Mittwoch, 26. Oktober 2011

Obst&Gemüse



Der Gruß des Kaufmanns ist die Klage. Arabisches Sprichwort. Hat er von mir gelernt. Imad, Besitzer des Obst- und Gemüseladens gegenüber der Apostel-Paulus-Kirche. Wenn ich ihn früher gefragt habe, wie es ihm geht, hat er immer wahrheitsgemäß geantwortet, dass es ihm gut geht. Das hat er auch noch getan, nachdem ich ihm das Sprichwort beigebracht hatte. Aber von da an hat er sich sofort korrigiert und mit dramatischer Miene gesagt: Schlecht. Ganz schlecht. Und dann haben wir gelacht. Heute lobe ich seine Auslage: Das hast du schön arrangiert. Wie auf einer festlichen Tafel. Er nickt. Und ich füge hinzu, was er schon kennt von mir: Schade, dass ich nichts davon kaufen kann. Zu teuer für mich. Da zuckt er sonst mit den Achseln und grinst. Heute macht er eine bedrückte Miene. Was ist los? Nicht gut das Geschäft? Er schüttelt den Kopf. Den ganzen Monat schon nicht gut. Überall sei es nicht gut, nicht nur bei ihm. Krise. Die Leute haben kein Geld wie ich oder halten ihr Geld fest, weil sie nicht wissen, wie die Krise ausgeht. Und dann noch Obst und Gemüse. Da hilft kein Kühlhaus. Nach vier, fünf Tagen ist die Ware hinüber. Dann kann er sie wegwerfen. Machst du Verluste? – Er sagt nicht ja, er sagt nicht nein. Er spricht von den Kosten. Alles wird teurer: Miete, Heizung, Strom (Kühlhaus) und die Zwischenhändler geben ihre Verluste weiter an die Einzelhändler, indem sie die Preise erhöhen, bis den Einzelhändlern die Luft ausgeht und in der Folge die Zwischenhändler selbst ersticken an ihrer Gier. Doch so schlimm wird es schon nicht kommen, Imad. Die Krise hat auch viel mit Stimmung zu tun und die kann sich rasch ändern. Ich muss nur Imads Gesicht angucken und weiß, wie hohl ich daher rede. So habe ich ihn noch nie erlebt. Es ist, als ob jemand gestorben wäre. Am besten gar nichts sagen, einfach nur da sein und zuhören und dann schnell weiter und sich seines Lebens freuen. Geht es Ihnen auch so schlecht geschäftlich? frage ich Armin, der vor seinem Zeitungsladen sitzt und gar nicht gleich weiß, was er antworten soll: Öööööhhhh – nöh. Schlecht geht es ihm nicht. Genau genommen geht es ihm sogar gut geschäftlich und sonst offenbar auch, so entspannt und vergnügt wie er da sitzt. Das von Imad zu hören tut ihm leid, ist aber auch klar: Qualitätsanbieter, gut und teuer, da sparen die Leute zuerst in der Krise; dann eben nicht ganz so süß und saftig, dafür zum halben Preis bei PennyLidlAldi. Und dann auch noch verderbliche Ware. Armer Libanese! – Er dagegen hat Kommissionsware. Zeitungen und Zeitschriften, die er nicht loskriegt, die remittiert er (gibt er zurück). Und die Krise, die spürt er auch. Nur, sein Geschäft belebt sie. Die Leute suchen Erklärungen für das, was vorgeht. Im Fernsehen kriegen sie die nicht, also suchen sie sie in den Zeitungen. Würde mich wundern, wenn sie sie da kriegen. Aber ist doch egal, immer gut, jemanden zu treffen, der zufrieden sein kann, während es anderen schlecht geht. Beschwingt davon überlege ich: Was kann ich den Leuten anbieten, was sie brauchen in der Krise. Ich komme nicht darauf. Auf dem Rückweg gehe ich noch mal bei Imad vorbei, um seine schöne Auslage zu fotografieren. Er schaut mir dabei zu, und als ich fertig bin, sagt er: Das kannst du jetzt jeden Tag machen.  

Schmecken wie Kiwis, sagt Imad. Und sehen sie nicht
aus wie Früchte von einem anderen Planeten?