Dienstag, 15. Februar 2011

Isabella

Epilog Filmfestspiele. Kein Film im Programm, den ich unbedingt sehen will. Auch nicht den von Miranda July, nachdem ich die Inhaltsangabe gelesen habe. Die klingt zwar erst vielversprechend, weil von Details abgesehen wie nach meinem Leben und dem einer mir entfernt nahestehenden Person: The Future erzählt die Geschichte eines Paares in den Dreißigern, dessen Leben auf der Stelle tritt. Alle Versuche, private oder berufliche Erfüllung zu finden, scheitern an den eigenen Ängsten, an Ablenkungen durch Träumereien und vertrödelter Zeit im Internet. - Doch dann Stirnrunzeln: Als Sophie (Miranda July) und Jason (Hamish Linklater) eine schwer kranke Katze bei sich aufnehmen, bleiben ihnen vier Wochen, bis sie den neuen Hausgenossen zu sich holen. Die Katze wird rund um die Uhr Betreuung benötigen. Trotz aller guten Absichten fürchten sich Sophie und Jason davor in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. Die Unsicherheit führt beide auf verschiedene Wege. Sophie lernt einen Fremden kennen, der sie aus ihrer gewohnten Bahn lenkt. Die Kluft zu Jason wird immer größer. - Nein, da bin ich aus meinem Leben ganz andere Absonderlichkeiten gewohnt (siehe oben: eine mir entfernt nahestehende Person). Und eine schwer kranke Katze als McGuffin (Vorwand, um eine Geschichte zu erzählen) ist auch nicht gut. Da fühle ich zu sehr mit. Paare im Trennungsschmerz, sich mit großen scharfen Messern massakrierende Paare, sich mit großkalibrigen Feuerwaffen beschießende Paare oder sich gegenseitig in die Luft sprengende Paare, das kann sogar lustig sein (Mr. and Mrs. Smith) - aber eine Katze, die leidet, das halte ich nicht aus. Im Leben nicht und auch nicht auf der Kinoleinwand. Am schlimmsten die Vorstellung, dass Sophie und Jason vielleicht wieder zusammenfinden und beschließen, die Katze ihrem Schicksal zu überlassen, weil sie erkennen, dass sie nun endlich erwachsen werden müssen und sie sich mit der Katze nur einen Kindheitswunsch erfüllen wollten, den sie bald nicht mehr haben, weil sie jetzt erwachsen werden. – Der Film läuft im Wettbewerb. Er wird also auf der sehr großen Leinwand im Berlinale Palast gezeigt. Da hat ihn – heute in der Vorstellung um 12.15 Uhr - auch Isabella Rossellini, die diesjährige Jury-Präsidentin  gesehen. Das dürfte nicht einfach für sie gewesen sein. Denn sie ist sehr, sehr tierlieb. – Sie war einmal mit David Lynch zusammen. Als sie sich kennenlernten, in einem Restaurant, da ist er an ihren Tisch gekommen und hat sich entschuldigt für seine Aufdringlichkeit, aber er könne nun mal nicht anders, er müsse es ihr sagen: Sie sehen aus, wie eine Tochter von Ingrid Bergmann. – Worauf sie gesagt hat: Ich bin eine Tochter von Ingrid Bergmann. – Das war ein starker Anfang. Es ging auch ein paar Jahre gut. Es wäre vielleicht sogar lebenslang gut gegangen. Doch dann ist sie eines Nachts - es war in der Wohnung von David Lynch – hungrig zum Kühlschrank gegangen, hat ihn geöffnet und sah – im unbarmherzigen Licht der Kühlschrankbeleuchtung – ein seziertes Kaninchen auf einem Teller liegen. Nicht etwa gebraten und dann nicht ganz aufgegessen. Seziert! Von dem Mann, mit dem sie eben noch das Bett geteilt hatte. Worauf sie sich angezogen, ihr Täschchen gepackt hat und gegangen ist. Für immer. – Isabella kommt aus einer Künstlerfamilie. Mama: siehe oben. Papa: Roberto Rossellini, der Meisterregisseur des Neorealismo (Roma, città aperta; Paisà; Stromboli; Viaggio in Italia).  Neorealismus! - Da ist Frau Rossellini bestimmt aus ihrer Kindheit einiges gewöhnt. Aber auch künstlerische Freiheit hat ihre Grenzen, und die sind da, wo das Sezieren von Kaninchen beginnt. Für Isabella Rossellini. In der Anekdote über die Trennung von David Lynch. Kann natürlich sein, dass die erfunden ist, und die beiden haben sich aus ganz anderen Gründen getrennt. Vielleicht, weil er eines Tages zu ihr sagte: Es reicht nicht, die Tochter von Ingrid Bergmann und Roberto Rossellini zu sein! – Und diesen Satz hatte sie schon so oft gehört, aber dieses Mal, das war das eine Mal zu viel. Da hat sie ihr Täschchen gepackt und ist gegangen. Aber dann hat sie es ihm gezeigt, dem David Lynch, der sie in Blue Velvet nackt und wahnsinnig in den Vorgarten des Hauses der Eltern von Laura Dern gestellt hat, die darauf losheulte und dabei ein solches Weingesicht gemacht hat, dass man als Zuschauer unwillkürlich lachen musste. – Worauf ich hinaus will: Ganz gleich, was alles über sie kolportiert wird, die Tierliebe von Isabella Rossellini ist verbürgt. Sogar dokumentiert. In zwei Filmprojekten. Green Porno und Seduce me. Grün ist der Porno, weil er für Artenschutz eintritt. Und ein Porno ist es, weil es darin um das Sexualverhalten von Tieren geht. Meine Lieblingsstelle ist in dem Film über die Seeelefanten (anklicken: Green Porno All - Harem at the Beach), die Szene, in der ein Seeelefant am Strand mit einer Geschwindigkeit, die dem unbeholfen sich bewegenden, massigen Tier nicht zuzutrauen gewesen wäre, auf Frau Rossellini zuhält, und sie wie ein kleines Mädchen Schutz sucht hinter dem Rücken des Biologen, der ihr gerade das Paarungsverhalten der Seeelefanten erklärt. – Schön ist auch der Film über die Delfine (anklicken Seduce me All - Dolphins), denen außer Sex mit anderen Tierarten keine Spielart menschlichen Sexualverhaltens fremd ist. Am allerschönsten ist jedoch der Film über die Enten (anklicken Seduce me All - Duck), in dem Isabella Rossellini einfühlsam ein Entenweibchen verkörpert. – Isabella Rossellini. Green Porno. Seduce me. Wenn man böswillig sein will, kann man sagen, die Filme sind die sympathische Arbeit einer höheren Tochter. Man kann es aber auch so sehen: Wenn man die Filme albern findet, muss man sich einfach nur vorstellen, dass das die Tochter von Ingrid Bergmann und Roberto Rossellini ist, die jetzt gerade einen Shrimp oder eine Ente verkörpert. Ich fand die Filme nicht albern. Ich fand nur, dass Isabella Rossellini ganz schön füllig geworden ist um die Backen, und habe mir gedacht, dass müssen die Gene vom Papa sein.