Tag gar nicht ertragen):
Nach einem Jahr erst habe ich gemerkt, dass sie mich reingelegt hat. Sie hat ihr Sich-lieb-Kind-machen mit mir gespielt, wie sie es mit jedem spielt, so wie er es braucht. Bei mir hat sie sich dafür entschieden, mir in allem, was ich äußere, zuzustimmen und so mir nicht nur nie zu widersprechen, sondern mich immer wieder damit zu verblüffen, wie sehr wir übereinstimmen in unserem Denken, Empfinden und Urteilen. Trotzdem ist unser Gespräch nach einem halben Jahr an einem Endpunkt angelangt gewesen. Denn ich konnte sagen, was ich wollte, es fiel ihr dazu immer nur das Gleiche ein. Als ich ihr das sage, weil ich denke, dass man dagegen mit ein wenig Selbstdisziplin etwas machen kann, ist das für sie der Bruch. Sie kann nichts dagegen machen. Mein Hinweis nimmt ihr die Unbefangenheit. Was soll sie denn anderes reden als immer nur das Gleiche? Ich hätte nichts zu ihr sagen sollen, ihre Wiederholungen ertrage ich allerdings auch nicht mehr. Wir nähern uns dem Ende. Das kommt an dem Abend, als ich erkenne, dass es ihr gar nicht um ihre Kunst geht und darum, mit ihrer Kunst Anerkennung zu finden, sondern alles, was sie will, ist gut dazustehen vor dem Häuflein ihrer Bewunderer, das sie über die Jahrzehnte um sich versammelt hat: ich kraule dir deinen Rücken, du kraulst mir meinen. Von diesen Abend wollte ich erzählen. Ganz genau hinschauen, wie streng ich da reagiert habe auf meine Entdeckung, und dann habe ich heute Sätze geschrieben wie diese Sätze eben und ich wiederhole sie hier, wie um sie zu verbrennen, denn so will ich nicht erzählen mit solchen Sätzen. Und wenn keine anderen Sätze kommen, dann taugt der Plan eben nichts. Ich habe es probiert.
Donnerstag, 8. November 2012
Plappermaul
Belletristik-Abteilung der
Mittelpunktbibliothek Schöneberg. Thomas Mann, Joseph und seine
Brüder. Vierbändige Ausgabe, S. Fischer Verlag, 3. Auflage 2002.
Erster Band: Die Geschichten Jaakobs.
Am Buchrücken und Buchschnitt des Exemplars in der Stadtbibliothek ist deutlich zu erkennen, dieses Buch wurde
mehr als ein Mal durchgelesen und unter den Lesern war keiner der
Bibliotheksidioten, die im Text Anstreichungen vornehmen. Vor ihnen ist normalerweise kein Text sicher, auch kein Roman und
kein Gedichtband. Allerdings eignet sich der Joseph-Roman ganz
besonders nicht für Anstreichungen. Denn wo den Stift ansetzen?
Zweiter Band: Der Junge Joseph.
Schmaler Band. Das Exemplar der Bibliothek weist
Gebrauchsspuren auf, hatte aber erkennbar nicht so viele Leser wie
Die Geschichten Jaakobs. Der junge Joseph endet mit dem Verkauf
Josephs an arabische Kaufleute, die mit ihrer Karawane auf dem Weg
nach Ägypten sind. Das Gute daran, wie Thomas Mann die Geschichte
erzählt, ist, dass man nur zu gut versteht, warum die Brüder Joseph
los haben wollen, und es als Leser auch akzeptiert, es sogar als befreiend empfunden hätte, wenn sie das hoffärtige, streberische Plappermaul kurzerhand erschlagen hätten.
Allein, Joseph überlebt, gelangt nach
Ägypten mit den Arabern, die ihn gekauft haben, und ist nun wie
ausgewechselt nach den drei Tagen und drei Nächten, die er in einem Brunnen gefangen war: voller Demut und Dienstbarkeit, so unterwürfig
und bescheiden, dass es auch schon wieder übertrieben ist, aber ein
Plappermaul ist er geblieben und als ein einziges Geplappere, Geschwätz, Gequassele, Schwadronieren erscheint nun auch die Erzählung selbst
und das Ende ist fern. Denn auf den dritten Band: Joseph in Ägypten
folgt ein vierter: Joseph der Ernährer. Die Bibliothek-Exemplare
dieser beiden Bände sind nicht unberührt, aber es ist zweifelhaft, ob sie
auch nur ein Mal durchgelesen wurden. Ich werde
das nicht ändern. Nach 64 Seiten Joseph in Ägypten suche ich
Ablenkung im Nachwort von Albert von Schirnding. Da steht, was Thomas Mann sich konzeptionell gedacht hat bei den täglich 20 bis 30 Zeilen, die er zum Thema Joseph verfasst hat, wenn es ein guter Tag war. Was Thomas Mann sich da denkt, ist
das, was der Deutsch-Abiturient oder Literaturwissenschaftstudent als
Sekundärliteratur kennt. Außerdem erfahren wir im Nachwort, was
Thomas Mann alles gelesen hat, um sich geschichts- und
religionswissenschaftlich abzusichern und um Stoff zu sammeln, mit
dem er die im Original (1. Buch Mose, Kapitel 36 - 50) dicht und
zügig erzählte Geschichte Josephs ausmalen, ich könnte auch sagen,
aufblähen konnte. Das ist ihm nicht leicht gefallen. Ein ständiges
Andante sei die sich über mehr als ein Jahrzehnt hinziehende Arbeit
an den vier Romanen gewesen. Das war einerseits nicht schlimm, weil
seinen Nobelpreis hatte er schon, Buddenbrooks, Tonio Kröger, Tod in Venedig, Der Zauberberg waren längst geschrieben. Aber es war
schon eine dumme Sache, auf die er sich da eingelassen hatte, obwohl
er das selbst nie zugegeben hätte. Was gerade der dritte Band:
Joseph in Ägypten ihm abverlangt haben muss, das zeigt sich an der unermesslichen Erleichterung, die er empfand, als er endlich, endlich fertig war. Tagebuch vom 23. August
1936: Heute Vormittag schloss ich Joseph in Ägypten ab. Der
Tag wird zum Festtag: ... Festliches Abendessen mit
Champagner-Getränk und Torte ... Nachher festliche Vorlesung des
Schlusses ... . Champagner-Getränk
und Torte! Warum schreibt er Champagner-Getränk und nicht einfach
Champagner? Weil es ein Champagner-Cocktail gewesen sein wird, der
gereicht wurde als Aperitif vor dem Abendessen. Was wird noch
festlich gewesen sein an diesem Abendessen? Die Auswahl der Speisen,
das Kerzenlicht und dass der Hausherr Smoking trug? Und im Smoking
hat er auch festlich vorgelesen anschließend? Wem? Seiner Frau
und seinen sechs Kindern auf jeden Fall. Die Frau Jüdin, die Kinder
nach jüdischem Gesetz auch alle jüdisch wegen der jüdischen
Mutter. Der Lübecker in seinem
Smoking der einzige Nichtjude in dieser großen jüdischen Familie.
All das im Grunde viel interessanter als das Geplappere der Erzählung
von Joseph, mit dem er sich identifiziert haben muss, anders geht es
doch gar nicht. Der so sehr norddeutsche Mann identifiziert mit dem
jungen jüdischen Mann in der Fremde Ägyptens. Und seine Kinder
feixen hinter vorgehaltener Hand, während sie seinem festlichen
Vorlesen folgen, was sie allerdings auch getan hätten, wenn sie keine Juden wären. Denn dass der Vater sich seinen Smoking
angezogen hat an diesem Abend, das ist mal wieder ein starkes Stück. Mutter Katia
lächelt milde. Und drei Jahre später erscheint Freuds Der Mann Moses und die monotheistische Religion. Das ist letztlich auch ein fiktionales Werk. Aber Sigmund Freud weiß, wovon er redet.
Mittwoch, 7. November 2012
Dürrer Arsch
All I
ever really wanted is my story to be told.
Warum so schnöd? Warum gönne ich mir nicht die Misanthropie? Ist doch
auch ein Schutz. Und an unschuldige Opfer kann ich mich nicht
erinnern.
Je mehr ich von mir
selbst besessen bin, desto weniger ertrage ich die Selbstbesessenheit
der anderen. D a s ist meine Geschichte. Ich würde sie gerne
erzählen. Aber dazu müsste ich endlich einmal aufhören, auf meinen
Gedanken hin und her zu rutschen wie auf einem zu dürren, knochigen Arsch. Und zum Verrat müsste ich bereit sein. So groß wäre
der Verrat allerdings gar nicht, da es am Ende mehr um mich geht als um
alle anderen.
Wenn ich hier mit
dem inneren Kreis meiner Leser allein sein will, muss ich nur
mehrmals hintereinander über mich schreiben. Wenn ich es dann nicht
mehr mit ansehen kann, wie es immer weniger Leser werden, gehe ich am
nächsten Tag zur Eröffnung einer Ausstellung, mache Fotos vom Künstler, seinen Freunden und seiner Kunst, über die ich aus
Menschenfreundlichkeit kein Wort verliere, und schon schnellt die
Zahl der Page Views nach oben. Auch das ist Biest zu Biest.
Misanthropie nur eine meiner Seiten. Menschenfreund bin ich außerdem
noch. Und was ich über Leser denke, behalte ich für mich, bis es mehr als 100 000 sind.
Niemand, den ich
kenne, ist interessanter ist als ich. Alleine schon, weil ich
über niemanden so viel weiß wie über mich. Andere an meinem Wissen
teilhaben lassen. Bis es ihnen so weh tut wie mir.
Dienstag, 6. November 2012
Besessen
Maulhau verlangt,
dass die Leser wissen, dass er eine fiktive Figur ist. Wenn auch abgeschaut einer realen Person: demjenigen, der zu einer gemeinsamen
Bekannten gesagt hat, dem hau ich auch noch aufs Maul, und den er
damit meinte, das bin ich, weshalb das mit dem Grüßen von ihm und
mir auf der Straße nur noch ein Krampf ist und es mir lieber wäre, wenn wir es ganz weglassen könnten, wenn er damit einverstanden ist. Aber alleine
schon deshalb hat das Gespräch mit Maulhau, auf das ich mich gestern bezogen habe, so nie statt gefunden. Es basiert auf einem Dialog, den ich mit Gerit Koglin in
seinem Atelier geführt habe. Damit habe ich hier zum ersten Mal eine Person, die erfunden ist, auftreten lassen in einer Szene, die ich mir ausgedacht habe. Auflösungserscheinung. Auflösen, statt abrupt zu enden. Weil enden
ist schwerer, als ich dachte in dem Augenblick, als ich die Erleichterung empfunden habe
bei dem Entschluss, Biest zu Biest einzustellen. Alternative gestern
wäre gewesen, über die zwei Frauen zu schreiben, neben denen ich
mittags die Straße überquert habe. Beide so hässlich, dass es
ihnen nie jemand sagen darf, wie sehr. Dabei die Dicke von beiden so überquellend vor Selbstbewusstsein, dass für jeden, der es mit ansehen musste,
selbstbewusst sein für immer als Vulgarität disqualifiziert ist.
Charakteristische Biest zu Biest-Szene. Die Dicke abstoßend und ich
falle hier über sie her mit meinen Worten, weil sie mir was getan hat? -
Missfallen, einfach nur missfallen hat es mir, dass die Dicke
nichtsahnend davon, wie abstoßend sie ist, so stolz auf sich
sein kann. Worte. Blog eines schlecht gelaunten Passanten. Und mehr.
Verwandter dessen, der keine Widerworte erträgt und zuschlägt am
Ende doch nur, weil er dem Anderen sein Eigenes nicht lassen kann. Und Verwandte wir beide der jungen Schläger und
Treter aus dem Wedding. Denn irgendetwas wird denen auch missfallen
haben an ihrem Opfer, bevor es den ersten Schubser gab und dann die
Tritte bis zum tödlichen Ende.
Je mehr ich von mir selbst besessen bin, desto weniger ertrage ich die anderen.
Je mehr ich von mir selbst besessen bin, desto weniger ertrage ich die anderen.
Montag, 5. November 2012
Schläger
Maulhau auch schon älter. Deshalb
immer wieder der Satz: Das hat es früher nicht gegeben, wenn einer
am Boden gelegen hat, dass dann weiter reingetreten wurde. Wenn es
entschieden war und der andere am Boden lag, hat man aufgehört und
ihm vielleicht sogar noch aufgeholfen. - Das hätte ich mal sehen
wollen, wie Maulhau einem aufhilft, den er gerade eben niedergeschlagen hat. Wenn er da steht, noch den Gorilla im Gesicht
und sich am liebsten mit der Faust gegen die Brust hämmern würde
triumphierend über den anderen, den Drang dazu jedoch unterdrückt
und einfach nur abwartet, ob da noch was kommt, der andere
zurückschlagen will oder wiederholt die Widerworte, für die er eine verpasst gekriegt hat von ihm mit der Rückseite der
Hand. Doch da kommt nichts mehr. Dazu ist der andere viel zu
verblüfft, dass der Maulhau ihn geschlagen hat und wie schnell das
alles gegangen ist. Den Schlag gespürt, bevor er ihn kommen sah. Und
als er wieder auf den Beinen steht, da ist es schon vorbei. Denn er
wird sich hüten, zum Maulhau noch mal etwas zu sagen.
Maulhau meint, dass es am Fernsehen
liegt, dass sie heute erst aufhören, wenn einer tot ist. An Film und
Fernsehen liegt es, will er damit sagen, am Actionfilmgucken, mit dem
sie aufgewachsen sind, die jungen Schläger und Treter, und das ist
normalerweise ein dumpfer Satz, aber nicht, wenn er von einem
erfahrenen Schläger kommt wie Maulhau. Er meint nämlich nicht, dass
die so viel Gewalt sehen und dann machen sie es eben auch, weil sie
denken, so ist die Welt und wer soll es machen, wenn nicht wir. Der
Maulhau sieht es technisch und zusammen sehen wir es dann ästhetisch,
filmästhetisch. Die meisten Schlägereien im Leben
laufen so ab, dass es ganz schnell einen Sieger gibt und einen Besiegten.
Dabei verkürzt das Eingreifen von Schlichtern den realen Gewaltakt
noch zusätzlich. Ehe man sich versehen hat, ist
es auch schon wieder vorbei. Während es im Kino nun erst richtig
losgeht - Drama im Drama: Prügeleien mit dem langen epischen
Atem des Trojanischen Krieges. Artistik, Comedy-Einlagen. Das wollte irgendwann niemand mehr sehen, so wie niemand mehr eine
Autoverfolgungsjagd sehen wollte. Realismus! Brechende Rippen, platzende Augenbrauen und Lippen, Gesicht schrammt über die Bordsteinkante. Aufprall eines
Baseballschlägers auf dem Schädel eines Verräters. Einmal
Zuschlagen genügt nicht, zu Matsch soll der Schädel werden.
Wegen der Wut des Mobsters mit dem Baseballschläger. Wegen der Zuschauer, damit sie was davon haben. So lange, bis auch
der letzte Träumer den Finger aus der Muschi seiner Freundin nimmt und sich nur noch graust. Timing, Inszenierung. Gewalt im Kinofilm braucht Zeit. Und das ist es, womit die jungen Schläger und Treter
aufgewachsen sind und was sie nachahmen: diese Zeit, die sich das Kino nimmt für die Gewalt. Wie schnell
liegt so ein Kerlchen am Boden. Hab ich ihn nur mal geschubst, da hat er
sich schon gekrümmt auf der Erde. Und das soll schon alles
gewesen sein? Ich bin jung, ich will was erleben.
Sonntag, 4. November 2012
007 50
Wenn Javier Bardem in der Stadt ist, besser nicht die U-Bahn benutzen und auch nichts auf die guten Kritiken der korrupten Feuilletonisten geben: Der neue Bond-Film ist aktional langweilig, plottechnisch vorhersehbar, allerdings durchweg witzig und dass die unangenehme Judi Dench in der Rolle von M aus der Serie geschossen wird zugunsten von Ralph Fiennes, das wird mit einer solchen Überdeutlichkeit vorbereitet, dass jede andere Auflösung des Konflikts eine Enttäuschung gewesen wäre.
50 Jahre heißt es stolz am Ende des Abspanns. Daniel Craig bester Bond-Darsteller aller Zeiten. Seine Anzüge von Tom Ford. Titel nichtssagend. Heißt wirklich nicht mehr als Himmelssturz und hat somit auch nicht entfernt die Poesie von Tomorrow Never Dies oder A Quantum of Solace (Ein Quantum Trost).
Samstag, 3. November 2012
Ausgeschöpft
Mein kostenloser Speicherplatz für
Fotos in diesem Blog ist weit über das Limit ausgeschöpft. 1 Gigabyte
freien Speicher stellt Google bereit. Gegen Bezahlung könnte ich die
Kapazität auf 25 Gigabytes erhöhen. Kostet monatlich 2,49 $.
Das ist nicht viel für so viel Speicherplatz. ABER: Mit Biest zu
Biest verdiene ich im Monat 40 €. Vierzig! Und jetzt werde ich
neben der Arbeit auch noch Geld in das Blog investieren? Vor zwei Jahren
hätte ich die Leser zu einer Spende aufgerufen. Inzwischen kenne ich
die Leser so gut, dass ich das lasse.
Kein Tag ist vergangen im
zurückliegenden Monat, an dem ich nicht überlegt habe, ob ich Biest
zu Biest einstellen soll. Jetzt das Neueste: dass ich dafür bezahlen muss, den Blog so fortsetzen zu können, wie er sich entwickelt hat. Bebildert. Wenn ich nur ganz kleine Formate verwende, unter 800 x 800 Pixel werden die dem Speicherplatzkonto übrigens nicht angerechnet (wie auch Videos bis zu 15 Minuten Länge). So könnte es kostenfrei weitergehen.
Es ist nicht wegen des Betrags von 12 x 2,49 $. Den hätte ich mir auch noch jeden Monat von irgendwo abgespart. Dennoch könnte es den Ausschlag geben. Ich nehme es als Entscheidungshilfe.
Es ist nicht wegen des Betrags von 12 x 2,49 $. Den hätte ich mir auch noch jeden Monat von irgendwo abgespart. Dennoch könnte es den Ausschlag geben. Ich nehme es als Entscheidungshilfe.
Wenn ich Biest zu Biest aufgebe, mache ich in gensheimer weiter. Da habe ich den Speicherplatz von 1 Gigabyte gerade einmal zu einem Viertel aufgebraucht. Biest zu Biest bliebe weiterhin online. Zum Stöbern und Erinnern.
Das ist jetzt schnell gegangen. Ein paarmal überschlafen!
Ich würde schon sehr gerne aufhören mit Biest zu Biest und etwas anderes anfangen.
Ich würde schon sehr gerne aufhören mit Biest zu Biest und etwas anderes anfangen.
Freitag, 2. November 2012
Verspielt
Jules Verne für Mädchen.
Flohmarktfund. Das Papier muffelt, der kartonierte
Einband hat Stockflecken. Nicht alle Illustrationen sind so gut
erhalten wie diese.
Illustratorin ist Yulia Kazakova.
Geboren 1980 in Moskau. Mir aufgefallen schon im Frühling bei der
UDK-Ausstellung Gute Karten im Haus am Kleistpark. Ab heute mit einer kleinen Werkschau in der Galerie von Helga Maria Bischoff in der Kollwitzstraße.
Technikwelten zwischen Faszination und
Beklemmung. Meinetwegen muss sie sich nicht entscheiden.
Bilder: © Yulia Kazakova
Donnerstag, 1. November 2012
Retro
Die Besucherin aus Heidelberg freut es, dass ich sie zum Kreis der nahestehenden Personen zähle,
über die ich nicht schreibe im Blog. Ich hätte auch nicht gewusst,
was ich über sie schreiben soll, außer dass sie nach zwei Stunden unermüdlichem Zuhören immer noch ehrlich interessierte Fragen stellte und mir
darauf noch eine weitere Stunde ohne Zeichen von Ungeduld zuhörte.
Nachmittag im Café Sur.
Es war die Besucherin, die den scheußlichen 50er Jahre-Leuchter entdeckt hat. Ich hätte an ihm vorbei geguckt. Und dabei wäre mir entgangen, dass er Teil einer ganzen Kollektion von 50er Jahre-Lampenmodellen im Café Sur ist.
Je
dunkler es draußen wurde, desto anheimelnder leuchtete der
Retro-Kitsch.
Abonnieren
Posts (Atom)